Preis: »iereetjilb- rige Pränumeration s ngr. in'S Hau»/ sngr. bei Abho lung in der Expe dition. - Wochenblatt für Zschopau und Umgegend. (Jeden Sonnabend eine Nummer.) InsertionSgebühtea werden di« Zeile oder deren Visum mit i ngr. berechnet. M 45. Sonnabends, den 11. November 1854. Eine Begebenheit aus dem Leben Jung-Stillings. Die nachfolgende Geschichte Hab' ich zwar nicht selbst erlebt, obwohl ich den edeln Mann, von dem sie handelt, noch gesehen habe, aber es ist so gut, als halt' ich's selbst erlebt. Ich kann's wenigstens so verbürgen; denn mein Schwieger vater, der durch Familienverbindung Jung-Stilling nahe stand, der in seinen Jünglingsjahrcn sein Schüler in Lautern, in spätem Jahren ihm be> freundet war, ist Augen- und Ohrenzeuge ge wesen. Johann Heinrich Jung (von ihm selber zu benannt Stilling) wurde im Jahr 1740 zu Gründ im Nassauischen geboren. Die Armuth seiner Eltern wies ihm wohl keinen andern Weg, als Kohlenbrenner zu werden; jedoch ergriff er das Schneiberhandwerk. In ihm lag aber ein mächtiger Trieb nach höherem Wissen und Gott hatte ihn mit großen Kräften und Gaben begna digt. Er rang und kämpfte, und der Segen GotteS war mit ihm. Er wurde Schullehrer. Darauf studirte er Medizin und legte sich beson ders in seiner reichen Menschenliebe auf die Kunst, die Staarblinden durch den Nadelstich zu heilen. Er war Arzt in Elberfeld, dann Professor an der Cameralschule in Lautern, später in Heidel berg und starb endlich 1817 in Carlsruhe als Hvfrath. Fromm aus dem tiefsten Grunde sei ner Seele, aufopfernd in seiner christlichen Liebe, kindlich einfach in seinem Wesen, besaß er die Liebe Aller, die ihn kannten, und verdiente sie. Der Glaube an die unmittelbare Vorsehung Gottes, an die augenblickliche Erhörung der Ge bete, an die göttliche Rettung aus jeder Roth, an die Hülfe in jeder Gefahr, ruhte auf den Er fahrungen seines eignen Lebens und erfüllte seine Seele mit Muth, Kraft, Trost und Freudigkeit, die seine Seele erhob, bis sie überging in daS Reich des ewigen Friedens. Von diesem Manne handelt unsere Geschichte. Als die Franzosen kamen, erzählte mir oft mein Schwiegervater, und meinte dabei ihr Kommen in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhun derts. flüchtete der Hof. in dessen Diensten ich stand, ,n das Herz von Hessen. Mir wurde aus besonderer Gnade gestattet, in oder in der Nähe von äliarburg mit meiner Familie eine Unterkunft zu suchen, um die freie Zeit der Wissenschaft Widmen zu können. selbst jedoch wimmelte es von Flüchtlingen in der Art, daß ich durchaus kein Unterkommen finden konnte und froh sein mußte, auf einem der nächsten Dörfer, in einem kleinen Bauernhauschen ein Plätzchen für mich und meine Familie zu finden. Von hier aus ging ich nach Marburg und fand Vater Stilling wieder, der in Lautern mein Lehrer gewesen und dem ich nun verwandtschaftlich nahe stand. Der alte Bund war bald wieder hergestellt und inniger als je gepflegt. Täglich sahen wir uns. Be sonders theuer ist mir die Erinnerung an die Spaziergänge, welche wir jedabendlich Vornahmen. Da erschloß sich sein tiefes gläubiges Gemüth, da that er den reichen Schatz des Alten und Neuen aus seinem Geiste auf. und nie habe ich tiefer in seine vortreffliche Seele geschaut, als gerade auf diesen Spaziergängen. Wenige Men schen verstanden es wie er. die Menschen an sich zu fesseln und sie sich zu eigen zu machen. Eines Tages begleitete er mich gegen Abend auf meinem Heimgange gen Ockershausen, wo ich mit meiner Familie wohnte. Jung-Stillig war besonders heiter und guter Dinge.. Er erzählte von seiner Wanderschaft mancherlei höchst entsprechende und auch recht komische Auftritte; dann wurde er ernster. Cr kam auf Begebenheiten zu reden, wo sich die göttliche Vorsehung sichtbarlich und herrlich offen barte und seine Seele erging sich in tiefsinnigen Betrachtungen. Ich war ganz Ohr. Auf unserm Wege war es einsam. Nur dann und wann ging, höflich grüßend, ein Wanderer vorüber. Wir waren zu sehr in unser Gespräch vertieft, als daß wir mehr hätten beachten können, als den Gruß zu erwiedern. Plötzlich tritt uns ein Bettler entgegen, der um eine Gabe bittet. Es war ein Greis von kräftiger Gestalt, etwa 60 bis 66 Jahre alb.