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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.09.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-09-15
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930915021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893091502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893091502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-09
- Tag1893-09-15
- Monat1893-09
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Bennigsen hat da mals die Deulschfreisinnigen ermahnt, der zumeist ihrem handelspolitischen Slandpunct entspringenden Befehdung de- gemäßigten Liberalismus Einhalt zu thun, um dem liberalen Bürgerthum die ihm gebührende Vertretung in den Parlamenten zurückzugewinnen. Die erwähnte, aus der „freisinnigen Vereinigung" stammende — man kann au« dem Namen dieser neuen Gruppe kein Beiwort bilden — PreßauSlassung nimmt diesen Gedanken jetzt auf, was er freulich ist. Wenn sie aber bemerkt, die Antwort, welche der Appell des Herrn v. Bennigsen au- der Partei heraus gefunden', habe gezeigt, daß der gleiche Zug durch alle libe ralen Parteien ging, so entspricht daS nicht den Tbatsachen. ES antworteten die Herren Richter und Bambcrger. Sieht man von einigen liebenswürdigen Floskeln ab, so war daS Ver halten Richter'« abweisend, da- Bamberger'S nicht annebmend. Jene Anregung hat denn auch keinerlei politische Folgen gehabt, obschon die Umstände dazu angethan waren, solche zu zeitigen — insoweit daS Parlament an der Zurückziehung der Schulvorlage betheiligt war, kann nur von der national liberalen und der sreiconservativcn Partei die Rede sein. DaS Echo, da« nun — so spät! — aus dem Walde der „freisinnigen Vereinigung" schallt, soll nicht« desto weniger willkommen sein, wenn den schonen Worten ehrliche Absichten entsprechen. Dasür giebt es zur Zeit aber noch keine Anhaltepuncte. Tie von nnS erwähnte Auf forderung de« Organ« der „Bereinigung", in Baden vereint mit Ultramontanen, Socialbemokraten und der deutschen LolkSpartei den Nationalliberalismus zu bekämpfen, ist bis zur Stunde nicht einmal beschönigt, geschweige denn zurückgezogen worden, obwohl die gesammte gemäßiatlibrral- Presse des Reiche« ein Bündniß der preußischen National- liberalen mit den Parteigenossen der badischen Verbündeten deS UltramontaniSmuS für unmöglich erklärt hat. In der Thal ist die badische Position für den Liberalismus sowohl als für den nationalen Gedanken miudestenS rbens» wichtig, wie die preußische. Au- Baden — die Thatsache steht trotz aller Ablcugnungen fest — ist ein starker, wenn nicht der stärkste Anstoß zur Beseitigung der reactionairen preußischen Schul vorlage gekommen. Die in Betracht kommenden dortigen Factorcn würden zu ähnlichen Einwirkungen nicht mehr in der Lage sein, wenn sie selbst durch die Zusammen- seyung der Karlsruher Kammer gezwungen waren, dem reactionair - ullramontanen Standpunctr Zugeständnisse zu mache». Die gleiche Beengung würde die aus nationalem Gebiete voranleuchtende badische Politik fühlen, falls sie, um in Gesetzgebung und Verwaltung nicht das Schicksal Bayern« unter der ullramontanen Kammermcbrheit zu erfahren, einer demokratisch-klerikalen Majorität Rechnung tragen müßte. Es bleibt dabei: man kann nicht am Rhein und an der Memel für den Liberalismus fechten, wenn man ihn im Schwarzwalde bekämpft. Schärfer al« gegen die Nationalliberalen wendet sich die Betrachtung aus dem Rickerl'schen Lager an die — von der „Kreuzzeitung" wenigsten« ebenfalls zu den Liberalen gerechnete» — ehe maligen Freunde von der „freisinnigen Volkspartei". Nach dieser Richtung scheinen die Erwartungen der Secessionisten vom 6. Mai äußerst gering zu sein, und die bekannten Vor- Freitag den 15. September 1893. 87. Jahrgang. aänge in einer Berliner freisinnigen Verein-Versammlung, über die wir im gestrigen Abendblatte berichteten, recht fertigen diesen Pessimismus. ES war wohl schon vorher bekannt, daß in Berlin Herr Richter obenauf ist, aber eine so rücksichtslose Behandlung, wie sie die Mitglieder der „Bereinigung" in jener Versammlung erfuhren, hätte man so knapp vor den Wahlen doch nicht für möglich gehalten. Alles, wa« erreicht werden konnte, war die Erklärung deS Vorsitzenden, daß man „noch" keine Veranlassung habe, die Mitglieder der „Vereinigung" als nickt mehr zum Verein gehörig zu betrachten. Der Eliquenckaraktcr de« Berliner Deutschsrcisinns, sowie die Stellung Richter'S in demselben wurde in sehr komischer Weise durch einen Streit über den dogmatischen Charakter der Aussprüche der „Freisinnigen Zeitung " illustrirt. Die Bemerkung eines Herrn Mommse», daß viele ehrenwcrthe und strenge Anhänger der „frei sinnigen Volk-partei" von der Lectüre drö Rickter'schen Organs nicht- wissen wollten, entfesselte einen Sturm der Entrüstung. Man gab seiner Empörung Ausdruck un gefähr wie der „rappelköpfig" gewordene Rabbi in Heine'« Di-putation: Eilt nicht inehr der TauSveS-Jontof. Was soll gelten? ZeterI Zeter l Räche, Herr, die Missethat! Strafe, Herr, den Uebelthäterl Tenn der TauSveS-Jontof, Gott, Ta« bist du ... Nack dem mehrwöchigen Interregnum seit dem Tode des üsterrrichischcn ReichS-Kricg-ministers Bauer, während dessen Freiherr v. Merkt in Stellvertretung da« Amt eines Ministers versah, ist Feldzeugmeister Edler von Krieg Hamm er, der bisherige Corps-Commandant von Krakau, endgiltig für diesen wichtigen Posten auS- erseyen worden. Die Ernennung dieses verdienten Generals macht demnach dem längeren Bedenken, rin Ende, ob nicht der ungarische Lande-vertheidigung-minister FcjSrvLry nach Wien zu berufen sei. Sckon un mittelbar nach dem Tode Bauer « wurde darauf bingewieseu, daß FejSrvLry im Ganzen al- der geeignetste Candidar gelten könne, daß aber ei» wichtige«, eigentlich für die Bedeutung seiner Persönlichkeit sprechende- Moment gegen ihn wirke. E« ist nämlich unter den obwaltenden Verhältnissen sehr schwer, für FejörvLry einen Nachfolger von gleicher Beliebtheit in Ungarn zu finden. Diese Schwierigkeit wird da durch erhöht, weil angunchmen war. daß daS ungarische Ministerium den Wunich aussprechen werde, eS solle nach FejörvLry'S Austritt e,n Nichtmilitair und Parlamentarier mit der Leitung deS Honvöd-MinisleriuniS betraut werden. DaS ist die Ursache der lange währenden Krisis, welche jetzt durch die Ernennung v. Kricghammer'S abgeschlossen ist. Wie au« einer näheren Prüfung des Ergebnisses der jüngsten allgemeinen Wahlen hervorgeht, werden in der neuen franziffischen Kammer 120 Ra dicale mit mehr oder weniger ausgesprochen socialistischru Tendenzen Sitz und Stimme haben Dieser Umstand erregt bei hervorragenden Mitgliedern der republikanischen Parteien einige Besorgnisse, und rS wird die Frage aufgeworfen,welche Taktik gegen dirseansehiiliche Minorität von Nadicalen einzuhaltcn ist. Soll die opportunistische Majorität, welcke 310 Stimmen beträgt, sie in die Oppo sition drängen, oder empfiehlt e« sich, eine Verschmelzung der beiden Parteien berbeizufübren, indem die Gemäßigten da« Programm der Radikalen ganz oder thcilwcise aiinehmen? Manche Opportunisten sind der Ansicht, daß ein Widerstand gegen die Radikalen die eigene Partei zersprengen würde, und ratben taber zu Zugeständnissen an dieselben. Andere wieder wollen von einer derartigen Schwäche nichts wissen, den» eS hieße, fick als unfähig zur Regierung erweisen, wenn die Ge mäßigten bei einer so großen Majorität den umstürzlerischen Tendenzen derNadiealen nacbgeben wollten. Würde daS geschehen, so hätte der parlamentarische Führer der Radikalen, Gebiet, bald einen entscheidenden Einfluß in der Kammer und würde mit Hilfe seine- Gesinnungsgenossen Millerand, ohne Zweifel bei mancher Gelegenheit die Abstimmungen nach seinen Wünschen lenken. Tic allgemeine Ansicht geht dabin, daß die Regierung sich für daS Programm der Ge mäßigte» entscheide» und so die Coufcrvativcn nicht von vornherein zurückstoßcn wird, während sie die Forderungen der Socialisten durch volkSwirthschaflliche und demokralifche Reformen entwaffnen dürste. Nachdem in Rio Grande do Sul der aufständische hrasiltauffchr Admiral den RegierungStruppen in die Hände gefallen ist, ohne daß indeß dadurch der Aufstand in dieser Provinz beendet worden wäre, bat nun auch — und zwar in der Provinz Rio de Janeiro selber —» wie bereit« gemeldet, ein anderer gleichfalls viel genannter brasilianischer Admiral, Cu stodio de Mcllo, das Banner deS Aufruhrs entrollt, und zwar anscheinend mit mehr Glück und, wenn die fremden Kriegsschiffe sich nicht ins Mittel legen, auch mit der Aussicht auf cntgiltigen Erfolg. Angesicht» der Ereignisse, welche sich augenblicklich in und vor der Hauptstadt Brasiliens abspielen, ist wobl ein Rückblick auf die brasilianische sturm volle die brasilianische Geschichte der letzten 4 Iabrc am Platze. Am 14. November 1880 erlag da« brasilianische Ka isertkuni eineni an sich unbeteutenkenM ilitairp »tsck. Zwei Iabrc später, am 23. November 1801, ereilte den Präsidenten Fonseca trotz seiner Milltairdictatur ein ähnliches Schicksal, zu dein rin Aufstand im Südstaatc Rio Grande do Sul den Anlaß gegeben. Al« er sab, daß Heer und Marine sich von ikm abwandten, wollte Fonseca noch am 22. November die beiden Admirale Wandenkolk und Custodio de Mello ver haften lassen. Aber gerade diese haben der damaligen Re volution zum Siege und dem damaligen Vicepräsideuten General Peixoto zur Herrschaft verhelfen. Custodio de Mello, drr rechtzeitig von dem ihm drohenden Schicksal Kenutniß erhielt, begab sich zu den in der weiten Ba> von Rio de Janeiro ankernden Kriegsschiffen, wußte deren Officiere und Mannschaften ausznwiegeln und erzwang dann am 23 November durch die sicherlich nicht ernst gemeinte Drohung einer Be schießung der Hauptstadt die Abdankung Fonseca'». Was Präsi dent Peixoto beute ist, verdankt er der Marine und dem Admiral Custodio de Mello DaS Verhältnis; Peixoto'» zum Admiral Wandenkolk trübte sich schon dadurch ein wenig,daß letzterer gewillt schien, nehcn dem Senat-Präsidenten Prudente de MorgeS bei einer etwaigen Neuwahl als PräsidcutschaslSbewerber auszu- treten. Nach strenger Auslegung der Verfassung hätte nämlich Peixoto schon zum März 1802 Neuwahlen für die Präsident- schaff anberaumen müssen, wahrend er mit llnigehnng der betreffenden Bestimmungen gewillt scheint, mindesten« bi« zun» 15. November 1894 Präsident zu zbleiben. Zweimal ist eS inzwischen g e g e n d i e M i l i t a i r d i c t a t u r Peixoto'S, die im Grunde genommen bloS eine Fortsetzung der jenigen Fonseca« darstellt, zu Putschen gekommen. Custodio de Mello ist während der nun sckon beinahe zwei jährigen Herrschaft PeixotoS mehrfach auf längere Zeit Marineminister gewesen. Jetzt bat er der allgemeinen und wie 1891 durch einen Aufstand in Rio Grande do Sul zur Krisis gebrachten Unzufriedenheit nackgegeben und sich gegen Peixoto gewandt, und wer brasilianische Verhältnisse und die Eigenart der städtischen Bevölkerung kennt, wird verstehen, daß der Plan, durch ein angedrohtes Bombardement einen Aufstand in der Statt selbst und damit den Rücktritt Peixoto S hervorzurufen, ebne Einmischung fremder brasilia nischer Kriegsschiffe fast mit Gewißheit auf Ersolg rechnen kann. Da die vorhandenen Befestigungen nur die Einsabrt zur Bai schütze», kann Rio de Janeiro für eine innerhalb der Bai ankernde Flotte als offene Stadt gelten, die den Kanonen widerstandslos preisgegeben ist. Auch die Verläßlichkeit des HcrreS dürfte dem Präsidenten nickt über jeden Zweifel er haben sein, da sich in Rio Grande do Sul ganze Ab »Heilungen den Aufständischen angeschlossen baden. Tie einzige Sicherheit für die Hauptstadt und für Peixoto liegt, wie gesagt, in der Anwesenheit der fremden Kriegs schiffe und diese allein scheinen bisher ein wirksames Ver geben deS Admirals Mello verhindert zu haben. Trotzdem will man nur in Paris, wie der gefügige Draht berichtet, eine Meldung aus Rio de Janeiro besitzen, daß die Aus ländischen bei einem Landungsversuch bei Ni cther oy zurückgeschlagcn worden seien. Nictdcroy ist die auf der Rio de Janeiro gegenüber liegenden Seite der Bai befindliche eigentliche Hauptstadt der Provinz Rio de Janeiro und Sitz der Centralregicrung. Gegenüber den amtlichen Mitteilungen aus Rio de Janeiro, »ach welchen der telegraphische Verkehr aus allen Linien wieder eröffnet sei, erhält ein Pariser Handels haus folgende chiffrirtc Depesche. Der Angriff auf die Forts begann ani 13. September um 9 llkr; vorher wurden säniint- licke ausländische Schiffe au» der Fcuerlinie der brasilianischen Schiffe sortgeschickt. Ta» größte und stärkste Fort (Santa Cruz?) ist in den Besitz der Rebellen übergegangen. Am selben Tage um 11 llbr wurde das Bomba rdem enl auf die Stadt er öffnet. Zn derselben herrscht die allergrößte Ausregung. DaS Bombardement dauerte sechs Stunden, ohne indeß be sonderen Schaden anzurickten, wie wenigstcn» von brasilia- nischerRegicrungSseite endlich gemeldet wird, nach welcherOuelle die brasilianische Regierung auch Maßregeln getroffen haben soll, »in den Aufstand ans weitere» Kriegsschiffen zu verhindern Vier Regierungs-Kriegsschiffe segeln an geblich nach Pernambuco ab, wo die Ossicierc und die Bemannung wenigstens zum Theil gewechselt werken sollen. Aus BucnoS-AyreS wird gleichfalls vfficiö» gemeldet, daß General Peixoto die telegraphischen Verbindungen vollständig beherrsche und regierungsseitig Truppen nach Tucuman aeseudet wurden, um den Eiscnbahndienst sicher z» stellen. Der Wahrheit wäre vielleicht besser gedient, wenn General Peixoto die telegraphischen Verbindungen nach dem Auslände nickt so vollständig beherrschte. Ans Ncw- 9)ork wird sonst noch gemeldet: Ter amerikanische Kreuzer „Charleston" habe sich von Montevideo nach Rio de Janeiro begeben, um daselbst die Interessen der amerikauischen Staatsbürger zu schützen. Der Dampfer „Detroit" wird heute vom Fort Monroe zu gleichen Zwecken ebendahin abgehen. Ter Jahrestag der Thronbesteigung deS Sultans Abdul Hamid wurde in Kairo mit einem Pomp gefeiert, wie er bisher bei diesem Anlässe nicht üblich war. Bei dem Mahl, welches der Kbedive bei dieser Gelegenheit in seinem Palais zu RaS-el Ti» gab, waren alle hohen StaalS- würdenlräger, sowie auch der Obercommissar der Pforte, Gbazi Mnkhtar Pascha, zugegen und zu der Festlichkeit, die hierauf letzterer in seinem Palais folgen ließ, erschien der Viceköuig sciucrscits als Gast. Dicje Umstände verdienen besonders hervorgehoben zu werden, weil ihnen in gewissem Maße auch eine pol,tische Bedeutung zukommt. Daß der Vieckönig von Egypten einen Festtag seines SuzcraiuS in gebührender Weise begeht, ist selbstverständlich, allein Feirillrts«. Sein einziges Gut. 18s Roman von B. Torony. Nachdruck vkriulni (Fortsetzung.) Leise näherte sich die Greisin und sirich mit der großen hartgcarbeiteten Hand so sanft das lichtbraune Haar, als fürchte sic, einem Schmetterling den Blüthenstaub von den Flügeln zu wischen. Hildegard schlug die Augen auf. Sic schien verwirrt und beschämt, von rer stets thätigcn Groß mutter überrascht worden zu sein, doch diese sah eizenthümlich freundlich und innig auf sic nieder und sagte: „WaS erschrickst Tn denn vor mir? Ich bin gekommen, um Dich von dem beimlich nagenden Weh, das Du schon so lange mit Dir um- berträgst, zu befreien, damit auf Deinen Wangen die Rose» wieder zu blühen anfangen und diese lieben blauen Sterne nicht länger durch feuchte Schleier glanzen. Fröhlich will ich Dich wissen und Dein munteres Lachen soll wieder durch das HauS tönen. Sei guten Muthe«! Diesmal ist das Glück mit mir eingctreten." „DaS Glück? — Der Vater — man bat erfahren? Er ist gerechtfertigt? O, wenn das wäre . . ." „Nein, »ein! Diese Hoffnung wird sich, so Gott will, auch noch eines TazcS erfüllen, aber vorläufig ist un« solche Freut« nicht vergönnt", unterbrach die alte Frau, deren gutmüthigeS Gesicht sich verdüsterte. „Der das Feuer angelegt bat, mag längst über alle Berge sein, und wenn er sich nicht selcht verräth, so wird eS schwer halten, ihn zu ergreifen. Aber wie dem auch sei — Du brauchst nicht mehr darunter zu leide»; Dir winkt eine schöne Zukunft." Enttäuscht sank Hildegard wieder zurück. Ihre Lippen öffneten sich zu einem leisen Seuffer. „Ich glaubte, eine frohe Botschaft erwarten zu dürfen", sagte sie nach kurzem Schweigen. „Und Du hast Dick nicht geirrt. Weg von hier sollst Du und da« traurigc Rätbsel vergessen lernen." Mit großen, staunenden Augen sab da« Mädchen zu ihr ans, und nun erzählte die Großmutter, sich vor Eiser fast über- stürzend, WaS zwischen Rainer und Eaniory vergegangen war. Je länger sie sprach, desto rosiger erglüht, Hildegard, dest» reinere Freude strahlte au« ihrem Blick. Ein Schimmer der rüderen, köstlichen Iugendblüthr und entzückender Frische verbreitete sich über ihr Antlitz. „Wie schön ist eS doch, so geliebt zu werden!" klang eS leise, aber voll unbeschreiblicher Seligkeit von ihren Lippen. „Und jetzt fort mit allen trüben Gedanken! Blicke nickt mcbr zurück, sondern nur vorwärts Ein Bräukcken muß mit leuchtenden Augen „i die Zukunst seben. Und die Großmutter, ua — die bat auch wieder alle Hände voll zu tbun, denn ihr Herzenskind, da« so sein und zart wie ein Prinzcßchcn ist, muß auch wie ein solche« auSgestattct werde». Nun. der Leinenschrank ist voll; da fehlt es nicht an selbstgesponnenem Leinen, gut genug sür eine Fürstin. Man sollte gar nicht glauben, wa« da- alle, plumpe, braungestrichenc Möbel für einen Reichtbum enthält. Wie frisch gefallener Schnee schimmert c« Einem entgegen, wenn man die Thüren ausmackt. Ja. das war immer mein Stolz. Aus Seide, Spitzen, Ringen, Ärm- bändern und sonstigem KrimSkramS und Firlefanz Hab' ich niir nie etwas gemacht, aber wenn ich so ein Stück Leinwand neben da« andere legte — dieses so derb und fest wie ein Bret, jene» so sein wie Spinnweb — da hätte ich mit Niemand getauscht und konnte de« Schauen« nicht müde werden. Alle« gehört Dir «nd an jedem Faden hängen tausend Scgen»wii,sche Freilich leicht wird mir« nicht ankommcn. Dich scheiden zu seben — mir nicht und dem Vater auch nicht, aber unser Vögelchen soll nur lustig sortflattern." Sie bückte sich, wie um etwa« aufzuhcben, und fuhr bei dieser Gelegenheit schnell einmal mit der Hand über die feuchten Augen. Hildegard batte r« bemerkt und sagte traurig lächelnd: „Tu brauchst nicht zu weinen. Ich bleibe bei Euch." „WaS soll denn der Unsinn nun wieder bedeuten?" ries die alle Frau ärgerlich, mit dem Schürzenzipfel dir verrLtheriscken Tbränen zerdrückend. Du denkst wohl, wenn Du eimal weg bist, dann habe ich nicht« weiter zu thun, al« mich hierhin zu setzen und nach Dir zu jammern? Ja, da» könnte mir gerade einfallen, da weiß ich schon wa« klügere« mit meiner Zeit anzusangen, darüber laß Dir keine grauen Haar» wachsen, äo eine wrichmUtbigr Seele bin ich nicht." »Da« meine ick auch keine«wegS. aber ich bleibe doch da, weil ick nun und nimmermehr Harald'« Frau werde." „Nun hör' ausl Jede« Ding wird endlich mürbe und meine Geduld auch: e« fehlt nickt mehr viel, dann reißt sie gaw; und gar. Eben glaubte ich, Du wüßtest den Jubel kaum zu fassen, und jetzt . . „Jetzt ist e« immer neck so lickt »nb freundlich in mir, wie lange — lange nickt mehr. Al- balle ick in de» Himmel aescben. so wonnig und ankackl-voll ist mir zu Mutke. DaS Bewußtsein, Harald ist bereit, um meinetwillen Allem zu trotzen, beglückt mich bock; aber schlecht würde ich seine Liebe lohnen, könnte ich nickt den Mulb finden, zu entsagen." „Hildegard! Da« darfst Dn ibm nnd »ns nicht antbun! Wa« sind dar sür verkehrte Ansichten?" zürnte die Gräfin. „Laß nnr, Großmutter, ick weiß schon, wa« recht ist", er widerte da« Mädchen, welches jetzt wieder seltsam matt und blaß erschien. „Seine Wahl soll nickt unzarterweise besprochen, getadelt und bespöttelt werden. AIS ich das letzte Mal znr Kircke ging, da sab ick viel erstaunte Blicke ans mich gerichtet. Frau von Hohenfels faßte, an mir vorüberschrcitend, ihr Kleid »nd zog e« fest an sich, damit eS mich nicht streife. Gar viele bemerkten diese Bewegung, Manche lächelten schadenfroh, andere wandten sich bochmüthig ab oder flüsterten mit einander — und ich wußte, was sie sagten — ich wußte eS so deutlich, als ob ich jede Silbe gehört hätte. Da zog ich mich in eine dunkle Ecke zurück, hinter dem Pseilcr. Dort saß eine Bettlerin So elend sie auch war, beneidete ich sie dock, und trotz ihrer Niedrigkeit meinte ich noch »m eine Stufe tiefer zu siebe» als sie. Vergeben« versuchte ick zu beten, kein Strahl drr göttlichen Gnade siel in die trostlose Nach! meiner Seele. Tief neigte ich das Haupt und stützte die Stirn aus die gefalteten Hände, aber eS wollte nicht ruhig werden in mir, und vor meinen Auge» zuckte eS wie grelle, züngelnde Flammen. Leise schlick ich aus der Kirche und betrat sic seitdem nicht wieder, denn es war mir klar geworden, daß man über meinen Vater den Stab gebrochen hatte — »nd diese« wissend, sollte ich Harald die Hand reichen? Niemals!" „Aber Kind, er will Dich ja weit fcrtführcn von hier!" „WaS nützt eS? Die Erinnerung an die Vergangenheit würde doch mit uns ziehen. So lange der Name» den ich trage, nicht rein ist von jeder üblen Nachrede, werde ich Camory'S Gattin nicht. In dieser Hinsicht habe ich auch meinen Stolz!" „Der Dich »in Dein LebenSglück bringt." „Der mich vor der grausamen Demüthigung bewahrt, mir eine- Tage- sagen zn müssen, ich hätte eine edclmütbigc Auswallung de« Geliebten mißbraucht, um ihm Fesseln an- znlegen, dir er mm verwünsche. Sähe ich einen Schalten auf seiner Stirn, so würde ich bi« i„S Innerste erbeben und denken: er bereut! Die Furcht, er könne eine verletzende Aeußrrung über mich vernehmen, ließe mir niemal« Ruhe, und wollte er sich in die Einsamkeit mit mir zuriickzichen, so würde immerwährend eine Stimme in mir rufen: cs geschieht, weil er fick deiner schämt! Nein — so darf eS nicht kommen. u»o deshalb spare Dein Zureden. In dieser Stunde habe ick meinen Antbeil an irdischem Glück genossen. Was sie Süßes und Wonniges brachte, kann mir nicht genommen werden, und wenn mich zuweilen die Sehnsucht übcrmannt, wenn sich die bange Frage: warum gerade mir solches Leid? auf meine Lippe» drängt, dann will ich mich trösten mit dem Gedanken: ich war dock gesegnet vor vielen andern, denn ich bin wahr haft geliebt worden!" „lind wir, ich und der Vater, der schon so schwer geprüft ist. sollen es »nt ansehcn, wie alle Freude und Iugcndlust von Dir gebt?" „Nein, ick werde mir jetzt nicht mcbr so »ackgebcn, meine Traurigkeit bekämpfen und die Kraft finden, wieder reckt beiter zu sein", versicherte Hildegard, aber nur ein unsäglich web- müthigeS, mütcö Lackel» kam zum Vorschein. Sic selbst mußte eS empfinden, denn sich rasch abwendcnd, ging sic a» den kleinen, altmodischen Sccretair, begann eifrig zn schreibe» und bändigte sodann den Brief der Großmutter mit den Worten: „An Harald" ein. Tief betrübt verließ die alle Frau daS Zimmer nnd suckle ibren Sob» ans, fand ihn jedoch nicht »nd schritt in den Garten hinauö: dort kam er ihr entgegen. „Dn brauchst mir nickiS zn erzähle». Ich stand an rem geöffneten Fenster und habe Alles gehört", stieß Rainer raub und beiscr kcrvor. „Gicb den Brief her, ich will ihn be sorgen." „Du bist ibr dock nicht böse?" forschte die Mutter, denn eine unheimliche Wildheit sprach ans seinen Blicken. „Ihr nickt", erwiderte er, „aber der hossärligen Närrin vom Schlosse, die meinem Kinde de» giftigen Stachel ins Herz gedrückt hat Mückle sie es nur auch einmal erfahren, wie einem Menschen zu Mulde ist, der sür sein TheuersteS zittert! Aber sic haben ja alle keinen Funken von Gemülb- Wie die Heiden ihre steinernen Götzen, so beten sie ibren Stammbaum a», und wenn sic ^ür irgend etwa- aus der Welt Opfer zu bringen im Stande sind, so isr.eS für ihrenHockmulb. Da« ein fältige Lauernvolk kriecht um sie herum, duckt fick und kann die Herablassung »nd Leutseligkeit nicht genug preisen, wenn die gnädige Herrschaft die ehrfurchtsvollen Grüße mit einem vornehmen Kopfnicken erwidert, al- ob nicht jeder tüchtige Arbeiter de« Lohne« und der Achtung werth wäre. Zum Ekel kann e« einem werden, wenn man da« täglich mit ansehen muß!"
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