Adorker Wochenblatt. M i t t h e i l u n g e n über örtliche uno vaterländische Angelegenheiten. E l f t e r I a h r g a n g. , Preis für dm Jahrgang bei Bestellung von der Post: 1 Thaler, bei Bestellung des Blatteß durch Botmgelcgenheirr . 20 Ncugroscheu. 12. „Mär; 1846 Erfahrungen eines Stellvertreters in der II. Kammer, von W. Becker. Das Sprechen in der Kammer. (Fortsetzung.) Ein Uebel, dessen Unvermeidlichkeit ich zwar zuge- stehen muß, das aber nichts desto weniger immer ein Uebel bleibt, kann ich hier nicht ganz mit Stillschwei gen übergehen. Es ist das um's Wort Bitten.—> Wer die Sache weniger kennt, glaubt es nicht. Den noch ist es schwer, in der Kammer zum Wert zu kommen, sowohl überhaupt, als namentlich: jim rech ten Augenblick. Allerdings gehört nicht weniger noch mehr dazu, als aufzusichen und sich anzumcldcn. Dann kommt man seiner Zeit schon d'ran. Aber da mit wird nur dem Sprecher in den meisten Fällen wenig gedient sein. Manchmal, ja vielleicht oft wird er sogar nicht zum Sprechen kommen, trotz seiner zei tigen Meldung, z. B. wenn die Debatte auf Antrag für geschlossen erklärt, oder vom Präsidenten durch eine Erklärung abgcschnilten wird, oder auf irgend eine andere Art. Wie aber im gemeinen Leben eben so viel auf die Frage, wenn? als auf die Fragen, wo und wie? ankommt, so namentlich in der Kammer. Sobald der Deputationsoericht vom Referenten gcle- ss-n ist, melden sich fünf, sechs, zehn Mitglieder zum Sprechen, d. h. sie stehen auf und sagen: ich bitte um'S Wort, oder stehen blos auf, oder machen sonst bemerklich, daß sie sprechen wollen. Nun zeichnet das Präsidium und namenuich der Seeretair kic Angemcl-. deken auf und sie kommen an die Reibe, wie sie sich gemeldet haben. Die ersten, -. h. diejenigen, die sich am Meisten beeilt haben, um das Wort zu bitten, haben gewöhnlich einen Antrag in Pelto, oder sie greifen eine besonders schwache Seite des Berichtes an, oder bringen sonst etwas Namhaftes oder B<-; deutendes. L!ft wäre cS nun gut',- wem» diese These, erst verfolgt würde, ehe eine andere daran kommt. Das geschieht aber nicht. Denn, obschon sich nun sofort diejenigen melden, die über den Satz des ersten Redners sprechen wollen, so kommen sie doch nicht gleich daran, sondern müssen warten, bis der letzte der sämmtlichcn vorher angemeldeten Sprecher aufgc- hörl hat. Nun spricht aber der zweite Sprecher, der sich bereits angcmeldet hatte, eh« der erste Sprecher sprach, nicht gegen oder über den ersten, sondern er bringt eine neue Idee, vielleicht gar einen Antrag, der unterstützt und folglich auch besprochen wird. Jetzt mengt sich auch die Regierung hinein, denn sie bat sich über den Antrag zunächst auszusprecken, und nun ist die molvs eorrupla fertig. Denn jetzt, nach dem und U gesprochen, kommt (l und bringt Netzes, es kommt 0 und bringt Neues. L spricht über b' über v, 6 über II über v, I über II, K über 8 und bringt wieder Neues, und so verwirrt sich das Ganze dergestalt, daß eigentlich Niemand an der rechten Stelle, d. h. Niemand dann sprichs, wo nach dem natürlichen Gang eines Gespräches seine Atuße- rung oder Entgegnung erwartet wird, wo sie hinge hört, und sich ain Besten ausnimmt. Dieser Umstand ist mit eine Ursache und allerdings eine- von der Kammer ganz unverschuldete Ursache des Bielredens. Denn wer unter solchen Zuständen spricht, muß sei nen Hauptsatz einschmiegen in die Stelle, wo er zum Ausdruck oder Bortrag kommt. Jeder Sprecher muß also seine Rede an das Borige ankjiüpsen und nach ausgesprochener Meinung das widerlegen, was seines Erklärung bisher entgegengesetzt wurde. Dabei kann es denn nicht fehlen, daß die Ein- und Uebergänge viel Worte cvnsumiren, daß die eine oder andere Jdcp wiederholt angeregt, daß, wenn es gut geht, minde stens der eine sich auf de» andern beruft. Dazu nun die umständlichen Erklärungen der Regierung unp groß und breit senkt sich die Langweiligkeit mit eher.