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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 26.01.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-01-26
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070126017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907012601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907012601
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-01
- Tag1907-01-26
- Monat1907-01
- Jahr1907
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BezrraS-Preis für Leipzig und Vororte: Ju der Haupt- Expedition oder deren Ausgabestellen ab- gehoU monatlich: Au-gabe-1 (1 mal täglich) 70 Ps., «u«gabe v (2 mal täglich) 80 Pf., bei Zustellung in« Hau« AuSgadr -1 80 Pf., Ausgabe 8 l Mark. Durch unfrrr aus wärtigen Ausgabestellen ond durch die Post I«zogen ll mal täglichlinnerdatb Deullchtands monatlich I Mark, für Oesterreich-Ungar« 5 L 45 d vierteljährlich, di» übrigen Länder laut ZeitungSvreiSliste. Tief« Nummer kostet aut 4 St allen Bahnhöfen und bet III ?Ih I den ZeitungS-Brrkäusern ReSattton und ^xpedlttou: Iodannisgasje 8. Telephon Nr. 153, Nr. 222, Nr. 1173. Berliner Redattions-Bureau: Berlin XIV. 7, Prtn^ ttouiS Ferdinand- Straße 1. Telephon i Nr. 0275 Morgen-Ausgabe 8. MMtr Tageblatt Handelszeitnng. Amtsblatt des Nates «nd des Notizeiamtes der Ztadt Leipzig. Nr. 26 Sonnabend 26. Januar 1907. Anzeigen-PreiS di« Sgefpalteur PetUzeUe für Geschäfts inserate au« Leipzig und Umgebung 25 Pf., Familien^ Wohnung«» n. Stellen-Aozriaen, sowie An- und Verkäufe 20 Ps„ finanzielle Anzeigen 30 Ps„ ftir Inserate von auSwärt« 30 Ps. Reklamen 75 Pf„ auswärts l Piark. Beilage gebühr 4 Mark p. Taufend exkl. Postgebühr. GtfchäftSanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarr. Für Inserate vom Ausland» besonderer Tarik Anreigen-Annahme: AugustuSPtek 8» bet sämtlichen Filialen n. allen Annoncen- Expeditionen des In- und Auslandes. ür da- Ertchetnen an bestimmten Tagen u ilätzeu Wird keine Garantie übernommen Hanpt-Ftltale Berlin: EarlDuu«ker,Herzgl.Bayr.HofbuchhandIg.. Lützowitraße 10 Telephon Vl, Äir. 4603V Rlial-Ervedition:Dresden.Marien,:r 101. Jahrgang. Var Aicdligsle vom Lage. * Bei Ser gestrigen R cichötagSw a hl wurde in Leipzig-2t aüt der .Kandidat der bürgerliche» Par teien Jufttzrat Tr. Junck gewählt. (2. d. des. Art.) * Gestenr faud im Beisein des Kaisers die feierliche Einweihung der neuen Akademie der Künste am Pariser Platz in Berlin statt. (S. Dttchs. R.) * Rußland räumt die Mantschurei schon jetzt- 3 Monate vor dem Termin des Friedens von Ports, mouth. (S. AuSl.) * Das spanische Ministerium Maura ist gebildet. (S. Ausl.) * Die deutsche und die englische Botschaft haben Be schwerden gegen den Chef der Stambuler Polizei eingereicht. (S. AuSl.) . Der Sieg. Unser fester Glaube an den Sieg des deutschen Bürger tums in Leipzig über die internationale Sozialdemokratie hat uns nicht betrogen. Der Sieg ist unser — der Kandidat der nationalen rund liberalen Parteien, der Justizrat Dr. Johannes Junck, ist am gestrigen Tage mit großer Stimmenmehrheit znm Vertreter des Wahlkreises Leipzig-Stadt sür den Deutschen Reichstag gewählt worden. Der frohe Optimismus, der "uns nach der Aufstellung dieses parteipolitisch ums so nahe stehenden Kandidaten zuversichtlich schreiben ließ: „Der erste Schritt zum Siag" und der dann nach der erstem Wählcrvcrsammlung im Zentraltheatcr an dieser Stelle urteilte: „Auf dem Weg zum Siege", hat recht behalten. Leipzig hat am gestrigem Tage die Scharte vom 16. Juni 1903 ausgewetzt. Die rote Fahne ist niedergeholt. Stolz flattert wieder dos schwarz-weiß-rote Banner über unserer Vaterstadt. Der Kampf war hart. Nur eine kurze Spanne Zeit war für ihn gegeben. Mitten im Frieden überraschte uns der Kampfruf. Noch meinten wir IsH Jahre Frist zu hoben, bis uns die Wahlpflicht wieder an die Urne rief. Der Uebernrut unserer politischen Gegner aber ließ vor der Zeit das Maß von Geduld überfließen, das man ibrer Herrschaft im Deutschen Reichstag entgegenbrachte. Er zwang uns zum Kamps. Wie er gestern im «roßen deutschen Vater lande und speziell in unserer sächsischen Heimat geendet lmt, das läßt sich zur Stunde, da diese Ausführungen zum Satze gehen, noch nicht übersehen. Leipzig-Stadt aber, der 12. sächsische Wahlkreis, hat jedenfalls die Hoffnungen er füllt, die man auf ihn setzte. Der Sozialdemokratie, die diesen Wahlkreis bei der letzten Wahl, in der Stichwahl er oberte, ist er schon in der Haupttvahl entrißen worden. Sie hat die Schlacht um den Besitz von Leipzig verloren. Der Kampf war heiß. Es ist mit Erbitterung gekämpft worden, von jener ersten tumultuösen Versammlung im Zentraltheater an bis zu den letzten Flugblättern, deren Fetzen noch gestern das Schlachtfeld bedeckten. Wir wollen die einzelnen Phasen des Kampfes auch in der stolzen Er innerung des Siegers nicht noch einmal durchleben. Sie ge hören der Vergangenheit an. Wir wollen uns auch den naheliegenden Spott schenken über die hochmütige Miene, mit der die „Volkszeitung" die Kandidatur Dr. Juncks noch zuletzt als einen .Karnevalscherz abzutun suchte. Sie wird samt der hinter ihr stehenden Leipziger Sozialdemokratie gut tun, etwas bescheidener zu werden. Denn der Sieg, den Dr. Junck errungen hat, ist größer als die kühnste Hoffnung annahm. Aber auch wir als Sieger haben keinen Anlaß, aus den Lorbeeren des gestrigen Tages aarszuruhen. Gerade als Sieger müssen wir für die Zukunft lernen. Es gilt den vaterländischen, den gut bürger lichen Sinn jetzt weiter zu pflegen, dem wir den Sieg ver danken. Die alte Schwäche der bürgerlichen Parteien und vor allem gerade der Vertreter des Liberalismus, nur in Wahlzeiten rege zu sein, hat ihnen schon manchen Waist- kr-ns gekostet, den sie sonst noch als sicheren Besitzstand hätten, wären sie auch in Friedenszeiten organisatorisch und agitatorisch tätig. Da können wir von der Sozialdemokratie lernen. Und das wollen wir aus diesem Wahlkampf mit nehmen als das, worin unsere Gegner uns ein Vorbild sein können. Ein neues Leben des nationalen Liberalismus muß von diesem Tage am in Leipzig erblühen, wo ein Mann aus seinen Reihen unsere Vaterstadt im Reichstag vertreten wird. Sehen wir uns das Bild des Schl'chtftldes vom gestrigen Tage an sdie Einzelheiten siehe L Beilage), so ergibt sich folgendes: Dr. Junck erhielt 24 044 Stimmen Lagerhalter Lange 14 366 Redakteur Erzberger 216 zersplittert waren 166 abgegeben wurden 38 790 stimmberechtigt waren 42938 Wähler. Dr. Junck hat demnach unt einer Mehrheit von 9249 Stimmen gesiegt. Am 16. Juni 1903 ergab sich folgendes Bild; Professor Haffe (nationalliberal) erhielt 14 725 Stimmen ReichsgerichtSrat Boethke „ 3 333 Zählkandidot des Zentrums ' - * 244 Zersplitter waren 26 Sozialdemokrat Motteier * " 16 422 Stimmen wurden abgegeben 34 476 Ungültig Ware» 105 Stimmberechtigt wav« 42208 Wähler. Rechnet man die Stimmen, die Hasse und Boethke er hielten, zusammen, so ergeben sich 18 058 Stimmen, denen dieses Mal 24 043 Stimmen gegenübcrstehen, die die bürgerlichen Parteien, ausschließlich des Zentrums, ausge bracht haben, also 5985 Stimmen mehr als im Jahre 1903. Die Sozialdemokratie aber, die damals 16 422 Stimmen aufbrachte und heute 14 414 Stimmen auf ihren .Kandidaten vereinigte, hat bei der gestrigen Wahl 2008 Stimmen verloren. Das Zentrum endlich ist von 244 Stimmen auf 214 Stimmen, also um 30 Stimmen gefallen. Das lehrt uns, daß wir den Gegner glänzend geschlagen haben, daß er aufs Haupt getroffen ist. Nun gilt cs, diesen Sieg auch zu erhalten. Unser Neichstagsabgeorbneter Justizrat Dr. Junck wird uns dies durch jein Verhalton im Reichstag erleichtern. Er wird die Verdächtigung der Gegner zuschanden machen, als würde er sich nicht als der wahrhaft volksfreundliche Mann bewähren, als der er sich in seinen Wahlreden gezeigt hat. Aber an uns ist es zugleich, ihm die treue, gut organisierre, zuverlässige Truppe zu erhalten, mit der er kommende Kämpfe — möge es auch erst in fünf Jahren sein — ebenso siegreich durchführt, wie den Wahlkampf, der jetzt für Leipzig- Stadt abgeschlossen hinter uns liegt. Hs Die genauen, nach Wahlbezirken geord neten Ziffern über die Ergebnisse in Leipzig- Land nnd Leipzig. Stadt befinden sich an der Spitze der zweiten Beilage. Mabltrriben. Nun haben die Urnen ihre Hunderte von Losen auSgescküttet und stehen wieder ruhig — vielleicht — aus fünf Jahre ür ihren Kammern. Junck — Lange; Hülßner—Geyer — ein Zettel nach dem andern wurde gestern in den Wahllokalen Leipzigs von den großen gelben Kästen verschlungen. Die Wähler waren mehr als je in Scharen gekommen, um ihre Staatsbürgerpflicht zu mn. Namentlich in den BiKwittagsstunocn waren die Wahllokale gefüllt. Die Männer der Ordnungs parteien halten sich nicht vergebens mahnen lasten. Und nicht vergebens hatten sie sich bitten lasten, doch noch vor 2 Uhr nachmittags ibre Stimmen abzugeben, damit die Arbeit der Stimmzetteiabzäblung so viel wie möglich er leichtert würde. Gegen mittag ward der Strom der Wähler etwas schwächer. Erst gegen die ersten Stunden des Nach mittags schwoll er wieder mächtig an. Da kamen die Mänuer der Arbeit aus den Fabriken und Werkstätten. Denn nicht eher hatte» die meisten von ihnen ab kommen löunen. Ein interessantes Treiben war in den Wahllokalen. Schule oder Restaurant — ganz gleich, beide hatte man dazu er sehen. Still war es aus den Korridoren der Schulen, wo sonst in den Freipausen Scharen von Kindern aus und nieder eilen. Denn heute hatten die Knaben und Mädchen frei. Und morgen zur Feier von Kaisers Geburtstag haben sie'S wieder. Und dann kommt ja gleich daraus der Geburtstag selbst, der auf den Sonntag fällt. Drei Tage Ferien! Glückliche Jugend! Sie laßt sich gern einen wichen Wahltag gefallen. Die Mützen- und Kleiderrechen waren leer. Kein Kinderlachen und -schreien. Nur die Schritte der Männer, die die weißen Zettelchen in der Hand trugen, ballten wider, jene Zettelchen, die trotz ihrer Unansehn lichkeit doch so große Bedeutung für Deutschlands Zukunft haben. Und daun ging der Wähler in das Klassenzimmer. Dort erhielt er von einem an der Tür siebenden Herrn ein gestempeltes Kuvert. Und nun ging's daneben in die Wahl zelle. Da vollzog sich der geheimnisvolle Akt. Das Zettelchen wanderte ins Kuvert. Der Wähler trat aus der Zelle vor die Urne. Er , nannte Namen, Stand und Wohnort. Ein blaues Kreuz in der Liste vor seinen Namen, der Ausruf seiner Nummer, und dann nahm der dunkle Schoß der Urne das gewichtige Zettelchen in sich auf. Das war der ganze Wahlakt, der mit so großer Leidenschaft und Spannung erwartet worden war. In den Wahllokalen, die in den Restaurants waren, ging eö etwas lebhafter zu. Da machte gar mancher nach dem Wahlakt gleich einen Frühschoppen. Und nicht wenige soll es gegeben haben, die ihr Wahlerfer schon früh 9 Uhr ins Lokal getrieben hatte. Ja, einige sollen so sehr auf den Ausfall der Wahl gespannt gewesen sein, daß sie gleich bis zur Abzählung der Stimmen bei ihrem Zwenkauer ober Riebeck gewartet haben. So war es in den Wahllokalen. Still und ordnungs gemäß ging da alles zu. Und ebenso war «S vor den Wahllokalen. Der Schutzmann, der auf und ah ging, das Dutzend Gaffer, das in respektvoller Entfernung auf der anderen Seite stand, und die Männer mit de« roten Schildern „Wählt Lange", „Wählt Geyer" und die mit den weißen und blauen „Wählt Dr. Junck" oder den gelbe» „Wählt Hülßner" — alle« das verriet das Aeußere eine« solchen Wahllokale«. Und dann waren noch an den Eingängen große weiße Papptafeln angebracht, auf denen stand in großen schwarzen Lettern gedruckt: „Wähler, prüft die Zettel genau auf Dr. Johanne« Junck." Diese Mahnung war allerdings nötig, denn von sozialdemokratischer Seite ist tatsächlich der Versuch gemacht worden, falsche Stimmzettel unter die Junck-Wähler zu bringen, nämlich Zettel mit dem Namen Dr. Conrad Junck. Aber auf diese« plump« Wahlmaoöver wird Wohl kein einziger hiueiugefallen sein, denn wer die Stimme der warnenden bürgerlichen Presse überhort hatte, die groß« Plakat« «r den Säule» »ad Wänden haben ihn noch in letzter Minute an ein Prüfen der Zettel erinnert. Ein stiller, aber heißer Kampf ist am gestrigen Wahltag ausgesochten Worten. Durch die Straßen zogen Männer mit riesigen Plakaten, weißen und roten. Aus den weißen stand: „Heute Wahltag! Wählt Dr. Junck!" Auf deu roten: „Wählt Lange!" Der Kampf der weißen und der roten Plakate! Unwillkürlich mußte man an jenen großen Kampf der Weißen und der roten Rose denken, der einst in England die Gemüter so erregte. Das war ein lauter, blutiger Kampf. Die gestrige Wahl schlacht war still und unblutig, aber der Ernst, mit dem sie geführt wurde, war darum nicht geringer.... Um UbenO aer Aalst. Die Versammlung in der Alberthalle. Ju der Alberthalle, wo die „Nationalen ' rhr Lager auf- gcscylagen hatten, ging es fchon lauge vor der eigentlichen Eröffnung des Abends hoch her, und wer ein guter Prophet war, der mochte aus der Stimmung, in der nch die leider stark vou Tabakduft cingehullte groge Versammlung befand, auf ein verheißendes Resultat rechnen können. Den ersten Erfolg durste um 7 Uhr 45 Minuten Reichsgerichtsrat Dr. Sievers, der Vorsitzende des Wahlausschusses für die Wahl von Dr. Junck, aus dem 11. Bezirke verkünden. Das war ein gutes Omen, und es hielt bis auf drei Wahlbezirke, den 19., W. und 41., in denen der gegnerische Kandidat mehr Stimmen als der bürgerliche erzielte, zugunsten Dr. Juncks an, zum Teil mit überwältigender Wucht, daß man geradezu überrascht ioar. Es war eigentlich unnötig, daß bei den Resultaten aus den drei Bezirken, die sür den Sozialisten eine Mehrheit erbracht hatten, ein kräftiges „Pfui" gerufen wurde. Das war verschwendetes Pulver, denn aus allen übrigen Bezirken wurde Sieg über Sieg gemeldet, und schon um 9 Uhr stand es fest: L c i p z i g - S t a d t ist für die Bürgerlichen wiedergewonnen! Bald erschien auch der erkorene neue Vertreter unserer Stadt, Dr. Jo hannes Junck auf dem Podium, und wie aus einem Riunde tönte ihm das Trutzlicd der „Nationalen" als herzlicher Empfang entgegen: „Deutschland, Deutschland über alles." Doch noch galt es zu wartem wenn auch nicht mehr bangen Herzens, bis das letzte Äahlresultat herein war. Schon vor (410 Uhr konnte Dr. Sievers das vorläufige, aber sür den Erfolg entscheidende, Resultat verkünden: Dr. oharn : s Junck ist mit 24 (.»46 Simmcn gewählt gegen 14 352 Stimmen, die der Gegenkandidat Lange aus sich vereinigen konnte. Wie dieies Ergebnis ausgenommen wurde, ist kaum zu beschreiben. Als fei ein Alb von uns genommen, so löste sich unendlicher Jubel aus den Kehlen, und alles, was in der Nähe des Po diums war, drängte Heron, um Dr. Junck zu beglück wünschen. Es bedurfte langer Zeit, bis sich der Sturm der freudigen Erregung gelegt hatte. Tann konnte Dr. Sievers ein kurzes Wort an die Versammlung richten und die Hoffnung aussprechen, daß das Leipziger Resultat auch glückverheißend für andere Wahlkreise fein möge. Aber auch des Dankes vergaß er nicht für die Männer, die in den letzten Wochen und besonders am letzten Tage treue Arbeit für den Wahl ausschuß geleistet, nicht zum geringsten die akademische Ju gend, die sich glänzend bewährt habe. Das Hoch von Dr. Lieoers galt dem neuen Abgeordneten für Leipzig-Stadt Dr. Junck. Die Versammlung, bis aufs höchste gespannt, stimmte in das Hoch begeistert ein und hörte dann auf Dr. Junck, der etwa folgendes sprach: Wenn ich letzt das Wort ergreife, so geschieht cs nur mit Ausbietung all meiner Selbstbeherrschung. Tue An strengung der letzten Tage war denn doch etwas groß. Ich gestehe offen, daß es mir schwer geworden ist, hierher zu kommen, aber man hat mir gesagt, das gehöre einmal zu einer Reichstagskandidatur. So bin ich denn zu Ihnen gekommen, aber nur, um Sie zu bitten, von meiner Per son, nachdem Sic mich nun so freundlich empfangen haben, abzusehen. Ich habe nur meine Bürgerpflicht erfüllt und ich bitte Sie, sich nur zu halten an den herrlichen Erfolg, wie ihn niemand von uns auch in seinen günstigsten Er wartungen erhofft hat. Aus eins bin ich stolz bei dieser Wahl: Auf unsere Stadt Leipzig! Sic hat uns gezeigt, daß der Leipziger seine eigenen Gedanken hat, und sie hat ferner gezeigt, das; wir mit unserem Leipzig nicht zu den Städten gehören, von denen 13 auf ein Dutzend gehen. Möchte doch der Erfolg, den wir in Leipzig er rungen haben, weit hinaustönen und weit hinausleuchten in unser deutsches Vater land. Wir haben heute bewiesen, daß die Bürgerschaft, wenn sie zusammenhält und das Trennende beiseite läßt, nicht machtlos ist gegen den gemeinsamen Feind, und daß wir etwas erreichen können auch auf dem Boden des so viel ge schmähten allgemeinen Wahlrechts. Das ist der Erfolg, den wir erreicht haben, und mit diesem Erfolg hat sich Leipzig an die Spitze der deutschen Städte gestellt. Ein Hoch deshalb unserer guten Stadt Leipzig! Die Begeisterung im Saale, die durch diese Worte noch mehr angesacht wurde, setzte sich, da die Versammlung nun verhältnismäßig schnell auseinander ging, auf der Straße fort. Au allen Straßenecken, so kann man getrost sagen, wurde der Ausfall der Wahl besprochen, wurden die Extra- blätter eifrig gelesen. Im Ratskeller war der Andrang des Publikums zu der Zeit, da das Wahlresultat erwartet werden konnte, so stark, daß viele keinen Einlaß mehr be kamen. Nnd diese Vielen taten sich vor dem Ratskeller auf der Straße zusammen und stimmten nach dem Bekannt werden des Wahlresultats wie aus einem Mund« in das Lied ein: ..Deutschland, Deutschland über alles " Für Dr. Junck wurde übrigens noch «ine be sondere Ehrung veranstaltet. In der Funkenburg straße, in der er wohnt, batten nationale Manner und Frauen die Fenster illuminiert, um den neuen Vertreter von Leipzig zu begrüßen. Schloß Nitterftein. Gegen 8 Uhr war das obere Lokal, in dem das Komitee den 13. Wahlkreis die Wahlergebnisse entgegennehmen wollte noch schwach besetzt. Allmählich füllte sich der Raum. Depeschenboten kommen und gehen. Sie bringen die Wahl resultate. Es entspinnen sich an verschiedenen Tischen er- regte Diskussionen über die Aussichten der beiden Kandi- dalen. Rach Bekanntgabe der ersten Ergebnisse von feiten der Vertrauensmänner werden von verschiedenen Seiten Stimm« laut wie „Stimmt nicht" — „gar nicht daran W denken" usw. Es ist den Leuten, von denen diese Ausspruch.' Herkommen, ganz unbegreiflich, daß sich die Stimmabgabe so zuungunsten Geyers verschoben haben soll. Und es war doch fo. Die weiter eingehenden Nachrichten erwiesen zur Ge- uüge, daß das nicht mehr die Wählermasse von ehedem ist. Der brausende Beifall, der den weiter verlesenen Ergebnissen zuteil wurde, steigerte sich immer mehr. In nächster Nabe sitzen einige „Gcycrsche", die sich resigniert mit den Tat lachen abfinden. Von dem Vorsitzenden Professor von Brause wurde der Vorschlag gemacht, eine ,Bereinigung üer Vaterlandsfreunde" zu gründen. Spontaner Beifall. Als der Kandidat des Wahlkreises, Architekt Hülßner, er schien, wurde er stürmisch begrüßt. Inzwischen läuft auch bas Resultat von Leipzig-Stadt ein. Junck gewählt! Ge wählt mit 9000 Stimmen Mehrheit! Man hatte viel er wartet, das jedoch nicht. Minutenlanger Jubel. Die ge hobene Stimmung herrschte dann weiter an. Hatte doch der bürgerliche Kandidat in der Hochburg der Sozialdemokratie, dem Leipziger Landkreise, fast an 20000 Stimmen ge wonnen! „Vorwärts weiter" war die Parole, mit der man sich in später Stunde trennte. Die Stimmung im Volkshaus. Schon lange vor dem Wahlschluß roaren sämtliche Räume des Volkshaufes dicht gefüllt, kein Platz war mehr zu haben und Loch umstanden noch Hunderte von Genossen ihre Hoch burg in der Zeitzer Straße, so daß der Fußgängerverkehr wiederholt ins Stocken geriet. An allen Tischen im Saale, auf den Galerien und m den übrigen Versammlungs räumen wurde bis zum Einlaufen der ersten Wahlresultatc lebhaft debattiert. Die Wahl, die Chancen für Lange, bil deten natürlich das Hauvtgefpräch des Ülbcnds. Hier schwelgte man schon im Vollbewußtsein des Sieges, dort wieder wurden bange Zweifel laut. Mittlerweile war es 8 Uhr geworden und noch waren keine Wahlresultatc Stelle. Die Ungeduld wuchs, die Spannung stieg aufs höchste. Da endlich — fünf Minuten vor )49 Uhr — liefen die ersten Meldungen ein. Ein Ausrufer verkündete sie so- fort in allen Sälen. Allgemeine Stille herrschte, doch nur wenige Sekunden. Dann kam die Enttäuschung, als dos erste Resultat bekannt wurde. Es stammte aus dem 54. städtischen Bezirk lAucnstraße - Gustav Adolf-Straße) und brachte, ebenso wie die nun folgenden, Schlag auf Schlag eintreffeicken Resultate, eine große Mehrheit für Dr. Junck. Das hatten sich die Herren Genossen, die doch nach ihrer Rührigkeit zu urteilen, den Sieg in Leipzig-Stadt fast in der Tasche zu haben glaubten, jedenfalls «,cht träu men lasten. Am allerwenigsten die -Obergenosten", von denen einer sich gemüßigt sah, ihren 'Freunden mit einer BeruhigLNgsaufprvche über die emte Enttäuschung hinweo- zuhelsen. Es wurde versichert, daß das Wahlergebnis sehr betrübend sei, daß man es sich aber als Ansporn dienen lasten werde für spätere Zeiten. Auch wurde angekündigt, daß von jetzt an eine noch größere Agitation entfaltet und noch viel mehr Versammlungen abgehalten werden sollten. Erst ganz allmählich, als an einem Sieg Juncks nicht mehr zu zweifeln war, fügte man sich in das unvermeidliche, doch noch lange wogte eine große Menschenmenge durch die Räume des Volkshaufes und durch die nahen Straßeszüge. Die Enttäuschung war aber allgemein, von allen Gesichtern war sie zu lesen. Und der weitere Verlauf des Abends brachte noch so manchen Kummer, so daß die meisten in sehr gedrückter Stimmung sich schließlich heimwärts wandten. Vie Madien in Zach-en. Die Wahlergebnisse aus dem Königreich Sachsen liegen uns jetzt abgeschlossen vor. Von den 23 Wahlkreisen sind nur noch 8 rm festen Besitz der Sozialdemokratie geblichen. In 8 Kreisen stehen die Genoffen in Stichwcchl mit natio nalen Kandidaten. Und in allen 8 Kreisen ist ihr Besitz stand aufs Aeußerste gefährdet. Von den nationalen Par- teien im ersten Ansturm erobert, bzw. behauptet sind die 7 Kreise: Löbau, Bautzen. Pirna, zzreiberg, Leipzig-Stadt, Zschopau und Kirchberg. Von diesen waren bisher nur die Kreise Zschopau und Bautzen im bürgerlichen Besitz. Stichwahlen finden start in: Zittau, Dresden-Altstadt, Meißen, Döbeln, Oschatz, Borna, Änna- berg und Plauen. Besonderes Interesse erwecken davon die Kandidaturen Dr. Stresemann in Annaberg, Günther in Plauen und Landgerichtsdirektor Heinze in Dresden-Alt stadt. Dr. Zöphel unterlag, immerhin mit ansehnlicher Mi norität, in Mittweida. Es ist ein wahrhaft erhebendes Gefühl, endlich den Titel des roten Königreiches abgeschüttelt zu Haden. Und beson ders erfreulich ist es, daß dies Resultat bei der ersten Wobt unter der Regierung König Friedrich Augusts erzielt wurde. Für Sachsen ist eine neue politische Epoche angebrochen. Vie ktgebnirre. Königreich Sachsen. Könige. Sachsen 1. Zittmr (bisher: Fischer, Soz.). Kaufmann Buddeberg (Freis. Vp.) erhielt 10842, Rittergutsbesitzer Frohberg «Bund d. Landw.) 2198, Erzberger (Zentr.) 837, Schriftsteller Fischer (Soz.) 10 532 Stimmen. Es ist also Stichwahl zwischen Budde- berg und Fischer erforderlich. Königr. Sachsen 2. Bernstadt, Löbau (bisher: Sinder- monn, Soz.). Der gewählte Bankdirektor Weber erhielt 13437 Stimmen gegen den Buchhalter Sindermann, der 10 656 Stimmen erkielt. Königr. Sachsen 3. Bautzen lbisher: Gräfe, D. Refp.). Gräfe lReformp.) mit 16 826 Stimmen wiederge- Ivähll gegen Lagerhalter Höppner (Soz.), der 7190 Stimmen erhielt. Königr. Sachfen 4. Drcöden-NcuftLdt (bisher: Kaden, Soz.). Es erhielten Generalmajor Schm altz (Kons.) 1765, Glafcvmeisder Westlich (Resormp.) 8687, Oberlehrer Barg« (Natl.) 5367, Kaden (Soz.) 22100 Stimmen. .Kade« ist somit gewählt. Königr. Sachsen 5. DreSdeu-Altstedt (biSber: Gras- uauer, Soz.j. Dr Heinze (ntlb.) 18104, Gradnauer (Soz) 18371, Un- rasch (konf.) 5000, Erzberger (Ztr.) 600 «stimmen Dr. Heinze kommt in Stichwahl mit Gradnauer. Königr. Sachsen 6. DreSdcn-Land (bisher: Horn, So,.! Horn (Sozi wiedergewählt gegen Bassengc (Narl).
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