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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.04.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-04-30
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940430022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894043002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894043002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-04
- Tag1894-04-30
- Monat1894-04
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Daß die prcustischc »tirchcuvorlage nu» doch Gesetz werden und daß die weitverbreitete Annahme, die Vorlage werde um des inneren Friedens willen und im Interesse der Reichs- Politik, weichem die Verschärfung des Gegensatzes zwischen Konservativen und Nalionaliiberalen widerstrebt, gleich den Entwürfen über die Landwirtbschastskammern und den Dortmund-Rhein Canal unerledigt bleiben, sich nicht bestätigen wird, haben wir bereits gestern an dieser Stelle hervor gehoben. Heule finden wir, daß selbst conservative Blätter von der Art des , Hamb. Corr." ihr Befremden über diese Wendung auSdrücken und mit der Befürchtung nickt zurückhaltcn, die preußische Regierung werde durch ihre Zustimmung zu der con- servaliv-klcrikalen Cooperation dem Reichskanzler einen üblen Dienst erweisen. Ob Graf Caprivi Liese Besorgniß tbcilt, wagen wir nicht zu entscheiden; wer mag sich wobt unterfangen, das Rätbscl seiner Combinationen zu lösen? Jedenfalls ist dieses Rätbsel undurchdringlickcr als je. „Die Erkcnntniß des Zusammenhanges verschiedenartiger politischer Actionen" — schreibt unser Berliner s^-Corrcspondcnt — „ist dem neuen CurS trotz mancher herben Lehre noch nicht auf gegangen, und so hat man obne jede äußere oder innere Nöthigung der evangelischen Mehrheit in Preußen mit Hilfe des CentrumS ein die Gewissen bedrückendes, ver- kaßlcS Gesetz ausgedrungen. Die üblen Folgen dieser Politik, bei der die Reckte nicht weiß, was die Linke — braucht, werden nicht auSbleiben. Der höknische Uebermutb, dem in der zweiten Lesung die tiefe Erregung der Gemäßigt liberalen begegnete, muß das Scinige dazu beitragen, eine silust zu erweitern, die nicht nur Parteien trennt, sondern schließlich auch der Reaicrung die Passage verlegt. Cs ist bezeichnend, daß derselbe Minister, der sich für die Kirckcnvorlage stark macht, dem Bordrängen des Polenthums die Wege ebnet und daß tieselbePartci.die Herrn Bosse vor wenigen Wochen eben wegen seiner Polcnpolilik hart ansaßte, in dem Gesetze über die LandwirthschaslSkammcrn das vitale deutsche Interesse prciszugeben sich entschlossen bat. Die innere Verwirrung ist im ersickftichcn Wachsen begriffen, die Herrenbausrede dcS Grasen Culcnburg, die in ihrer Zurückweisung des extrem konservativen Ansturms wcnigstcnü einer augenblicklichen Klärung zu dienen sckicn, ist jetzt, nachdem in Preußen der conservative Wille geschehen, völlig unverständlich geworden. TaS „viiloant eon^ulvs", das im Abgcordnctcnhause zum Thron gcrnsen wurde, war ein Rolhrus, den Millionen und abermals Millionen wiederholen." Die Regicrungsfrcnndlichkeit der deutschen Demokratie gebt sehr weit und schreckt nicht vor der Verleugnung der „hockgehcütcnen Grundsätze" zurück. Aber sie hat eine Grenze, und diese Markschcid läuft genau da, wo das Re ichs inte resse beginnt. Reucsicr Beweis dessen die Haltung der „frei sinnigen" Presse in der Tamoa-Fragr Die Regierung, daran ist nicht zu zweifeln, strebt einen AuSgang dieser Aii- gelcgenbcit an, wie er der Ehre und den Interessen Deutsch lands entspricht, und die freisinnigen Zeitungen wälzen dem Regiment, an dessen Erhaltung ihnen so viel gelegen ist, Blöcke in den Weg. Herr Richter findet insbesondere die Annexion Samoas durch das englische Neuseeland „ganz zweckmäßig", während er andererseits zu dem Schlüsse kommt, daß die Bereinigten Staaten die Annexion durch Deutschland „nicht zulasten werden und können". Deutschland also soll sowohl vor England, dem das streitige Gebiet ausgeliesert werden soll, als auch vor Amerika zurückweichen, dem nach der Auffassung des Herrn Richter deutscherseits nichts zu- geinutbet werken kann, was, von England gefordert, dem Staatsbewußtsein Amerikas nicht widerstreitet. Und diesen Stantpunct vertritt die führende unter den deutschen Colonial memmen, obwohl von den drei bethciligten Groß mächten Deutschland diejenige ist, welche allein wichtige wirthschastlicke Interessen aus Samoa zu wahren hat! Dw „Times" und mit ihr die englische Regierung werden mit Herrn Richter zufrieden sein, denn er beeilt sich, die Tonart der britischen Sachwalterin als „sehr ruhig" und die Sprache der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung", die mit leidenschafts loser Entschiedenheit die englischen -Aspirationen zurückweist, als „überaus chauvinistisch" zu censuriren. Daß die Colonial- gcgner die Mehrheit in Deutschland bilden, kann angesichts der Zusammensetzung deS Reichstages auch die „Freisinnige Zeitung" nicht behaupten, aber, so bemerkt sie, der Reichstag unterstützt zwar die Regierung in der Aufrecht erbaltung des gegenwärtigen ColonialbesitzeS, hat aber bisher keineswegs Neigung gezeigt, den Besitz auSzudehnen. DaS mag zutreffen, aber die Preisgabe de« deutsche« Pro tektorats über Samoa wäre eine Herabdrllckung der gegen wärtigen colonialen Machtstellung Deutschlands, und die lleberlassung der Schutzberrschast an Deutsckland allein würde die deutschen Sckutzgcbiete nicht um eine Quadratmeile ver größern. Um Uebrigcn zählt die Partei de« Herrn Richter im Reichstag 22 Mitglieder. In den Niederlanden ist die erwartete Folge der jüngsten Kammcrwablen cingetreten: das liberale Ministerium Tak bat seine Entlassung eingereicht. Die Regentin wird die Entlassung annehmen »lüsten, wenn sic nickt wiederum die Kammer auflösen will, eine Maßregel, die wohl kaum einen günstigeren Erfolg für das Ministerium Tak herbei» führen würde. Sein Rücktritt war die logiscke Folge de« WahlauSsalleS. DaS ossicielle Wahlresultat giebt den An hängern der Tak'schen Wahlreform 4 t Sitze, darunter 36 Libe rale, 3 Radikale und 5 Antirevolulionaire (d. h. prvtcstanEAe Conservative). Die Gegner deS Ministeriums baben cS auf 56 Sitze gebracht; diese gehöre» 26 gemäßigt Liberalen, 6 Conservativea. 2l Katholiken und 6 Antirevvlulionairen. Die Liberalen verfügen also zusammen über eine sehr beträckt- liche Mehrheit, und wenn sie einig wären, so könnten sie einem neu zu bildenden, bezw. dem zu reconstruircnden Cabinet wohl eine ausreichende Stütze bieten. Nachdem sie sich aber wegen der Tak'schen Wahlreformvorlage einmal gespalten und während des nun beendeten Wahlkampfes einander aus das Heftigste besebdct haben, ist kaum daran zu denken, daß sie so bald wieder zu einheitlicher Action sich zusammenschlicßen und über ein gemeinsames ministerielles Programm sich verständigen. Zudem dürsten auch die Klerikalen, mit deren Hilfe die Gemäßigt-Liberalen das Cabinet Tak und ihre früheren Bundesgenossen vom linken Flügel geworfen habe», wenig geneigt sein, sich bei Seite drängen und bei der Entscheidung der Frage, wem die Leitung der Slaatsgeschäfte Zufällen solle, als >>»a»tile »«'-gligenblv behandeln zu lassen. Bis jetzt weiß daher auch noch Niemand, wer die Erbschaft Tak'S übernehmen wird; eS werden wokl verschiedene Namen genannt, aber ebenso wenig wie die ösfentlichcMeinung einen einzelnenParlamentaricr als den Mann der Situation zu bezeichnen vermag, scheint die Königin Rcgcntin bis zur Stunde über das, was zu thun oder zu lassen ist, fick scklüssig gemacht zu baben: das Wabr schcinlicksle ist die Bildung eines llebergangsministcriiims okne prononeirte Parleifarbe, das mit der gemäßigt-liberal- klerikalcn Kammermebrbeil ein den Anschauungen derselben cnlsprcchendcS Wahlgesetz so bald als möglich zu Stande bringt, und dann sofort an die 'Wählerschaft appellirt, um dieser die Entsckcidung der Frage zu überlassen, welckc Partei in Zukunft das Slaatüsckiss lenken soll. Daß eine Regierung, die sich eine andere Aufgabe sctzle, als die Beschränkung der von Tak bewilligten wcitgebcnden Ausdehnung des Wahl rechts, bei der ersten grundsätzlicken Frage anderer 'Natur straucheln würde, bedarf im Hinblick auf die kunterbunte, aus gemäßigten Liberalen, Ullramontancn. Conservativen und Antirevolutionaircn zusammengesetzte Mebrbcit keiner weiteren Ausführung. Der Präsident der französischr» Republik bat dieser Tage die in Begleitung deS GcneralgouverncurS von Indo-Cbina, v. Lanessan, »ach Paris gclomiiicncn anamitischen Mandarinen, Nynycn -Trong -Hicp, Bang und Cheim, wovon der erstgenannte den Rang eine« dritte» Regenten cinnimmt, in feierlicher Audienz cmpsangcii. Der Zweck der Reise der Abgesandten nach Frankreich ist, wie verlautet, ein hochpolitischer. Es soll sich um nichts Geringeres bandeln, als um die Umgestaltung dcS Vertrages von 1884, woraus das Protectorat Frankreichs über Anam und Tonkin beruht. Die Vorschläge, welche die genannten Mandarinen mitgebracht haben, sollen dahin gehen, daß Anam alle seine Rechte aus Tonkin auszugebe» bereit sei, falls Frankreich auf die bisher geübte Controle über die politische Verwaltung Anams verzichtet. Sollte die französische Regierung diese Proposition zurückweisen, so würde Anam wenigstens die Rückkehr zu der früheren, minder strengen Form des Protectoratrechtes Frankreichs wünschen. ES hat noch nichts darüber verlautet, welche Stellung die französische Negierung zu diesen etwas sonder baren Vorschlägen Anams cinnimmt. Von Kennern der Ver hältnisse Indo-Chinas werden dieselben als unannehmbar be zeichnet, denn ihnen zustinimcn, hieße alle diskcrigcn Errungen schaften Frankreich« in Anam wieder prciSgeben. ES kann auch kein Zweifel darüber bestehen, daß di« anamitischen Abgesandten in ihre Heiinatb zurückkehrcn werden, ohne den Zweck ihrer Mission erreicht z» haben. — Der Colonien- M in ist er Boulanger hat die Organisation seines Ressorts beendet Rach derselben zerfällt das Colonien Ministcrium in vier Abteilungen: eine für die Handels- und VcnvaltungS- Angewgcnbeilen der Colonien. die zweite für das Rechnungö- und Straswesen, die dritte für die Verteidigung der Colonien und die vierte für die rein politischen und Pcrsonalfragcn. Boulanger bcbält sich die unumschränkte Entscheidung über die Colonial-Politik, welche Frankreich zu befolgen bat, vor, sowie auch die Entscheidung über die für den Dienst in den Colonien zu ernennenden Functionaire. Mit Bezug auf die Inspection der Colonien. die öfseiit lichcn Arbeiten, die Ausgaben und den Sanitätsdienst in denselben werden wesentliche Neuerungen eingeführt. Nur der milita irische Tbcil der neuen Organisation enthält keine Abänderung der früheren Bestimmungen, so daß das Colonien Ministerium in dieser Beziehung nach wie vor von dem Kriegs- und Marine Ministerium abhängig bleibt. Cs ist somit ccr Wunsch Jener, welche dafür plaidirt haben, daß das Colonicilaml in mililairiscker Beziehung eine größere Selbstständigkeit erhalten soll, nicht in Erfüllung gegangen. und der Coloiiicn-Ministcr wird sich, falls er Truppen zur Verteidigung der überseeischen Besitzungen Frankreichs be nötigt, jedesmal an den Kriegs- oder Marine-Minister wen den müssen. Der rnisiicke Justiz minist er Murawiew ist vom Zaren beauftragt worden, die ganze Organisation de« Gerichtswesens und der Proeeß-Ordnung deS ReickeS, welche in den >uüeb,n>- >>,:ncv Kaiser Alerander'S II. fußen, einer radicalcn Durchsicht und Aenderung zu unter werfen. Zu diesem Zwecke ist eine Commission unter Borsitz Miirawiew's aus Mitgliedern aller Ministerien und Departements, mit Zuziehung von bekannten russischen Juristen mit Gelehrten, eingesetzt worden, welcher diese große Ausgabe übertragen wurde. Der „RcgicrungSbote", der die Einsetzung der Commission anzcigt, sagt, die seit l'-'i t bestehende GerichtSorganisalioii und Proceßordnung im Reiche baden viele sckwache Seiten gezeigt, die dem russischen Leben nickt entsprechen. In Folge unzähliger Acnde- rungcn, welchen die Gesetzgebung Kaiser Alexander'» II. während der dreißig Iabre ihres Bestandes unterworfen worden ist, bade die Justiz ihren einheitlichen Charakter ein- gcdüßt mir sei ihrer Ausgabe nicht mehr gewachsen. Um diese Ucbelstäude zu beseitigen, bade die Regierung beschlossen, das ganze Iustizwcscii einer rakieale» Aenderung zu unter ziehen. Tie leilendcn Prineipien der neuen Iustizresorm sollen jene von G'.t sein; die Commission soll alles Gute auö der Gesetzgebung Alexanders II bcbalten und da« Unzweckmäßige entfernen oder den Anforderungen de« modernen Lebens anvassen. Mnrawiew verspricht gleich zeitig, die Arbeiten und das gesammelte Material der Com mission zu publicire». Dieses große Resormproject ist im Interesse der Einheit der Fnsiiz in Rußland thatsächlich von großer Bedeutung. Die in, Fa,ci,rucke gegenwärtig giltige Slrasproccß Ordnung und die Gerichts Organisation sind sehr reformbedürftig, indem in Folge einer Unzahl von Gesetzen, welche die verschiedenen Ministerien nach Bedarf geschaffen habe», eine große Verwirrung herrscht. Der Gang der Justiz ist daher sebr crsckwert; in jeder Provinz herrschen andere Gesetze und jedes Ressort bat seine eigenen Gesetz geber. Wen» (was zu erwarten siebt) der Iuslizminister den srecheitlickei, Prineipien auf den, Gebiete der Justiz von G6I lrcu bleibt, dann wird sein Name jenen der Iusliz- Resormaloren aus der Zeit Kaiser Alexander S 11. angereiht werden können. Deutsches Reich. 0. II. Berlin. 2!». April. Während cs vor einer Woche noch so auSsab, als würden am ersten Mai nur kleine Schaarcn von Klcinmcistcr» und HanSarbeilern feiern, hat sich heute am Vorabend des „Wcllseicnags" das Bild doch etwas geändert. Die Berliner Brauer und Hilssarbeiter halten an die Brauereien ein Gesuch um Freigabe des l. Mai gerichtet und cs habe» sich in der Thal 1 Brauereien, deren Firme» freilich zu den bekannteste» nickt gehören, ge sunde», die den Arbeiter» die weitestgehenden Zugeständnisse gemacht habe». Mehrere Fabriken in Berlin schließen den Tag ganz, und daß Ankündigungen der Art: „Die Arbeiter der Möbelfabrik von .... machen am I. Mai eine Kremser- Partie mit 'Musik »ach Schilkhorn" crmulhigcnd aus andere FeiertagSlustigc wirken, liegt aus der Hand. Die Möbcl- polierer, die Putzer (letztere arbeiten zumcift in Accord) Feuilletsn. Im feindlichen Leben. gs Roman von I. Schwabe. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) 4. Rose hatte indcß ihren Acrgcr über das allzu dreist ge äußerte Lob ihrer Schönheit bald überwunden und gab sich, beiter vorwärtssckrcitend, unbesangcn dem Zauber der schönen Natur hin. — Welche Wobllbat! Wie warm die Sonne! Wie weich und zugleich srisck die Lust! Wie die Wangen sich rötbeten bei dem rasckc» Schritt! Selbst Dora Hochheim'S blaffe« Gesicht »ahn: eine lebhaftere Farbe an. Ah. und diese blühenden Kastanien, weihe und rotbe, und dort der Strauck mit den reizenden, Rosen ähnlichen Blülben — wie besäet ist der damit! Und dieser Rase» so frisch und so grü» und dort der nabe Wald in seinem Früblingskleide und die Stille da draußen, die tiefe Stille — kein menschliches Wesen weit und breit, und von allen Tbürmen die Glockcn- kläiige! Weit draußen vor der Stadt liegt das Krankenhaus mitten im Grünen. Ein prächtiger Garten schließt es ein, ein Park fast, der dem Publicum in freigebiger Weise offen siebt. In seinen stillen Gängen liebt cs Rose zu wandeln des Sonntags morgens, oft ganz allein. Hier sucht sic den ewigen Schöpfer aller Dinge mit aller Andackt, deren ibr Herz fähig ist, hierher trägt sie all ihr Denken und Grübeln und Sinnen, von dem die Kinder nichts ahnen und das doch auch Rosc'S heiterem Wesen eigentlich so ganz fremd zu sein scheint, hierher sükrt sic auch die neue Freundin an deren" erstem freien SoiintagSmorgen. Unter einer mächtigen rothbliibcnden Kastanie stebt eine Bank — ein wenig abseits vom Wege: von beiden Seiten nicken die weißen Blütbentrauben der Faulbaumbüsche her über — wie mitten in einer blübenten Laube steht die kunstlose Bank Voll und warm liegt die Sonne auf dem Rasen, doch schützen die breiten tiesherabbängenden Aefte de« BaumeS vor ihrem allzu dreisten Vordringen, und so kann man hier im strahlenden Sonnenschein sitzen, ohne doch ge blendet zu werde». Hierher lenken die jungen Mädchen ihre Schritte. Welch' tiefer Frieden ringsum. Kein Menscheufuß knirscht a»f dem leichten Kies der Wege: nur leises WindeSgeflüster in Zweigen und Aesten, leises Vogelgezwitscher in Baum und Strauch und leiser noch und ganz von fern der fromme Ge sang der kleine» Gemeinde im naben HoSpital. Auch in Rose s Seele war tiesstcr Frieden; sie lauschte mit Entzücken den leisen Stimmen von fern und nah, sie schaute mit Wonne in die Blütbcnpracht ringsum, sie athmete tief und mit Behagen die warme reine Luft und begriff cs fast nicht, daß Fräulein Hochheim so stumm blieb, so i» sich gekehrt — sah sie nichts, gar nickts von all dem sriscken, lubclndcn Leben, das sich so reich entfaltete in der tiefen Stille ringsum? Oder machte der Schmerz so unempfindlich auch gegen GotlcS schöne Natur? — Rose war beinahe be leidigt, daß ihr stiller, sonniger Ruheplatz ihrer Gefährtin keinen Laut dcS Entzückens entlockte, und sie bemerkte es nickt einmal, wie diese aufmerksam prüfend und lächelnd Rose be obachtete, während sic beide so still, ihren Gedanken nackhängcnd, unter den Aesten der alten Kastanien saßen. Eine ganze Weile saßen sic so, still und stumm und von dem sonntäglichen Zauber ringsum gleichsam cingesponnen. Plötzlich beginnt Dora: „Was schreiben Sie denn alle Abende so eifrig? Rose wird dunkelroth, als habe man sie aus verbotenen Wegen ertappt. „Stört cS Sie", fragte sie etwas verlegen, „können Sie nicht schlascn deswegen?" „O, nicht dcskalb; Sie stellen ja immer sorglich ein Buch vor das winzige, vorsündsluthlichc Oellämpchcn und auch die Stearinkerze, zu welcher Sie sich zuweilen ausschwingen, ist nicht eben blendend. Es intercssirt mich nur — machen Sie auch Verse, wie die sentimentale Aline? Man traut es Ihnen gar nicht zu." „Zuweilen —", bekennt Rose, noch um einen Schatten dunkler erglühend — „ich kann es nicht lassen — leider! —" „Schreiben Sie doch lieber Romane — unsere Zeit ist gar nicht lyrisch angehaucht." „O, ich möchte es so gern — ich versuchte e» schon oft, aber ich habe so wenig Zeit! Und de« Abends bin ich meist so müde — cS geht nicht", klagt Rose. Und dann beginnt sie sckücktern zu erzählen von einer tiesen, inner» Sehnsucht nach einem andern, geistiger Arbeit gewidmeten Dasein, die um so deftiger immer wieder io ihr emporstrige, so oft sie sie auch für Monate überwunden zu haben glaube, sie sprickt von ihrem Sinnen und Grübeln, ihren Sorgen und Mühen, von schriftstellerischen Versuchen, von denen sie gehofft, daß sie sie retten würden au- Verhältnissen, die sic baffe. Cie klagt wie sie sich sagen muffe, daß sie wahrscheinlich gar kein Talent habe und wie am letzten Ende der Dürft nach Wissen nock über allen Ehrgeiz triumphire und wir sie gar so gern reich und unabhängig sein möchte, nur, um nach Herzenslust ihre Nase in weise und gelehrte Bücher zu stecken; sie spricht halblaut, säst mit flüsternder Stimme, als spräche sie ein schweres Bekenntniß aus, und doch in solch' warmem Tone ticsinnerster Ucberzcugung warum nur lackt Dora so sonderbar hart, so eigentbümlich grell aus? „Und im Wissen wollen Sic Ihr Glück suchen? Sic sind ein sonderbares Mädchen. Wenn Sic so gcschcid werden wolle», wird Sie lein Mensch heirathcn wollen!" „Ja", sagt Rose gelassen, und dock überrasckt von dieser Wendung, die ihr beinahe wie Hohn klingt, „muß man denn bciratken?" „Nickt immer, aber — lieben gewiß. Jedes echte Weib wird lieben und dann wissen, daß all ihre Weisheit Plunder ist gegenüber der großen WeiSkcit der Liebe! Haben Sic je geliebt?" Rose bekannte ibr fast scheu, daß sie e« sich nur einmal eingebildet und im klebrigen sich nur mit den trostlosesten Gedanken über ihre geistige Vernacklässigung gequält habe. „lind Sic wollen Romane schreiben?" ries Dora auf geregt „Erst lernen Sie die Liebe, lernen Sic die Leidenschaft kennen! Und wen» cS Sie wie Feuer durckbranst und wie der Tod durckrüttelt bat, wenn jeder Gedanke Ihrer Seele nach ibin sckreit und jeder Schlag ibrcS Herzens ihm gehört, wenn Ihnen Notb und Tod, Hölle und Verderben, die Meinung der Well nnd Ibr eigene« Scelenbeil ganz gleich- giltig ist. dann werden Sie die Tborhcit ihrer Sehnsucht nach Wissen erkennen und nur da« Eine wissen, daß die Liebe das Schicksal des WcibeS ist!" Rose fühlte Stolz genug in sich, das zu bezweifeln, wagte cS aber nicht, ibrem Eifer gegenüber cS gleich auSzusprechcn, und sagte schließlick nur: „Und ist Ihnen die Liebe auch da- Glück?" „Glück?" fragte Jene zurück und ihre großen, dunklen Augen starrten in weite Fernen; nervös zerzupfte sie eine Blülhentraubc, die sie voin nächsten Strauch gerissen. „Liebe ist Himmel und Hölle, dicht nebeneinander! Lieben Sie", Sie küble«, blondes leidenschastloseS Menschenkind und aber ich erschrecke Sie mit meiner Heftigkeit. Hallen Sie sie mir, bitte, zu Gute — ich bin älter als Sie und bade Mancherlei erlebt — auch in der Liebe. — Wenn Sie mich länger kennen und ich es über mich vermag, von meinem innersten Leben zu sprechen, hole ich mir vielleickt einmal den Rath Ibrer klaren, kühlen Seele, die so lebendig aus Ihren klugen Augen spricht. — Inzwischen seien Sie mir ein wenig gut — ich kann eS brauchen." Und damit dielt sie Rose wie bittend ihre Hand hin, an deren seinem Gelenk rin goldenes Armband mit einem großen Medaillon blitzte, welckc« sie niemals ablegte, »nd ihre dunklen Augen sahen sie wie beschwörend an — da sagte Rose ihr, wie glücklich sic sein werde, eine Freundin zu haben, und wie sie treu zu ibr sieben wolle i» Noll, und Tod. Dora küßte das junge Mädchen lcidcuschastlich und be- bauplcte, ihr gleich aiigcscbcn zu habe», daß sie nickt zu den ganz gewöhnlichen Meiisckenkiiider» zähle; einige Aeußcrungen habe» ihr gezeigt, daß sie sich dciiiühc, ibrcu Mitmenschen gerecht zu werde» -- Rose aber lachte und meinte, das sei ein gar zu großes Lob, das sic keineswegs verdiene, und ihre Heftigkeit, ihr Zorn — v, sie habe heute srüh nur eine kleine Probe davon bekomme»! Nun lächelt Dora auch. „O, Ihren Zorn fürchte ich nicht, aber ich möchte Wohl wissen, ob Sie cs sich wirklich nur eingebildet haben, geliebt zu haben?" Und sic spricht von der beißen Liebe, die Rose dock, wie man ibr erzählt, so leicht in Männcrberzcn entzünde, spricht von Herrn Ferdinand Meyer, dem reiche» Banguier, der >a wobl ernstliche Absichten habe, von dem Cassircr, der sm ibrc blonde Schönheit schwärme, und von dem Ckcs ist'« möglick, daß von allen diesen cs keiner ihrem Herzen aiigclha»? Und da ist also gleich der Zorn wieder bervorgcrusc», von tci» Rose »och eben so lächelnd gesprochen. Jetzt aber läckclt sie nicht mehr. Wie ei» schöner Engel der Einpörmig stebt sic plötzlich vor der sickllick erschrockene» Dora, unk ohne sich um dies Clsckrcckc» zu tünimcrn, ohne zu bedenke», daß der stille Ort wokl wenig geeignet sei» dürste für eine zornige Predigt, braust sic leircnsckaulick aus und rusl lies albmciid, mit fast dröbliciiter Summe: „Wer bat nck erlaubt, Ib»c» i» dieser Weise von mir u sprechen?" Und noch ehe Fräulein Hochbeim antworten ann, säbrt sie, kaum ibrc Stimme dämpsend. fort: „Dieser Ferdinand Mencr, dieses wohlgenährte, semmel blonde Nickis — ick werte mick dock nickt in seine Geldsäckc verlieben! Und dieser Cassiircr — ick babc ikn kaum beachtet! Aber sreilick, er ist ja ein Mann »nb die Mädckcn sind ja »icist so dankbar und glücklick, wenn so ein Mann sich nur den geringste» Anschein giebt, ikne» de» Hof machen zu wolle» — Gott soll mich davor bewahre», daß ich ibnen gleiche! Aber der Cbes — Tora! — der Cbes ist doch ver- bciratbet! Ist cS möglich, daß man sick in eine» verheiraibeten Mann verlieben kann? Unmöglich! So wcmg wie in seinen eignen Bruder — mir iindcnkbar! — Er nimmt cS vielleicht mit der Treue gegen seine Frau nicht allzu genau, ich weiß, daß ich ikm gefalle »nd eS ist immer etwas >» seinem Wesen, in seinen Augen, was mick vorsicklig und zurückballciid macht, was mick verletzt, ohne daß er niir nvck »nt einem Wort zu nahe getreten wäre, aber ibn lieben — ich eine» vcrlieirathcten Mann lieben — können Sie mir eine solche Schmach Zu trauen ?' (Fortsetzung folgt.)
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