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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.11.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-11-06
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031106022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903110602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903110602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-11
- Tag1903-11-06
- Monat1903-11
- Jahr1903
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Bezug--Preis t, d«r Hauptexpeditto» oder deren Ausgabe stelle« abgeholt: vierteljährlich S.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau» -.76. Durch di« Post bezogen sür Deutsch, laud ». Oesterreich vierteljährlich 4.60, sür di« übrigen Länder laut Zettung-preisliste. Ne-aktion und Erpedttio«: Johmmtsgaffe 8. Fernsprecher 163 und 222. Fitialevpeditisnrn: MfredHahn, Buchhandlg., UniversitSt-str.S, L. Lösche, Latharinenstr. 14, n. «SuigSpl. 7. Haupt-Filiale Dresden: . Marienstraße 34. Fernsprecher Amt 1 Nr. 171S. Haupt-Filiale Lerlin: T«l Duncker, Herzgl. Bayr. Hofbuchhandlg.» Lützowstraße 10. ' Fernsprecher Amt VI Nr. 4S0». Abend-Ausgabe. KiMMTUMM Anzeiger. Ämtsklatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Rolizeiaintes der Stadt Leipzig. Nnzeigen-PreiS die 6gespaltene Petttzeüe 2S H. Reklamen unter dem Redaktion-strich (4 gespalten) 76 H, vor den Familiennach» richten (6 gespalten) 60 H. 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Zur Vermehrung der AuSlandSfiotte. Daß eine neue, größere Flottenvorlage in Vor bereitung ist, wird uns heute von zuverlässiger Seite be stätigt. „Immer lauter und mahnender" — schreibt unser Gewährsmann — „werden die Stimmen aus Marinekreisen, die darauf Hinweisen, daß mit den beiden Doppelgeschwadern, also mit den 38 Linienschiffen, über die wir erst 1920 ver fügen würden, unsere ungemein wichtigen Aufgaben zur See unmöglich erfüllt werden können. Deutschland muß für den Fortbestand seines Seehandels die allergrößten Anstrengungen machen, denn er ist die hauptsächlichste Quelle seine- nationalen Wohlstandes. Sein Wert beträgt pro Jahr reichlich 7 Milliarden Mark. Es wird sich also der Bau eine- dritten Doppelgeschwaders nicht umgehen lassen. Dian braucht nur in Erwägung zu ziehen, daß unruhige Staaten, in denen wir sehr wichtige Handelsinteressen zu schützen haben — wir denken an Brasilien, Chile, Argen tinien — imposante Linienschiffe, mächtige Kreuzer besitzen und daß wir solchen Staaten durch die Entsendung eine- kleinen Kreuzers, mehrerer ganz veralteter, gefechts untüchtiger Schulschiffe unmöglich imponieren können. Die Anwesenheit der Brandenburgdivision in Ostasien war von allergrößter Bedeutung für das Ansehen der deutschen Flotte. Niemandem fällt es im Traume ein, mit England rivalisieren zu wollen: aber eS ist doch ein gar zu schreiendes Mißverhältnis, daß England auf der ostafrikanischen Station, auf der Deutschland ganz unvertreten ist, allein 10 Wimpel hat,'moderne schnelle Kreuzer; auf der westafrikanischen, auf der bekanntlich die ganz veralteten Kanonenboote „Habicht* und „Wolf" allem die deutsche Flagge zeigen, sogar lO Wimpel. Auf der Mittelmeerstation zeigt nur die ganz kleine „Loreley" die deutsche Flagge, England hat 59 Wimpel, darunter 15 von Linienschiffen, Frankreich 19, da- runtex 6 von Linienschiffen. Wenn die anderen Kultur mächte-Linienschiffe aus die Auslandsstationen senden, so kann mau doch unmöglich annehmen, daß sie nutzlos ihre Kräfte vergeude» wollen. Ob statt eines Linienschiffes ein Panzer kreuzer oder ein großer geschützter Kreuzer zu statio- »ieren ist, braucht jetzt nicht weiter erörtert zu werden; jedenfalls aber steht fest, daß die seinerzeit abgelehnten - großen und 7 kleinen Kreuzer für den Auslandsdienst jetzt schlechterdings nicht mehr genügen! Und ebenso fest steht, daß eine größere Forderung an den Reichstag heran treten wird» we,l alle maritimen Kreise davon überzeugt sind, daß ohne eine starke Auslandsflotte (Tsingtau HeimatS- Mtion für die Linienschiffe) Deutschlands hohe Mission auf dem Wasser nicht zu erfüllen ist." — Angesichts solcher Aussichten können wir nur wiederholen, daß eine reinliche Scheidung zwischen Reichs- und Staatsfinanzen die allerdriuglichste Aufgabe aller Finanzpolitiker ist. kraten haben sich aber in diese Versammlung einge drängt, um sie zu sprengen. Wollten ihr die Sozialdoino- kraten als Gäste beiwohnen, so mußten sie sich der An ordnung des Vorsitzenden fügen. Ein Recht, in dieser libe ralen Wäblerversammlung als die Ersten das Wort zu er greifen, hatten die Sozialdemokraten schlechterdings nicht. Die Anberaumung der Versammlung nur für liberale Wähler, die doch ihre Kandidaten und nicht die Sozial demokraten hören wollten, nennt der „Vorwärts" eine Feig heit. Wie aber will er das Vorgehen des sozialdemokratischen Parteidiktators Bebel bezeichnen? „Genosse" Bebel spricht demnächst in Breslau über Landtagswahlen. Zu dieser Ver sammlung sind Karten ausgegeben, aber nur an organi sierte Genossen! Kein anderer darf den Saal betreten. Bebel sichert sich sogar vor der unbequemen Möglichkeit, daß etwa nicht-organisierte an der Versammlung teilnehmen die Eingeweihten bleiben also ganz unter sich! Ueber eine solche Veranstaltung einer sozialdemokratischen Ver sammlung verliert der „Vorwärts" kein Wort! Einigen Breslauer „Genossen" ist aber diese Vorsicht Bebels zu dumm geworden und sie haben ihren Austritt aus dem Breslauer sozialdemokratische» Verein erklärt. Vor Jahr und Tag bat Bebel übrigens selbst den Genoffen den Rat erteilt, Ver sammlungen anderer Parteien erst dann zu besuchen, wenn sie eingeladen seien, und sich als Gäste in solchen Versamm lungen anständig zu benehmen. Seine Begriffe von Anstand sind freilich mit der Zeit immer seltsamer geworden, wie die Dresdener Vorgänge beweisen. Das Kabinett Giolitti. Von den neuen italienischen Ministern ist Giolitti die bekannteste Persönlichkeit. Gehört er doch schon über zwanzig Iabre dem öffentlichen Leben an. Im Kabinett Crispi war er 1889—90 Finanzminister. Schon 1892 erscheint er wieder als Ministerpräsident und Minister des Innern, also mit denselben Funktionen, die er auch jetzt wieder übernommen hat. Wie er im November 1893 von dem durch die großen Bankskandale heraufbeschworenen Sturm weggefeat wurde, ist noch M der Erinnerung. Ncch fünf Jahren aber sehen wir ihn wieder an der Spitze der Liberalen, drei Jahre später als Minister des Innern im Kabinett Zanardelli, das er im Frühjahre verlassen hat, um jetzt an die Spitze der Regierung zu treten. Neben ihm interessiert vor allem der neue Minister des Auswärtigen Tittoni, der, wie eS das parlamentarische Regime so mit sich bringt, dem Fache, das er jetzt zu bearbeiten hat, noch ganz fern steht. Was Tittoni in sein Amt mitbringt, ist großer Reich tum, eine elegante Frau, sowie Erfahrung m der Verwaltung und Wirtschaftspolitik. Als Sohn eines noch lebenden Senators, der 1870 der provisorischen Regierung aus dem Kapitol angehört Kat, genoß der junge Tittoni eine moderne Ausbildung, die er in Berlin und Oxford vollendete. Im Gemeinveleben seit 1882, seit 1886 im Parlamentarismus tätig, wurde er 1897 Präfekt in Perugia, 1900 in Neapel. Obgleich er dem dortigen Wirrwar energisch, wenn auch ohne Uederstürzung zu Leibe ging, entfesselten die Umsturzparteien unter der Devise „Gegen den Großkapitalisten" eine förmliche Hetze, in deren Bereich auch seine einstige Zugehörigkeit zum Verwaltungsrat der „Banca Romana" gezogen wurde, ob- aleich hier nicht der geringste Makel auf ihn gefallen war. So wird auch jetzt sein Eintritt in das Kabinett von den radikalen Blättern feindlich ausgenommen. Ihre Haupt wut aber richten sie gegen den neuen Finanzminister Rosano, dem vorgeworfen wird, nicht nur sich als Ver teidiger PalizzoloS zum Mitschuldigen der Maffia gemacht, sondern schon 1893 als Unterstaatssekretär in den Banca Romana-Skandalen seinem Freunde Giolitti gute, aber nicht einwandfreie Dienste geleistet zu haben. Der wahre Grund aber ist wohl die Furcht vor seinem Einfluß im Süden, wo der im 57. Lebensjahre stehende Advokat eine dominierende Rolle bei jeder Wahlbewegung ausübte. Luzzatti, der als Schatzminister in daS neue Kabinett eintritt, ist als handelspolitische Autorität wohl bekannt. Bei der Erneuerung der Handelsverträge wird er wesentlich mitwirken. Der Eisenbahnminister Tedesco ist technischer Fachmann des Ressorts, an dessen Spitze er jetzt gelangt ist. Rouchetti, 57 Jahre alt, vom Lago Maggiore gebürdig, war Advokat, mehrfach Unterstaatssekretär und wird jetzt Iustizminister. Der Unterrichtsminister Orlando, erst im 43. Lebensjahre siebend, ist daS sizilische Element des Kabinetts. Er war bisher Professor und hat sich mit mytho logischen Schriften einen Namen gemacht. Dem Prosessorentum gehört auch Rava an, der Handel und Ackerbau übernimmt. Kriegsminister Pedotti bat zuletzt daS neapolitanische Armeekorps befehligt. DaS politische Charakteristikum des neuen Kabinetts ist das Mißlingen deS Versuches, die radikalen Elemente zum Eintritt zu bewegen. Giolitti muß sich be gnügen mit der Zusage der parlamentarischen Unterstützung, die er von der Mehrzahl dieser Gruppen erhalten hat, die wohl fürchten mögen, es käme sonst zu einem konservativen Regime Sonnino. Die Prognose für die Dauer dieser Regierung ist nicht glänzend, aber auch nicht gerade ganz ungünstig. Erst nach der Verkündigung ihres Programms wird sich die Stellung der Parteien klären. Sine amerikanische Stimme über die „deutsche Gefahr" in Südamerika. Im Kongreß der Vereinigten Staaten von Amerika ist bekanntlich ebenso wie in nordamerikanischen Blättern die Auf fassung vertreten worben, daß Deutschland Absichten auf Südamerika habe, dort kolonisieren wolle und ein tretenden Falle- nicht zulaffen werde, daß man ihm die Monroe-Doktrin enrgegenstelle. Aeußerungrn solcher Art haben in den Vereinigten Staaten die unbestimmte Vorstellung hervorgerufcn, als sei von Deutschland in Südamerika bereits eine große Kolonisationsbewegung in« Werk gesetzt; so kommt es, daß deutsche Geschäftsangelegen heiten in Venezuela mit Kolonisationsbestrebunaen deS deutschen Reichs m Verbindung gebracht werden. Im Hin blick auf diese nordamerikanifchen Stimmungen und Vor urteile ist es beachtenswert und erfreulich, daß ein nord- amerikanischeS Blatt, der „Chicago Record Herald", die Grundlosigkeit derartiger Anschauungen zahlen mäßig dartut. Das genannte Blatt stellt nämlich für die wichtigsten südamerikanischen Staaten die deutsche Ein wanderung und Fremdenbevölkerung der anderer Nationen gegenüber. Hiernach betrug die Einwanderung Brasiliens im Jahre 1898: Italiener 33 272, Portugiesen 11662, Spanier 5943, Oesterreicher 669, Deutsche 447, Franzosen 247, Russen 137, Schweizer 129, im Jahre 1894 waren die Zahlen: Italiener 37 266, Portugiesen 17 251, Spanier 6947, Deutsche 812, Oesterreicher 754, Franzosen 310, Engländer 91. In noch früherer Zeit kam der größte Teil der Ein wanderer, wie der „Chicago RecordHerald" hinzufügt, aus Südeuropa, und die sogenannten lateinischen Rassen waren zweifellos weit und breit diejenigen, die am meisten zur Fremdenbevölkerung bei trugen. In Argentinien wurde die Fremdenbevölkerung — wir folgen immer dem genannten Chicagoer Blatte — im Jahre 1895 folgendermaßen beziffert: Italiener 492636, Spanier 198 685, Franzosen 94 098, Engländer 21788, Schweizer 14 789, Deutsche 17143, Oesterreicher 12 800; 1901 betrug die Fremden- bevölkerung: Italiener 54 866, Spanier 14 778, Franzosen 8193, Brasilier 8206, Deutsche 2581, Engländer 784, Belgier 246. In Venezuela wurde die Fremdenbevölkerung im Jahre 1894 wie folgt berechnet: Spanier 13 085, Kolumbier 11081, Eng länder 6154, Holländer 3729, Italiener 3179, Franzosen 2545, Deutsche 962. In Chile betrug die Fremdenbevölkeruug im Jahre 1895: Deutsche 7049, Oesterreicher 1490, Spanier 8296, Franzosen 7809, Engländer 6241, Italiener 7587, Schweizer 1570. Zur selben Zett wurde die Fremden bevölkerung in Paraguay folgendermaßen angegeben: Argen tinier 5000, Italiener 2500, Spanier 1500, Deutsch« 1250, Franzosen 800, Brasilier 600, Lesterreicher 450, Engländer 200. In Uruguay betrug die Fremdenbevölkerung im Jahre 1900: Brasilier 26 698, Italiener 26 297, Spanier 25 220, Argen- tinier 9871, Franzosen 4521, Schweizer 1070, Deutsche 765, Engländer 729; eingewandert sind in Uruguay im Jahre 1901: 3777 Italiener, 2708 Spanier, 336 Deutsche, 209 Engländer. Angesichts der vorstehenden Hahlen spricht der „Chicago Record Herald" mit Wohl begründeter Ironie davon, daß die deutsche Eroberung in Südamerika auf dem Wege der Kolonisation „sicher von der zersetzendsten Art" sei. Und mit derselben Ironie weist daS Chicagoer Blatt auf die »och viel größeren Eroberungen hin, die Deutschland m Nord amerika selbst mache. D,e Zehntausende Deutscher, die binnen einem Jahre in die Union einwanderten, würden in einem der südamerikanischen Staaten ein stattliche« Besatzung»- heer bilden. „Aber sie ziehen", schließt der „Chicago Record Herald", „den Norden vor, und der Norden ist erfreut, daß sie es tun." Wirksamer als hier einesteils durch nüchterne Zahlen, andernteils durch berechtigte Ironie da» Gespenst der „deutschen Gefahr" in Südamerika als solcher dargetan wird, könnte eS von deutscher Seite nicht geschehen. Darum ist eS besonders erfreulich und dankenswert, daß ein nordamerikanisches Blatt diese Dinge einmal in richtiger Beleuchtung gezeigt hat. Deutsches Reich. Berlin, 5. November. (Der Gesetzentwurf über Familienfideikommisse für Preußen.) Die Reform bedürftigkeit der Gesetzgebung über Fideikommisse hat in de» letzten 8 Jahren mehrfache Versuche gezeitigt, die großen Unzulänglichkeiten dieser Gesetzmalerie in Preußen wenigsten» enngermaßen den modernen Verhältnissen anzupast en. Vor einigen Worben ist nun,nachdem die auf Grund einer Denkschrift deS land- wirtschaftlichenMinisteriums aus dem Iahrel 896 ausgearbeiteten Gesetzentwürfe vom Jahre 1899 und 1900 keinen Anklang gefunden hatten, ein neuer, von den preußischen Ministerien der Justiz und der Landwirtschaft gemeinschaftlich bearbeiteter Entwurf der Oeffentlichkeit übergeben und auch bereits mehr facher Kritik unterzogen worden. Professor vr. I. Conrad bespricht diesen Entwurf (im letzten Hefte der Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik) hauptsächlich vom volks wirtschaftlichen Standpunkt und kommt bei ferner Erörterung zu folgendem Endergebnis: Die ganze Einrichtung der Fideikommisse muß al» tm Wider- Feuilleton. Liu interessanter Mann. -j Roman von Arthur Zapp. »talVdluck verbot», . Er hält sogleich im Tanzen inne, zieht ihren Arm in bett seinen und führt sie zu ihrem Sitze. Eben hat auch Assessor Kreyhoff Erna Darnvw an ihren Platz geleitet und sich wieder von ihr verabschiedet. Erstaunt, neu- gierig betrachtet die junge Dame den unbekannten Tänzer ihrer Cousine, besten fremdländisches Aussehen ihr Interesse erregt. Fragend sieht sie Ssaleska an, deren blaffe», verstörtes Gesicht ihr auffällt. ^vist du nicht wohl, BaleSka?" fragt sic. Auch der Rumäne zeigt sich besorgt. „Darf ich Ahnen eine Erfrischung besorgen, gnädige Frau?" Sie wehrt heftig ab, beißt sich im Stillen auf die Lippen und bietet alle ihre Selbstbeherrschung auf, um ihre Auf regung niederzuzwingen. „Ich banke — e» ist nichts", sagt sie, neben Erna Platz nehmend, zu dieser sich wendend: „Ich habe den Walzer nie recht vertragen können. Er verursacht mir immer Schwindel. Aber es ist schon vorüber." „Darf ich bitten, gnädige Frau", nimmt der Rumäne da» Wort, seine blitzenden dunklen Augen nach der ihn verstohlen beobachtenden jungen Dam« hinschweifen lassend, „darf ich bitten, gnädige Frau, mich dem gnädigen Fräulein vorstellen zu wollen?" Frau valeSta kann sich dem Ersuchen nicht entziehen. Nachdem di« Förmlichkeit erledigt ist, nimmt der Rumäne bet den Damen Platz. Er erweist sich al» gewandter Ge sellschafter und anregender Plauderer. Lebhaft, mit leicht fließenden Worten erzählt er, daß er Deutschland liebe, daß er sich schon früher in verschiedenen Gegenden deS Deutschen Reiches aufgehalten und in Berlin ein Jahr studiert habe. Jetzt haben ihn die Naturschönhetten Mitteldeutschlands veranlaßt, vorläufig für einige Zeit in der BeztrkShauptftadt Wohnung zu nehmen. Nur einen einzigen Empfehlungsbrief habe er mitgebracht, aber er habe berett» die gastfreundlichste Aufnahme ge- fuuden. Er sei entzückt von der Liebenswürdigkeit der Herren der Stabt und besonder» glücklich schätze er sich, Hatz er seine« Empfehlungsbriefe ach Hauptmann von Romberg die Einladung zu dem Kafinoballe ver danke. Habe er doch dadurch Gelegenheit erhalten, die anmutigsten, schönsten und elegantesten Damen der Stadt kennen zu lernen. An diese Komplimente, die er mit ver bindlichster Miene und Verbeugungen begleitet, als seien sie speziell an die beiden neben ihm sitzenden Damen ge richtet, knüpft er interessante Vergleiche zwischen dem rumänischen, dem deutschen, französischen und englischen gesellschaftlichen Leben und erweist sich als ein gründ licher Kenner der Sitten der Hauptnationen Europas. Erna Sarnow fühlt sich ungemein gefesselt, ihr Inter esse bekundet sich an der gespannten Aufmerksamkeit, mit der sie ihm zuhört, und -en gelegentlichen lebhaften Aus- rufen und Bemerkungen. So verplaudern sie den Rest des Walzers und fast die ganze nachfolgende Pause, während Krau Bäleska, sich gegen die Rückenlehne zurück- legend, schweigen- dasitzt und sich Kühlung zufächelt. Kaum hat sich Baron Minolesku verabschiedet, als sich Erna Sarnow mit strahlendem Gesicht an ihre Cousine wendet. „Ein reizender, hochinteressanter Mensch. Meinst du nicht auch, Bally?" Valeska von Reßtorf ßährt wie aus einem Traume auf und zuckt schweißend mit den Achseln. Erna Sarnow sieht ihre Cousine erstaunt an und bricht in ein herzliche» Lachen aus. „Nein, du bist wirklich einzig, Bally! Ich glaube, für dich existiert überhaupt kein Mann mehr auf der ganzen Welt außer Herbert." Verwirrt senkt die junge Frau ihr erglühendes Gesicht, während sich ein stiller Seufzer von dem gepreßten Herzen losringt. Zweite» Kapitel. Eine halbe Stunde später befand sich BaleSka von Reß- torf mit ihrem Gatten auf dem Heimwege. Der Ball hatte noch nicht einmal seinen Höhepunkt erreicht, aber BaleSka hatte Ermüdung und Kopfweh vorgeschützt, und ihr Gatte hatte gern ihrem Wunsch entsprochen, fand er doch selbst wenig Geschmack an diesen gesellschaftlichen Mafienansammlungen. Hätte er eS nicht seiner Stellung als Stellvertreter des kränklichen Polizeipräsidenten und derzeitiger Chef der Polizei der Bezirkshauptstadl ge- schuldet, er würde Bälle überhaupt nie besucht haben. Frau BaleSka war innerlich so verstört und gebrochen, daß e» ihr eine unerträgliche Marter war, die heiter er- regte Miene genießender Ballsreude zu -eigen, während ihr Herz angstvoll klopfte und eine folternde seelische Zer knirschung ihr Gemüt darniederbeugte. Die plötzliche, unerwartete Erscheinung des Rumänen hatte ihr die de mütigendste Erfahrung ihres Lebens in Erinnerung ge bracht. Sie hatte nie geglaubt, daß sie diesem Manne noch ein mal begegnen würde, ja, mit ihrer rratven Unkenntnis des Lebens hatte sie gemeint, Baron Minolesku müßte schamerfüllt, schuldbewußt vor ihr die Augen senken und ihr bloßer Anblick müßte ihn in die Flucht schlagen. Er aber war strahlend, mit erhobenem Haupte, mit -er Miene deS Siegers vor sie hingetretcn, als hätte nie ein Flecken seine Ehre als Gentleman besudelt und als wäre er an seinem richtigen Platze hier unter den angesehensten Männern und Frauen der Stadt. Und -och kannte sie ihn als cincn Abenteurer, als einen Menschen ohne Ehre und Gewissen. Die Stimme ihres Gatten unterbrach ihre nicderztehcn» den Gedanken. Sie erschrak unwillkürlich und errötet« tm stillen. Wüßte er, was in ihrem Innern vorging! „Wie fühlst du dich, Kind?" fragte er besorgt un drückte zärtlich ihre Hand. Sie erhob ihr schmerzendes Haupt von -em Wagen polster und gab ihm beruhigende Antwort. Er beugte sich zu ihr hinüber und küßte sie auf die Stirn. Da kam es ihr von der ringenden Brust herauf und sie mußte die Zähne fest zusammenbetßen, um sich nicht durch ein krampf haftes Aufschluchzen zu verraten. Er begann zu plaudern von den Erlebnissen des Abends, und zuletzt fragte er: „WaS sagst du zu dem Rumänen? Eine recht exotische Erscheinung! Er machte ja förmlich Sensation, be- sonder» unter den Damen. Ein eleganter, gewandter Mensch ist er ja und sicherlich interessant. Aber man wbiß bei diesen fremdländischen Herren nie, was sie für eine Bergangenhett hinter sich haben —" Da durchzuckte sie der Gedanke: „Sage ihm, daß du ihn kennst!" Aber sie folgte diesem plötzlichen Impulse nicht. Ein Bedenken lähmte sie: wie würde er eS auf nehmen, wie sollte si« ihm erklären, daß sie die Bekannt, schäft verleugnet und den Rumänen wie einen ihr gänzlich Fremden behandelt hatte? Würde sie sich durch diese nach, trägliche Erklärung nicht in ein bedenkliche» Licht stellen? Und wie weit sollte sie in ihrem Bekenntnis gehens Sollte sie ihm alle», alles sagen? Sie stöhnte in sich hinein. Zum Glück hielt in diesem Atkgenblick der Wagen; sie waren zu Hause ««gelangt. Der RogierungSrat hob seine junge Frau mit einer Behutsamkeit aus -em Wagen, in -er sich die Liebe des Gatten mit der Sorge eines Vaters zu einen schien. Oben in der Wohnung suchte Valeska zuerst das Schlafzimmer auf, das ihr kleine- «öhnchen mit seiner Amme teilte. Der kleine paus backige Kerl atmete ruhig und friedlich und hatte sich rote Bäckchen geschlafen. Während sie an seiner Wiege stand, kehrte wieder Ruhe und Frieden in ihrem Herzen «in. War sie nicht glücklich als Mutter und Gattin? War es nicht kindisch, sich vor dem Manne zu fürchten, der eine Episode in ihrem Leben gespielt hatte, -er ihr aber längst innerlich völlig fremd geworden war? Als sie sich später medergclegt hatte, durchlief es sie wieder fröstelnd und erschauernd und die Vergangenheit wurde wieder lebendig in ihrer Phantasie. Und so sehr sie auch die Augen eindrllckte und sich bemühte, an nichts zu denken und im Schlummer das Bewußtsein zu ver lieren, ihr Geist arbeitete unablässig und sie konnte sich der Gedanken, die erhitzen-, drohend auf sie eindrangen, nicht erwehren. Vor drei und einem halben Jahr« war sie als siebzehn, jähriges junge» Mädchen Zögling eines Pensionats in Lausanne gewesen. In -er herrlichen Umgebung der paradiesisch gelegenen schweizerischen Stadt verstrichen ihre Tage in harmloser Fröhlichkeit im Kreise gleich, alteriger Pensionsgenossinnen, bis eines Tages ein Fremder in -er -em Pensionat gegenüberliegenden Villa Wohnung nahm. Die ganze Schar -er Pensionsfräulein geriet in Aufruhr. Seine fremdländische Erscheinung und sein elegantes, weltmännisches Wesen umgaben ihn zugleich mit seiner Eigenschaft als rumänischer Baron mit einem anziehenden Nimbus. Kein Wunder, daß fast alle jungen Insassinnen des Pensionats für ihn schwärmten. Nicht nur am Fenster, auch auf ihren gemeinschaftlichen Spaziergängen begegneten die Pensionärinnen -em inter essanten Fremden; von ibm tuschelten sic 'ich währen- der Unterrichtsstunden «nö Ohr, noch mehr aber bildete er in ihren Freistunden das Gespräch der meist schwärmerisch veranlagten jungen Damen. Mit eifersüchtigen Blick«» belauschten sie sich untereinander und oft entstand ein drolliger Streit unter den jungen Mädchen, wer von chn«n die bevorzugteste, durch -ie Ausmerksamkeit des Fremden am meisten ausgezeichnete sei. Als ihr «ineS TageS die Frau deS AustaltSdieners heimlich «in Briefchen des rumänischen Barons zmteckte, fühlte sich BaleSka Laurin natürlich hochbeglückt. Ihr siebzehnjähriges, abenteuer-
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