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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.04.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-17
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030417026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903041702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903041702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-04
- Tag1903-04-17
- Monat1903-04
- Jahr1903
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Tabellarischer und Ziffernsap entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahine 25 L, (excl. Porto). Srtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—. mit Postbesörderung 70.—. Ännahmelchluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Erpedition zu richte». Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz io Leipzig. Nr. 183. Freitag den 17. April 1903. 87. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 17. April. Aationalliberale Zählkandidaturcn. Die in unserer heutigen Morgenausgabe unter den »Letzten Nachrichten" mitgeteilte Meldung aus Berlin, die uatiooalliberalePartei gedenke in sämtlichen, auch in den sür sie völlig aussichtslosen ultra montanen Wahl kreisen de« Reichs behusS Zählung der liberalen Summen Zählkandidaten aufzustellen, eilt den Tatsachen voraus. Zunächst liegt in der »Nationallib. Korr." nur eine aus nationalliberalen Kreisen stammende Zuschrift folgenden Wort laute« vor: „Die beiden stärksten Parteien nach der Stimmenzahl waren 1898 Sozialdemokratie und Zentrum; an dritter Stelle rangiert »ach der amtlichen Statistik mit 971302 Stimmen die national liberale Partei. Beiläufig bemerkt, ist diese Statistik durchaus nicht zuverlässig, z. B- sind die Stimmen des nationalliberalen Abgeordneten Mauser der Reichspartei zugerechnet. Doch das nur beiläufig! Jedenfalls stehen Sozialdemokratie und Zentrum mit außerordentlich impoaiereoden Zahlen an der Spitze. Woher kommen diese Zahlen? Zum großen Teil von der Gewohnheit dieier Parteien, auch in den aussichtslosesten Wahlkreisen ihre Stimmen zu zählen. Die Sozial demokratie stellt bekanntlich überhaupt in allen 397 Wahl- kreise» d«S Reichs Kandidaten auf, und aus welchen Gründen auf dem Lande oft ein sozialdemokratischer Zettel abgegeben wird, daS gehört schon mehr in den Bereich der Witzblätter. DaS Zentrum hat schon jetzt in dem protestantischen Sachsen und vielen anderen Wahlkreisen Zählkandidaturen proklamiert. Daß auf diese Weise schließlich als Gesamtsumme doch ein ganz an- sehnliches Resultat herauskommt, liegt auf der Hand. Wie steht es in dieser Beziehung mit liberalen Zählkandidaturen? Durchaus un- erfreulich. In außerordentlich zahlreichen Wahlkreisen, wo es vielleicht wenige, ober doch treue Anhänger des Liberalismus gibt, geschieht bei den Reichstagswahlen so gut wie nichts. Und doch hat gerade der Liberalismus im Hinblick auf die fortgesetzten höhnischen Bemerkungen von rechts und links über seinen „Niedergang" und sein „AuSsterben" doppelt Grund, seine Getreuen auch sämtlich nach außen in die zisfermätzige Ericheinung treten zu lassen. Natürlich gilt daS nur für solche Kreise, wo nicht durch eine Zählkandidatur die Aussichten eines nahe- stehende» Kandidaten gefährdet werden. Niemand wird wünschen, daß die Kinderei von 397 sozialdemokratischen Nandida- tureo uachgeahmt werde. Aber namentlich sür die ultramontanen Wahlkreise deS Reichs gilt sämtlich der ernste Rus an die dor tigen kleinen liberalen Kreise: Stellt aus Eurer Mitte «inen Zählkandidaten aus! Vor uns liegt eine kleine dankenswerte statistische Arbeit: „Die Reichstags - Wahlen in der Provinz Westfalen 1871—1898". Wir greifen daraus folgende sieben stockultramontane Wahlkreise heraus: Tecklenburg, Münster, Recklinghausen, Lüdinghausen, Pader born, Warburg und L i p p st a d t. In diesen Wahlkreisen ist bei den Wahlen von 1898 nichts gegen das Zentrum geschehen. Und doch ist in diesen Kreisen bei den verschiedenen Wahlen seit 1871 eine Höchstsumme von zusammen 14 500 national liberalen Stimmen abgegeben worden! Es dars nicht heiße«: „ES hilft ja Loch nichts!" Ueberall in diesen und in anderen Kreisen mit ähnlicher Parleikonstellation müssen diesmal liberale Zählkandidaten gegen den UltramontaniSmus aufgestellt werden. Daß heutzutage weniger Grund als früher vorläge, gegen den letzteren Front zu machen, wird wohl niemand behaupten." Welche Frucht diese Mahnung haben wird, muß man abwarten. Allzugroßen Erwartungen darf man sich jeden falls nicht hingeben. Wer den Terrorismus tennt, den be sonders »n Westfalen die Ultramontanen ausüben und der sich hier und da bis zur wirtschaftlichen Boykottierung des politischen Gegners steigert, wird es begreiflich finden, baß in solchen Wahlkreisen, in denen die national liberalen Wähler nur einen verschwindenden Bruchteil bilden, diese Wähler etwas zurückhaltend sind. Wollten sie aber auch aus dieser Zuiückhaltuug heraustrelen, so würben sie nach den bisher gemachten Erfahrungen in vielen Fällen vergebens nach einem geeigneten Kandidaten suchen, der sich mit der Rolle eines Zählkandidaten begnügen würde. Es kann unb darf nicht verschwiegen werden, daß solche Männer gerade in der uationalliberalen Partei sehr dünn gesät sind. DaS ist überaus be klagenswert und wirft aus den Geist der Opferwilligkeit, der in der Partei herrsch«, kein günstiges Licht. Und alle bisher laut gewordenen Klagen uud Mahnungen haben nichts geholfen. Sollte es diesmal anders icin, so würben wir es mit Freuden begrüßen; aber zur Vertrauensseligkeit geben uns die Erfahrungen eines vollen Menschenalters keinenGrund. Zürn Trierer Schulkampfe. Tie gestern an dieser Stelle mitgeteilke und besprochene Meldung der „Frks. Ztg.", ter neue (katholische) Re gie rt ungs- unb Schulrat in Trier habe seine Tochter der vom Bischof vr. Korum auf Kosten der staatlichen Töchter schule warm empsvhlenen U r s ul ine r in n en sch ule über geben, ist inzwischen von vielem Beamten als unrichtig bezeichnet worden. Damit ist aber leider noch nicht bewiesen, daß au maßgebender Stelle in Berlin die neuerdings gegen die paritätische staatliche Anstalt betriebene klerikale stille Agita tion mit denselben Augen betrachtet werde, mit denen das Publikandum des BilckofS betrachtet worden war, und daß das Mittel der Beschwerde beim päpstlichen Stuhle gegen Vie Wühlerei ebenso in Anwendung gebracht werden solle, wie es gegen das bischöfliche Vorgehen sür nölig er achtet wurde. Und leider wird der Zweifel an der Nach- halli.ikeil der staatlichen Energie genährt durch neuere Berichte aus Trier. Einer von ihnen, der dem „Hann. Kur." zu geht, lautet: „Der an der Oberfläche verstummte Trierer Schulkamps hat so ganz unter der Hand in dieser österlichen Zeit eine Auferstehung erlebt, die an Nachhaltigkeit und im stillen entfaltetem Eifer nichts zu wünschen übrig läßt. Die Geistlichkeit benutzt nämlich die Tage, in denen bekannt- lich jeder Katholik zur Beichte und Kommunion gehen muß, um aufs neue mit Volldampf gegen die paritätifche Staatsschule zu arbeiten. Als ob die Zurücknahme des „Publikandums" nicht die geringste Bedeutung gehabt hätte, wurde den Eltern, namentlich den Müttern von Schülerinnen der königlichen Lehranstalt, deren Verwerf lichkeit im Beichtstühle eindringlich vor Augen geführt und von ihnen Las Versprechen verlangt, die Töchter in eine katholische Schule zu tun. Wo dies verweigert wurde, soll tatsächlich in einzelnen Fällen die Absolution nicht erteilt worden sein. Es liegt in der Natur der Sache, Laß bestimmte Angaben über dielen Punkt nicht leicht zu erhalten sind; aber daß die Hetze gegen die Anstalt wieder voll ausgenommen worden ist, unter liegt keinem Zweifel. Sind doch Geistliche zu ausgesprochen liberalen Katholiken inS Haus gekommen und haben in langatmiger Beredsamkeit versucht, Kinder der Schule abspenstig zu machen; glücklicherweise meist ol.ne Erfolg. Dabei heißt es fortgesetzt in scheinbareingeweihtrn Kreisen, in Coblenz sei ein Einverständnis zwischen Regierung undKirche erzielt worden, das noch der Bestäti gung durch Berlin, vielleicht auch durch Nom bedürfe. Mit Beginn Les neuen Schuljahres wird ja die Heimlichtuerei aushören müssen. In der Dasbachjchen „Landeszeitung" war der Kampf gegen das Lehrerinnenseminar ununterbrochen weitergesührt worden. Man hielt das für einen Privatsport des Blattes; aber die neuere Haltung der Geistlichkeit zeigt, daß System in den wieder ausgenommen»» Angriffen liegt und daß man hier trotz des vatikanischen Eingreifens die Partie noch lange nicht verloren gibt." Wir haben die Hetzerei der DaSbachschen „LandeSztg." niemals für Privalsporl dieses Blatte« und seine« Heraus gebers gehalten, und in Berlin kennt man die Beziehungen zwilchen dem letzteren und der jesuitischen rechten Hand des Bischofs zweifellos zu genau, um sich einem solchen Irrtum hinzugeben. Um so seltsamer nehmen sich cie Gerüchie über em «n Coblenz erzieltes „Einverständnis" aus. Jedenfalls hat das preußische Abgeordnetenhaus alle Ursache, sich genau nach dem Stande der Dinge zu erkundigen. „Einiger" Anteil an Ungarns Eivilisatio». Im ungarischen Reichstag hat der Historiker Thaly, angeregt durch die Aussprache im Deutschen Reichstage über das Thema Magyaren und Deutschtum, den Nach weis zu erbringe« versucht, daß die nichtdeutschcn Kultur-- einflüsse in Ungarn überwiegend seien, um dann gnädig zuzugeben, daß „auch die Deutschen einigen Anteil an der magyarischen Civilisation haben". Die „Kronstädter Zeitung" fragt in diesem Zusammenhang, ob es nicht doch der Hauptanteil sei, und fragt dann weiter: Oder weiß Herr Thaly nicht, daß die Gesetze des heiligen Stefan, auf die sich vornehmlich die Verfassung des Königreichs Ungarn ausgebaut hat, größtenteils den deutschen Reichskapitularbeschlüffen entnommen, also ur sprünglich deutsches Recht sind? Sollen mir hier auf zählen, was jeder nur Halbwegs in dieser Materie Be wanderte seit seinen Universitätsjahren weiß? Oder weiß Herr Thaly auch nicht, daß seit Stefan dem Heiligen die Deutschen fort und fort von den größten Königen ins Land gerufen wurden, und das hauptsächlich deshalb, um hier Kultur zu verbreiten? Ist ihm auch nichts von dem Ofener Stadtrecht bekannt, das die Deutschen in Ungarn zusammengestellt haben, und das für die von den Deutschen gegründeten Städte maßgebend war? Und die Städte selber — ivcr hat denn die in Ungarn gegründet? Etwa nicht die Deutschen? Wer hat die Zünfte einge richtet, wer hat die Schulen und vor der Reformation die Volksschulen eingerichtet? Wer waren die berühmten Goldschmiede, deren Arbeiten heute noch die Bewunde rung aller Kenner erregen? Aber wir gehen weiter und fragen, und das mit gutem Recht: Ar« welchen Hochschulen haben denn seit dem 15. Jahrhundert bis in die jüngste Zeit die Wisscnsdursti^en studiert? Bis auf verschwindend kleine Ausnahmen doch wieder nur an den deutschen. Ja, wir gehen weiter und geben Herrn Thaly zu bedenken, daß das verbreitetste Lexikon der magyarischen Sprache doch Herr Bloch (später: Ballagi) geschrieben hat, die berühmteste Literaturgeschichte Schedel (später: Toldy), die berühmteste Ethnographie Hundsdorfer (später: Hunfalvi), daß der größte Sprachforscher Bamberger (später: Vämbery), der hervorragendste Statistiker Klette (später: Keleti), der bedeutendste Historiker Fränkel (später: Fraknäi) ist, nicht zu vergessen, daß die berühmteste Oper auch ein Deutscher, Erkel, geschrieben hat, sowie der größte Maler Ungarns Lieb (später: MnnkLcsy) heißt. Und fragen wir weiter: wer war der berühmteste Kodifikator des Rechts? Doch nur Herr Nascher! (später: Escmcgi), und dann noch Herr Heidelberger (später: Halmossi). Und das alles zusammen, obwohl wir nur einen geringen Teil der Deutschen genannt haben, die in neuerer oder neuester Zeit auf die Kultur der Magyaren groben Einfluß gehabt haben, heißt Herr Thaly „einigen Anteil". Millerand, der sozialdemotcatische Exminister, ist dem französischen Sozialismus erhalten geblieben. Der Kongreß in Bordeaux hat mit 109 gegen 89 Stimmen bei 15 Stimm enthaltungen vom Ausschluß dieses „Reformsozialisten" abgesehen. Man darf den französischen Nesormsozialis- mus der Millerand nnd Jaures keineswegs als etwas betrachten, an dem sich die Sozialdemokratie in Deutsch land ein Muster nehmen könnte oder sollte. Der Millcrandsche Sozialismus ist nur möglich auf der Grundlage republikanischer Staats» und Berfaffungs» form. In Frankreich sieht der Sozialismus an sich die eine, und zwar die bedeutsamere Hälfte seines Prinzips längst verwirklicht: die Republik und die formell be stehende Volkssouveränität. Die Republik, bezugswetse das schrankenlos herrschende allgemeine Wahlrecht des souveränen Volkes, hat Jaurös als „politischen Kom munismus" bezeichnet. Der Sozialismus in Frankreich hat nun nur noch die Ausgabe, der republikanischen Staatsform des „politischen Kommunismus" den wirt schaftlichen Kommunismus als Inhalt zu geben, also Politik und Wirtschaftsleben in Einklang zu bringen. So angesehen, erklärt es sich von selbst, daß ein franzö sischer Sozialist ein prinzipiell-sozialistisches Interesse hat an der Erhaltung und Kräftigung der bestehenden „Staatsordnung", insofern diese Republik ist. Als „reiner Politiker" vermag er also unter Umständen auch heute schon sich an der „Regierung" des Landes zu beteiligen. In Deutschland hat die sozialdemokratische Partei erst die große und politisch-revolutionäre Aufgabe zu lösen, an Stelle der monarchischen die republikanische Staats form zu setzen. Die deutsche Sozialdemokratie haßt nichts so sehr, wie den Monarchismus und bemüht sich planmäßig, den Repräsentanten des monarchischen Prin- zips der Volksmasse verhaßt und verächtlich zu machen. Die Monarchie, der Monarch ist der stärkste Schutz gegen über der Flutwelle des Sozialismus, und es kann im politischen Leben keinen stärkeren Gegensatz geben, als den zwischen Monarchie und Sozialdemokratie. Beide können auf die Dauer gar nicht neben einander existieren. Innerhalb einer monarchischen Staatsform ist ein Millcrandscher „Reformsozialismus" eine absolute Un möglichkeit, es müßte denn der Monarch sich entschließen, ein demokratisches Ministerium zu berufen und daS Gottesgnadcntnm seiner Krone fallen zu lasten, um dann diese Krone wieder von der Souveränität des Volks- Feuilleton. Das Gold vom Mdwatersrand. Roman von F. Klinck-LütetSburg. Nachdruck verboten. ,ZSie ich dazu komme, Wilm? Auf die einfachste Art von der Welt. Ich sagte schon, daß ich auf dem Wege nach Potschefstrom bin. Daß ich Beziehungen zu der Trans vaal-Regierung habe, kann dir doch nicht fremd sein, und da möchte ich dich darauf aufmerksam machen, ein wenig vorsichtig zu sein. Sic beabsichtigt nichts weiter, als dich übers Ohr zu hauen, weil sie einen grünen Jungen vor sich zu haben glaubt. Ich gebe gern zu, daß sie sich darin schneidet, nach anderer Seite hin bist du in Gefahr. Uneigennützigkeit darfst du von den Herren nicht erwarten. Und nun sage mir bloß, was willst du, der Einzelne, ausrichtcn? Kapitalisten — Gesellschaften be herrschen das Terrain, nnd nur iu Händen solcher haben Pläne Wert, wie Peter sie verfolgt haben mag. Nun aber noch ein Wort im Vertrauen. Du weißt, ich stehe Kreisen nahe, in welchen man über politische Angelegenheiten! in- formiert ist. Daß sie bei uns zu Lande eine erheblichere Rolle spielen, als irgendwo, rvird auch von dir bemerkt worden sein, so sehr dir der weite Blick sür Dinge fehlt, die ein gewiegter Spekulant nicht aus den Augen lasten würde Politische Winkelzüge werden in den nächsten Jahren auf Handel und Wandel einen Einfluß ausübcn, der jeden Unternehmungsgeist im Keime erstickt. Der Anfang ist gemacht. Die Verhandlungen zwischen dem britischen Kolvnialminister Ehamberlain erösfnen der Transvaal-Regierung einen Ausblick, der ihr eine War nung sein könnte, sich einzubildeu, daß init der Aufhebung der Annexion von Transvaal das letzte Wort der eng lischen Regierung gesprochen worden ist. Die Großmut des Präsidenten, die er den Landesverrätern gegenüber an den Tag legt, macht auch ganz den Eindruck, als ob er jedem Konflikt vorsichtig aus dem Wege gehen wolle. Daß eS ihm nicht von Nutzen sein, und früher oder später der Augenblick kommen wird, der diesem unhaltbaren Zu stande ein Ende «nacht, ist keinem Eingeiveihteu ein Ge heimnis. Die Zeit, die aber noch zwischen heute und ihm liegt, muß nach Kräften ausgenutzt werden, damit er uns vorbereitet findet. Still — unterbrich mich nicht, Wilm. Ich denke nicht daran, dir meine politischen Anschauungen zu entwickeln, du kennst sie. Was ich dir zu sagen habe, hat auch nichts damit zu tun. Ich will unfern Vorteil; welche Partei ihn mir zu gewähre«« rm stände ist, hat «nein Vertrauen. Nur kann auch der Besonnenste sich nicht ver hehlen, daß unsere Interessen bei der Transvaal-Regie rung sehr wenig Berücksichtigung finden. Daher die große Unzufriedenheit und die Notwendigkeit einer Selbsthülfe. Wir kommen nur durch ein Ausbreiten unserer Macht zum Ziele und diese Ueberzeugung hat Peters ganzes Handel«« bestimmt. Du aber kannst daran denken, Beters Errungenschaften preiszugeben?" In Wilms Blicken leuchtete es. In dem Ausdruck seines Gesichts lag eine Bestätigung seiner Worte: „Ich versichere dich, Papa, daß ich nicht an ein Preisgeben der Errungen schaften Onkel Peters denke." „ES gibt nur einen einzigen Weg, Wilm, sie zu sichern", fuhr Mynheer Egnatins eifriger fort, denn er fühlte sich von einem wachsenden Unbehagen ergriffen, das ihn jeder Ueberlegung unfähig machte, obwohl er sich die Gefahr nicht verhehlte, die darin lag, den Sohn zum Mitwisser von Dingen zu machen, die besser für immer der Vergessenheit anheimgcfallen wären. Eine Sicherung, daß Wilm zu einem Gcheimhaltcn der Offenbarungen seines Vaters ge nötigt sein würde, lag schon in dein verwandtschaftlichen Verhältnis. „Schließe dich meinen Bestrebungen an, oder vielmehr den unseren. Wir arbeiten für ein großes Ganzes, sür die Herrschaft über ein Land, die ii« dem Gold von« Witwatersrand begründet liegt. Du kannst mit uns Hand in Hand gehen, denn im Grunde genommen wollen wir ja dasselbe: Mit Hülfe des Bergbaues die Landwirtschaft heben." „Nur mit dem Unterschied, Papa, daß wir grundver schiedene Ansichten über die Art der Ausführung haben", entgegnete Wilm ruhig. „Die sich aber ausgleichen lasten bei vernünftig denken den Männern." „Nicht bei Parteien mit einer Gesinnungs-Verschieden heit, wie sie zwischen der Transvaal-Regierung und den Uitländern besteht." Wilm hätte keine unglücklicheren Worte wählen können, den Vater zir reizen. »Ja, — ja, — nun bist du wenigstens aufrichtig. Du stehst ganz und gar im Dienste Tante Grietjes." „Ich stehe in niemandes Dienst, Papa, sondern bin vollkommen unabhängig und handle nach meinen« Er messen. Warum soll ich mit Männern Hand in Hand gehen, deren Bestrebungen ich nicht billige, ja, die mir in hohem Grade zuwider sind?" „Weil du ehrgeizig bist, und für dich allein den Ruhm ernten möchtest, daß — ja, was denn? Wie Frau Grietje — wie Peter — allein — allein Aber — Wilm, laß dir raten! Noch ist es Zeit zur Umkehr. Hüte dich, den Weg, den du beschritten hast, weiter zu wandern, du gehst in den Kußtapfen meines unglückseligen verblendeten Bruders. Wohin sie führen, haft du gesehen. Laß sein Beispiel dich schrecken, dir eine Warnung sein. Deine Arbeit ist Donquichotterie. Wie kannst du daran denken, als einzelne Persönlichkeit dich einem geschloffenen Ganzen zu widersetzen?" „Wem widersetze ich mich, Papa ? Du sprichst wirklich in Rätseln", entgegnete Wilm mit einer Kaltblütigkeit, die nur zu sehr geeignet war, Mynheer Egnatius van Sen dens Erregung zu steigern. „Tu willst mich bloß nicht verstehen, Wilm, oder du mußt blind und taub gegen alle Vorgänge sein, die dich hätten aufmerksam machen können, daß mit deinen Geg nern nicht zu spaßen ist. Ich will nur den Generaldirektor Brandt nennen. Du weiß«, welche«« Einfluß er, als der Vertreter unserer großen Finanzleutc, hat, nicht nur bet der Kaprcgierung, sondern auch im Transvaal." „Was habe ich mit dem Generaldirektor Brandt zu schaffen, Papa? Ich habe ihm gegenüber mit meiner Meinung nicht zurückgehalten." „Das ist ja eben das Wahnsinnige, Wilm, daß du blind und taub in dein Verderben rennst", eiferte der alte Herr. „Er hat dich in der Hand, er kann dich zu Grunde richten, und wird cs tun, indem er einfach sei«« Recht als Peter van Sendens alleiniger Erbe in Anspruch nimmt." Wilm blickte den Vater verständnislos an, aver dieser nickte bestätigend mit dem Kopfe. „Es besteht kein Zweifel, daß er es ist. Seine Gattin ist niemand anders als Peter van Sendens einzige hinter laßene Tochter und Erbin. Als solche kann sie unverzüg lich auf ciue reinliche Scheidung ihres väterlichen Erbteils vor« dem Vermögen der zweiten Frau des Onkels dringen, nnd ich versichere dich, daß Generaldirektor Brandt gerade der Mann ist, die Rechte seiner Gattin erfolgreich zu ver treten." Wilm war bleich geworden, so wenig er sich auch im stände sah, die Worte des Vaters in ihrem vollen Umfange zu erfassen. Sie bildeten zivar nur eine Bestätigung von allerlei Mutmaßungen, die er aber, als einem Märchen reich entstammend, mit großer Beharrlichkeit von sich ge wiesen, wen«« sie sich an ihn herangedrängt hatten. Auch jetzt! Er atmete auf und die Farbe kehrte in seine Wangen zurück. Es konnte nicht sein. Er hatte die Gattin des Generaldirektors als die einzige Tochter Danleys kennen gelernt und der Vater ihm geschrieben, daß Peter van Lendens Tochter erster Ehe vermutlich gestorben sei. Im nächsten Augenblick schon fühlte Wilm wieder eine Schwäche, obgleich er dem Vater seine Meinung aussprach, daß er ihn zu täuschen versuche. Mnnheer van Lenden schien nicht verletzt. „Deine Hartnäckigkeit im Mißverstehen der Lage nötigt mich, dich auf Schwierigkeiten ausmerksain zu machen, denen du nicht ausweichen kannst. Es wird von dir ab hängen, ob du eine Angelegenheit, die nach dem Willen des Verstorbenen für immer der Vergessenheit anheimfallen sollte, an die Ocffentlichkeit zerren und dadurch über dir liebe Menschen — ich meine Tante Grietje nnd Eato großes Elend bringen willst. Ich habe nur dringenden Wünsche«« meines Bruders nachgegeben, als ich mich zum Teilhaber von Täuschungen machte, die ihn sür die Er haltung seines Glückes notwendig dünkten. Er war herzlich froh, ein lange Jahre gehütetes Geheimnis durch die Verheiratung seines Kindes zum Abschluß gebracht zu sehen." „Warum — galt sie für die Tochter Danleys?" „Danley und Peter waren intime Freunde. Beider Töchter kamen schon als Kinder in eine Pension Süd deutschlands, und als Lily Danley auf der Rückreise starb, war es sehr naheliegend, daß eil« beide Teile befriedigendes Arrangement dahin getroffen wurde, das Lisa als Tochter ttn Hause Danleys verblieb, und Peter der Sorge einer möglichen Aufklärung Überhoben war." „Aber Onkel Peter wollte die Verbindung nicht." Wilm äußerte die Worte, nur um etwas zu sagen, in stinktiv. Ein Gefühl voi« Mattigkeit hatte ihn beschlichen, das in grellem Widerspruch zir dem Entschlüsse stand, allein alle Wirren zu lösen, nnd dieses Gefühl hinderte ihn, den Eindruck wahrzunehmen, den seine schlichte Krage auf den Vater machte.
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