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Dresdner Journal : 11.12.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-12-11
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188412111
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18841211
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18841211
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1884
- Monat1884-12
- Tag1884-12-11
- Monat1884-12
- Jahr1884
- Titel
- Dresdner Journal : 11.12.1884
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WL8S. Donnerstag, den 11. December. IM : ^»tlrliok! . . . . I« ^Mrlioki 4 U»rk »0 kf. LiL»«U» Kumm sri»! 10 kk. L«—»L»Id äs, äsvttekso Nsioks» tritt?<»t- unä 8t»ap«I»a«!U»b dm»». I»»«r»to»pr»l»»z für 6 so k»um vluvl ?v6tt«il» »0 ?L 0vt«r „^io^veLoctt" 6i« 2silo bO ??. 8« 1»dsl>8o- uoä 2iNori»»»t» SO Lr«el»»1»»» z TA-lict» mit ^rnL»tun« äsr 8oa»- nvö k'sisrt»^» Xdsvä» Kr «iso kol^vväsn Drcs-nerImrnal. Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. 1884. Lslpitg: F>. Lsan6«tette^, 0owm»»>ooLr 6v» Ore»<insr ^oura»!«; L»»darU >»rU»-Vl«i V»««I v-«»l»u kr»vkfilN ». N.: Äaa»e^»t«n <4 l^vA/rr, IsrUs-Visa S»»kurx ?r»^ - I.«jp»>x kr»il>lkrt ». »-riüllcdso: 7^«/ LsrUu: /nr<i/i6^n6anz, Srsmss: F Lre«Im: L LtanA<m » Lureai« <F»nit rr»oilturt « »I ! ^a^Ae^solie ttuckÜLllälun^; Oorlili! tt. ^/«7/er; S»sllov»r! O. §c1nt««ksr,' ?»rt« «srlm - ?rLv>!kurl ». H >tnttz*rt: Daud« <4 Co.,' L«wdar^. ^Ici. Lte»»l«r. Nvr»n«xed»rr Növiei. krpkäitiov 6s» l>re»6vsr 6ourv»I», I)re«6«o, /«inssrxtrnx!»« k?n 80 Anküudignngen für die Weihnachtszeit finden im „Dresdner Ionrnat^^ die geeignetste Verbreitung. Hierbei versäumen wir nicht, darauf aufmerksam zu machen, daß aus Anlaß des Weihnachtsfestes Handel- »nd Gewerd- treibenden bei Ankündigungen mit mehrmaliger Wiederholung an^erordentliche Vergünstignnge» gewährt werden. rläuigl. Erpedition des Dresdner Journals. (Zwingerstraße Nr. 20, in der Nähe des neuen Postgebäudes.) NichLttmLLichtr LtM. uebersicht: Telegraphische Nackrickten. Zeitung-schau. Tage-geschickte. Deutscher Reichstag. (Sitzung vom 9. December.) DreSsner Nachrichten BermischleS. Statistik und VolkSwirthsckaft. Keuillrto». TagtSkalender. Inserate. Telegraphische Nachrichten. Buda-Pest, DienStag, S. Decembers, Abends. (Tel. d. Boh.) Nach 3 tägiger Scklußverhandlung wurde heute der Proceß gegen die hiesigeu Anar chisten zu Ende geführt. ES wurden verurtheilt: Der Redacteur Armin Prager wegen deS Ber- drechenS der Hehlerei uud mir Rückficht auf daS rechtskräftige Urtheil deS PreßgrrichteS zu 3^ Jahren Kerker, 600 Gulden Geldstrafe, 6 Jahrea Verlust der bürgerlichen Rechte und Ersatz der Proceßkoüen, Jonas ZuliuS Fried wegen Hehlerei zu 1 Jahr Kerker, Jacob Novotny wegen Borschubleistuog zu 8 Mo naten Gefängviß, Josef Maruska wegen Ber- gchrnS des DiebsstahleS zu 3 Monaten Gefängniß; Blau und Dravetz wurden freigesprocheu; gegen Schwarz wurde da» Verfahren eingestellt. Die Wittwe des Bankiers Eisert wurde mit ihrer» Ansprüchen auf den CivilrechtSwrg verwiesen; die in gerichtlicher Verwahrung befindlichen 24 Stuck Liesinger Bierbraueiriactien dagegen werden der Wittwe Eisert auSgefolgt. . Paris, DienStag, 9. Deccmber, AbrndS. (W. B.) In der Drputirtenkammer wurde heute dir Berathung der Senatswahlreformvorlage fortgesetzt. Der Berichterstatter L6ou Renault hob den ver söhnlichen Geist des Senats hervor und empfahl zum Schluffe die unveränderte Annahme des vom Senat zurückgekommenen Gesetzentwürfe». Nach einer länger» Rede deS Ministerpräsidenten Kerry, in welcher er den Gesetzentwurf Floquet'S be kämpfte und hierbei die Cadinet»frage stellte, wurde dieser Gegenentwurf mit 288 gegen 227 Stimmen abgelehnt und schließlich die Vorlage im Ganzen mit allen vom Senat beschlossenen Modifikationen mit 334 gegen 174 Stimmen an genommen. Dir Deputirtenkammer nahm sodann bei der Berathung dir 5 ersten Artikel, welche mit der in der Kammer erhaltenen Fassung übrreinstim- men, an und schritt hierauf zur Berathung deS 6. Artikel». Kloqurt entwickelte einen Gegen entwurf, welcher für die Wahl des Senat» daS allgemeine Stimmrecht zur Grundlage nimmt. Die Journale „Rational" und „Parit" mel- deu, der Grurral Britzre de l'JSle und der Ad «iral Courbet hätten den Befehl erhalten, biS auf weitere Ordre kein Gefecht zu liefern, son- deru in der Defensive zu bleiben. DreSdeu, 10. December. Zu den beklagenSwerthen Erscheinungen unserer Zeit gehört das immer mehr hervortretende Bestreben nach unerlaubter Selbsthilfe, und in verwerf licher Weise sehen wir da und dort den Einzelnen übergreifen in das Gebiet der öffentlichen Gewalt. Frankreich ist mit diesem traurigen Beispiele voran- gegangen. Zahllose Processe wurden in den letzten Jahren vor den französischen Gerichten verhandelt, wo verlassene Mädchen und Frauen sich mittelst des Re volvers oder der Vitriolölflasche an dem ungetreueu Liebhaber rächten. Alexander Dumas, der Jüngere, beschäftigt sich in einer längern Arbeit mit der Frage: wie ein Ehegatte sich seiner ungetreuen Frau gegen über zu verhalten habe, und faßt die Ergebnisse seines Nachdenkens schließlich in die Worte: „Tus la" zu sammen. Großes Aufsehen erregte neuerdings der Proceß von Frau Hugues, die von einem verworfenen Subsecte, dem Winkelagenten Morin, fortdauernd auf das Niederträchtigste verfolgt, verleumdet und gepeinigt, diesen in der Verzweiflung eines Tages im öffentlichen Gerichtssaale mit dem Revolver niederschoß. Auch in Deutschland ist neuerdings ein solcher Fall vor gekommen. In Schlesien rächte sich ein verlassenes Mädchen an seinem ungetreuen Liebhaber mit der Vitriolölflasche. Charakteristisch für den in weiten Kreijen verbreiteten Pessimismus erscheint die neulich im ungarischen Abgeordnelenhause vom Ministerpräsi denten v Tisza abgegebene Erklärung, daß jeder an ständige Mensch, welcher in den Blättern angegriffen wird, die Preßgerichte meidet, weil die Schwurgerichte selbst bei erwiesenen Ehrenbeleidigungen den Thäter für schuldlos erklären. Zum Glücke ist man bei uns noch nicht so sittlich gesunken, als daß derartige Fälle verwerflicher Selbst hilfe Vertheidiger oder Lobredner fänden. Es mag zugestanden werden, daß es Fälle giebt, in welchen das Gesetz dem beleidigten Rechtsgefühle keine Genug- thuung zu geben vermag, und diese Fälle werden voraussichtlich mit zunehmender Entwickelung unserS Culturlebens häufiger werden. „Wir wissen", schrei ben die „Hamburger Nachrichten-, „nur zu wohl, daß es mit dem Wesen und Zwecke eines Strafgesetz buches unvereinbar ist, ein erschöpfender Codex der öffentlichen Moral zu fein; aber zwischen einer solchen idealen Beschaffenheit der Strafgesetze und ihrer wirk lichen besteht unsers Erachtens em Abstand, welcher daS Wachsen der Neigung zur Selbsthilfe gerade unter den gesitteten Classen nicht zum Wenigsten erklärt. Wir wollen hier nicht ins Einzelne gehen, sondern nur constatiren, daß die Strafgesetzgebungen vieler Staaten, u. A. auch die deutsche, so manche Handlung unbedroht lassen, die nach dem Urtheile jedes auf dem Boden einer edlern und sittlichen, Weltanschauung Stehenden vollste Verdorbenheit und Niedertracht der Gesinnung bekundet, außerdem aber auch den strafrecht lichen Erfolg hat, Dritte in ihren heiligsten Interessen zu schädigen, ihnen Ehre und Lebensglück zu rauben. Aber der Strafrichter zuckt nur zu häufig derartigen Aus schreitungen, auch den sittlich empörendsten gegenüber bedauernd die Achsel und überläßt die Züchtigung des Nichtswürdigen der öffentlichen Meinung. Leider jedoch haben die Verdicte der letztern nicht die heil sam abschreckende Wirkung, welche sie haben sollten. Vieles wird überhaupt nickt oder nur in engeren Kreisen bekannt, um bald darauf vergessen zu werden. Der Ehrenmann steht dann sofort wieder völlig intact da, zumal wenn er eine wirthschastlich oder sonstwie an gesehene Stellung einnimmt. Unsere heutige Zeit mit ihrer brutalen Genußsucht, ihrer Gemüthsrohheit, ihrer Eigensucht und ihrer Rücksichtslosigkeit gegen die empfindsamsten Rechte und Gefühle Anderer begünstigt diese traurige Erscheinung nur zu sehr. Zum Glücke giebt es nun wohl gesellschaftliche Kresse, in denen man nach anderm Maßstabe, als nach der strafrechtlichen Schuldlosigkeit und dem gefüllten Geldbeutel verfährt; aber diefe treten zurück vor der Durchschnittsgesinnung deS großen Publicums, namentlich der großen Städte. Die empörendste Herzensrohheit, ja die größte Schurkerei stößt hier nur zu oft auf blasirte Gleich giltigkeit, wenn nicht auf Schlimmerer, fo lange eS sich nicht um eine strafrechtliche Verschuldung handelt. Hier ist zweifellos ein wunder Punkt uuferer focialen Zu stände berührt, der wichtiger ist, wie mancher andere, über den sich unsere Socialpolitiker den Kopf zer brechen: die Hebung der Sittlichkeit des Volles. Wie sieht es aber mit den Bemühungen in dieser Hinsicht aus? Schlimm genug. Wir treffe» alle An stalten zur Förderung des materiellen Wohles der Be völkerung, weil uns dies ebensolche Vortheile wieder verheißt. Wir sehen es dagegen auf der andern Seite z. B. als eine höchst bllligenswerthe Sache an, wenn sich tue tagsüber angestrengt m der Schreibstube oder Werkstatt arbeitenden Stadtbewohner, namentlich die Großstädter, Zerstreuungen hingeben, die auf den ersten Blick harmlos oder wenigstens unschädlich erscheinen, die indeß in Wahrheit die sittliche Zucht und den Sinn für das Edle, Gute und Erhabene in diesen Bevölkerungsschichten allmählich ganz vergiften müssen. Die freche Operette, das französische Sensationsstück, die cynisch-ordinäre Posse besitzen für breite Schichten des großstädtifchen Publicums eine stärkere Anziehungs kraft, als alle Darstellungen der höchsten, veredelnd- sten Kunst zujammengenommen; sie üben ihren entsitt lichenden, die Neigung jeder höhern und bessern Er holung abwendenden Einfluß auf das Volksgemüth in gänzlicher Ungestörtheit aus; denn wehe Dem, der über diese Volkserholungen seine Besorgniß nicht zu verhehlen vermag I Er wird als Helfershelfer des Rückschritts gebrandmarkt, der dem Volke nicht ein un- schädliches Vergnügen nach fchwerer Tagesarbeit gönnen mag. So find der sittlichen Verderbniß des Volkes in unserer Zeit Thür und Thor geöffnet. Während wir uns gerade jetzt alle Mühe geben, die materielle Lage der unteren Classen besser zu ge- stalten, überlassen wir die sittliche Wohlfahrt nicht nur dieser Classen, sondern eines großen Theiles der bürgerlichen Schichten den niedrigsten Trieben und der erbärmlichsten Ausbeutung derselben. Haben wir uns dann aber zu wundern, wenn einerseits uns dieser niedrige Stand der öffentlichen Moral in den einzelnen Individuen in immer eindringlicherer Weise und in immer zahlreicheren Fällen vor Augen tritt und andererseits die Reaction gegen die widerwärtigen Repräsentanten dieser Verdorbenheit in einzelnen besser Gearteten zu heftigen Ausbrüchen dann gelangt, wenn das Gesetz sich außer Stande erklärt, die Schmach zu sühnen, wie es nur zu oft bei strafrechtlich nicht faß barer frivoler Verdächtigung oder Verleumdung oder auch bei Betrügereien, die sich nicht gerade gegen das liebe Geld richten, geschieht? Deshalb, fo meinen wlr, follte man sich nicht damit begnügen, bedauernd darauf hinzuweifen, daß das Gesetz in gewissen Fällen, wo die öffentliche Moral auffällig ver letzt wurde, oder es wenigstens fein sollte, ohnmächtig zum Einschreiten sei; sondern man sollte versuchen, die Strafgesetze in bessern Einklang mit der öffentlichen Moral zu bringen. Namentlich sollten Handlungen, die aus niedriger, ehrloser und frivoler Gesinnung begangen sind, ohne Rücksicht darauf, ob der Verletzte materiell ersetzbaren Schaden erlitten hat, schärfer ge ahndet werden, als bisher. Darin gehen uns andere Gesetzgebungen auch mit gutem Beispiele voran, welche z. B. Ehradschneiderelen gewisser Art mit zum Theil ganz außerordentlich harten Strafen belegen, wenigstens nach deutschen Begriffen. Aehnliches gilt von den Strafthaten aus Brutalität und Gemüthsrohheit. Tie Fälle, »n denen ein wüster Messerheld Leben und Ge sundheit seines Nebenmenschen in ärgste Gefahr ge bracht hat und danil mit ein paar Monaten oder gar ein paar Wochen Gefängniß davonlommt, anstatt auf Jahre hinaus unfchädlich gemacht zu werden, sind nur zu häufig, während doch andererseits die Strafen für Eingriffe in den Besitz sicherlich nicht zu niedrig be messen sind. Oder muß auch im Strafrechte das Eigenthum bester gefchutzt und damit sicherer gestellt ein, als Leben, Gesundheit und Ehre? Tas ent- pricht zwar der heute herrschenden Weltauffassung mit >e» Dogma, daß Derjenige der Beste ist, welcher, ohne gerade mit dem Gesetze in Widerspruch zu ge- rathen, das meiste Geld verdient. Aber wer wollle leugnen, daß diefe Weltanschauung eine so niedrige ist, daß sie die Behauptung von dem hohen Cultnr- stande unserer Zeit in ein höchst schiefes Licht setzt? Rechnen wir, an der Erreichung eines idealer«, bessern Zustandes für die nächste Zukunft verzweifelnd, nm den realen Verhältnissen, fo müffen wir einer schär- sern strafrechtlichen Behandlung der Verletzer der öffentlichen Moral um so mehr das Wort reden, als es mit der sonstigen Beseitigung des tiefen Standes der Sittlichkeit im Volke die denkbar peinlichste Ver wandtniß hat. Auf was ist denn unsere Volks- erziehung, die hier allein in Betracht kommt, gerichtet? Sie verfolgt im besten Falle den Zweck, ein gesundes, erwerbstüchtiges, mit möglichst vielen praktisch vcr- werthbaren Kenntnissen ausgerüstetes Volk zu er ziehen. Die dem NützUchkeltsprmclp huldigende Wissen schaftlichkeit ist der Abgott unserer nur materiell denkenden Zeit. Jede nicht wsssenschastliche Regung der Seele des Menschen fällt, fobald sie sich iu die große Oeffentlichkeit wagt, der Verspottung als Sen timentalität und unpraktischer Idealismus anheim. „Wir sind ein nüchternes, nur mit Thaljachen rech- nendeS Volk!" so lautet der „stolze" Spruch so vieler sonst verständiger Zeitgenossen, die rndeß dabei schwer lich eine Ahnung davon haben, daß es mit der nüch ternen Verständigkeit allem nicht gethan ist, daß das Volk Nicht nur einen Magen und einen Kopf, sondern auch ein Gemüth und eine Seele hat, die sich Nicht mittelst der naturmifsenschastlichen Forsschntte oder der Aufschließung ueuer Handelswege am Leben und Ge deihen erhalten lassen, sondern die der Pflege entweder durch die Religion, oder durch die höchste, edelste Kunst bedürfen." Der Religion und der Kunst bedarf das Volk fo nöthig, wie des täglichen Brodes, um bei Kräften zu bleiben und das gesunde Gleichgewicht der Entwicke lung nicht zu verlieren. Das denkwürdige Mahnwort unsers greisen Kaisers nach dem Attentate im Jahre 1878: „Sorgen Sie, daß dem Volke die Religion nicht abhanden kommt!" entsprang sicher der nämlichen tiefen Bejorgniß und derselben Ueberzeugung, welcher hier Ausdruck verliehen wurde. Religion und Kunst sind nur zwei verschiedene Erscheinungen eines und desselben urmenschlichen Verlangens, das einzig und allein die göttliche Abkunft bezeugt. Geht uns die Religion und diefe Kunst verloren, dann ist der Tag des Zusammenbruches unserer gejammten sittlichen Weltordnung herbeigekommen. Lagesgcjchlchtc. Dresden, 10. December. Ihre Majestät die Königin bezieht Sich heute Abend in Begleitung der Hofdame Gräfin Einsiedel und des Oberhofmessters v. Lüttichau nach Leipzig. Feuilleton. Rrdigirt von Otto Banck. Freda. Novelle von E. Lameron. Au» dem Englischen von August Frenzel. (Fortsetzung.) „Sie wissen, Freda", fuhr er fori, „wie ich nichts unversucht gelassen habe, mein verlorenes Weibwieder- Hufinden. Ich grämte mich aufrichtig um sie und hatte jahrelang nur den Lebenszweck, sie ausfindig zu machen. Was schulde ich ihr noch? — Ich sah Sie, liebe Freda, und so sehr ich mir auch Mühe gab, Sie zu ver gessen und an die Kluft zu denken, die uns trennte, — gelang es mir doch nicht. Ich kann nicht ohne Sie leben, und da Sie fort waren, da Sie mir ganz uner reichbar erschienen, fühlte ich das umsomehr. Sollteich nun mein ganzes Leben, meine ganze Zukunft, mein ganzes Glück, der unnützen Bemühung opfern, eine Frau wieder zu finden, die mir nichts mehr war und welche, wenn sie lebt, sich niemals darum bemüht hat, zu mir zurückzukehren? — Ich sagte Ihnen schon, daß ich viel in Irland war; das hatte nur den Zweck, mir die Wege zu erschließen, mich auch gesetzlich von der Frau scheiden zu lassen, von der ich sactisch schon seit Jahren geschieden war, die mir als solche angehört hat, um frei zu werden. Ihretwegen Freda, nur darum. Was hätte mich sonst vermögen können, eine Fessel los zu werden, die ich so viele Jahre geduldig, ja ohne die Empfindung, daß sie es mir war, getragen hatte. Nun bin ich frei und diese meine Hand darf sich Ihnen bieten, ohne Schuld und ohne Zagen." Er schwieg und hielt mir seine Hand hin; jene starke, sonnengebräunte Hand, von der »ch einst gemeint hatte, daß ich sie wohl ergreifen und sesthalten möchte, wenn ich einmal in Noth sein würde. War ich nicht in der Roth, allein in der Welt und ein armes Mädchen? „Freda, haben Sie mir nichts zu sagen?" „O Mark," stammelte ich, „wenn Ihre Frau noch lebte." „So ist sie eS gesetzlich nicht mehr", erwiderte er. „Aber doch vor Gott." „Freda, welche Scrupel!" rief er, erregt aufstehend. „Wahrlich, das ist Thorheitl Wahrscheinlich — siche» ist sie todt —" Da öffnete sich die Thüre neben mir, und mit dem Schrei „sie lebt!" stürzt Ellinor, mit flatternden Haaren, im Vorwärtsschreiten durch die offene Thür, jählings zu Boden. Die Stimme hatte sie geweckt, nach der sie sich so ost gesehnt „Großer Gott", rief Mark entsetzt, „wer ist daS?" Ich sprang auf, — so lange ich lebe, glaube ich, werde ich nie den Schrecken dieses Augenblickes ver gessen. Fast mit Heftigkeit drängte Mark mich bei Seite und beugte sich über die leblose Ellinor. „Es ist Nelly; möge Gott mir vergeben, ich habe sie ge- tödtet." Auch ich glaubte, daß sie todt sei. Ihr Antlitz war fahl, ihre Augen waren starr und schreckhaft, ihr dunkler Haar hina gelöst um ihre bleichen Wangen und den dünnen, weißen Hals und ihre Hände hatte sie verzweifelt in einander gepreßt, wie Eine, die um Barmherzigkeit fleht. „Sie ist todt!" rief ich verzweifelt. „Um Himmels Willen, helfen Sie mir, sie auf heben!" Wir hoben Sie auf das Sofa. Als wir dies thaten, trat ein dünner, dunkler Blutstrom über ihre bleichen Lippen. Ich rief nach den Dienerinnen. Mark küßte Ellinor's abgemagerte blaffe Hand, die an ihrer Seite herabhing. „Sie sollen sie mcht berühren", sagte ich böse und stieß ihn zurück. „Sie haben sie hintergangen und verlassen; sie aber hat Sie ihr ganzes Leben lang geliebt. Ich erlaube Ihnen nicht, an sie heran zu treten!" Dann kamen Vickers und einige Andere und wir trugen sie — immer noch bewußtlos, ja, wie ich dachte, todt, — hinauf in ihr Zimmer, über die breite eichene Treppe und durch die niedrigen Gänge in ihr kleines Zimmer, welches Miß Barbara s gütige Hand zu einem frischen und hübschen Nestchen gestaltet hatte. Und wir legten sie auf ihr Bett, von welchem sie sich nie mehr erheben sollte. (Fortsetzung folgt.) Literatur. „Friedrich Christoph Schlosser's Weltge schichte für das deutsche Volk." Von Neuem durchgesehen und ergänzt von Oskar Jäger und Franz Wolff. Mit vielen Abbildungen und Karten. Verlag von Oswald Seehagen in Berlin. Nachdem in den drei früheren Ausgaben über 80 000 Exemplare dieses in seiner Art mustergiltigen und die Kenntmh und Weltauffassung der Nation wahrhaft fördernden Werkes verbreitet worden sind — ermuthlgendeS Zrug- niß davon gebend, daß zuweilen mit dem moralischen Verdienst der Ersolg gleichen Schritt hält — begrüßen wir die neu unternommene Ausgabe und ergänzende Bearbeitung dieser Universalgeschichte als ein hoch- erfreuliches Ereigniß. Die erste Ausgabe war unter Mitwirkung Schlosser's von G. L. Krieg! veranstaltet und wurde 1857 beendet. Die dritte Ausgabe ist von Jäger und Creizenach gearbeitet und für die vierte so eben beginnende ist un- Jäger's Thätlgkett verblieben, während an die Stelle des verstorbenen Creizenach ein jüngerer Gelehrter, Franz Wolff getreten ist. Es kam nicht nur darauf an, das Werk bis auf den heutigen Tag fortzuführen, sondern auch in Bezug auf die neuesten Specialgeschichtsforschungen zahlreiche Ergänzungen und Richtigstellungen einzutragen, wie sie den strengen Anforderungen an ein solches Unter nehmen gerecht werden. Man kann nicht daran zweifeln, daß die Theil- nähme des deutschen Publicums für das theure, nun wieder lebensfähig gemachte Vermächtniß eines edlen und mit großartiger Einfalt und Redlichkeit arbeiten den Manne» eine warme sehr allgemeine fein wird. Zugleich aber dürfte es dem geistigen Interesse und der Belehrung unserer jüngeren Generation nutz bringend sein, mit dem Lebensgang und dem Carakter Schlosser'» bekannt zu werden. Friedrich Christoph Schlosser wurde am l7. No vember 1776 zu Jever im Oldenburg ichen geboren, als Sohn eines dortigen Advocate«, das jüngste von 12 Kindern. DaS Schicksal versagte ihm die Gunst, in wohlgeordneten Verhältnissen, m friedlichem, ein trächtigem Familienkreise auszuwachjen; schon im sechsten Jahre seuies Lebens verlor er den Vater, der sein Ge-
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