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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.06.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-06-17
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070617025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907061702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907061702
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-06
- Tag1907-06-17
- Monat1907-06
- Jahr1907
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rVezuqs-Preis sSr Leipzta „ud Vororte durch unsere Träger und Spediteure inS HanS gebracht: Äus« gäbe (nur morgens) viertelehrlich 3 M., monatlich 1 M.: Ausgabe U (morgens und abends) vierteliLbrlich 450 M., monatlich 1.50 M. Durch die Poft bezogen (I mal täglich) inneihalb Deutlchlands und der deutschen Kolonien vielteljäbrlich 3 M., monatlich 1 M. auSschl. Postbcstellgeld, für Oesterreich-Ungarn vielteljäbrlich 5 L 45 d. Abonnemeul-Anuahm«: Augustusplatz 8, bei unseren Trägern. Filialen, Spediteuren und Annahwesiellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Nummer kostet 1V Pfg. Redaktion und Expedition: Iodaunisqasse 8. Teleph. Nr. 1)692. Nr. 14693. Nr. 146S4. Berliner Nevattions-Burean. Berlin XIV. 7. Prinz Louis Ferdinand- Straße 1. Telephon i, Sir. 9-275. Abend-Ausgabe 8. WpMtr TagebllM Handelszeitung. Ämtsölatt -es Nates und -es Notizeiamtes -er Lta-t Leipzig. AnHeiqen-PreiS für Inserate aus Leipzig u. Umgebung die t-gespaltene Petitzeile 25 Pf, finanzielle An zeigen 30 Pf, Reklamen 75Pf.; von anSwärtS 30 Pf, Reklamen 1 M.z VE Ausland 50 Pi, finanz Anzeigen75Pf, Reklamen 1.50 M. Inserate v.Behörden im aintlichen Teil 40Pf. Beilagegebühr 5 M. p. Tausend exkl. Post gebühr. Gejchästsanzeigen an bevorzugter «teile im Preise erhöht. Rabatt nach Tarn Feslerteilte Aufträge können nicht zurück- gezogen werden. Für das Erscheinen au dellimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen - Annahme: Au-UftuSplatz 8. bet sämtlichen Filialen u. allen Annoneen- Expeditionen des In- und Auslandes. Haupt-Filiale Berlin: CarlDnncke r.H«rzgl.Bayr.Hofbuchhandlg, Lützowstraße 10 (Tel. Vl, 46031. Nr. 166. Montag 17. Juni 1907. M. Jahrgang. Vas Nruesle vom Lage. (Die nach Schluß der Redaktion eiugegangeue» Depeschen stehen auf der 3. Seite des HauptblatteS^ Hausbesitzer und Landtagswahlen. Auf dem gestern in Großenhain abgehaltenen sächsi schen Hausbesitzertage wurde folgender Antrag an genommen: .Der Verbandstag beauftragt den Vorstand des Verbandes der sächsischen HauSbesitzeroereine, Fühlung mit den aufgestellten Landtagskanbidaten zu nehmen und diese mit dem Wah iprogramme der sächsischen Hausbesitzervereine bekannt zu machen. Hierbei sind die Kandidaten auf die den nächsten Landtag unter anderen zu be>chäsligenven Fragen, wie Gemeinvesteuerreform, Land- tagswahlrechtsreform, die Unterstützung der Baugenossen schaften und die Aenderuug des Lanvesbrandversiche- rungszesetzes. ganz besonders aufmerksam zu machen und ihnen unsere Wünsche zur Befürwortung zu empfehlen. Sind in, einem Wahlkreise mehrere den Ordnuugsparteien angehör'ende Kandidaten ausgestellt und diese haben sämtlich unsere Forderungen zu den ihrigen ge macht, daun bleibt es den einzelnen VerbandSmitgliedern überlassen, welchem der aufgestellten Kandidaten sie bei der Wahl ihre Stimme geben wollen. Selbstverständlich ist ein etwaiger Wahlersolg immer mit in Berücksichtigung zu ziehen. Den Kandidaten ist eine Unterstützung unsererseits nnr dann zuzusichern, wenn von ihnen die Annahme unserer Forderungen erfolgt ist." Minister a. T. von Strenge -ß. Am gestrigen Tage ist in Gotha der frühere Minister des Herzogtums Sachsen-Coburg-Golha C. F. von Strenge gestorben. Noch von Herzog Ernst II. am 1. Dezember 1891 an die Spitze des Ministeriums berufen, ver waltete er dies Amt unter dem Herzog Alfred (s- 1899), eben'o unter dem Regierungsverweser Erbprinzen Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, bis er im November 1900 zurücktrat und durch den bisherigen Fürstenbergischen Güter- oirektor Hcnrig ersetzt wurde. Strenge hatte während seiner Minister»chaft ungemein viel Kämpfe zn bestehen. So mußte er dem Landtage nachgeben, als dieser zwei- lährige Etatsgenehmigung verlangte, als die Errichtung eines Schwurgerichts in Gotha und Reduktion des HochwilvstandeS gefordert worden und ganz besonders scharf waren die Streitigkeiten über die ungünstigen Domänen verhältnisse, die erst nach laugen Verhandlungen im Dezember 1901 nach seinem Rückiritt ihre Erledigung fanden. Dieser Rücktritt wurde durch den Ausfall der LandtagSwahlen im Herbst 1900 vorbereitet, die 10 Sozialdemokraten, 11 Frei sinnige, 4 Nationalliberale und 9 Agrarier in die Kammer brachten. Dazu traten weitere Differenzen. IS Millionen Mark für ein zweites Leipziger Elektrizitätswerk. Der Rat hat den Stadtverordneten eine Vorlage zugehen lassen, in der die Bewilligung von 19 333 700 für de» Bau eines zweiten städtischen Elektrizitätswerkes nebst Kabel netz und Unterwerken beantragt wird. Die Errichtung eines zweiten Werkes wird für notwendig erklärt, um an die bisher nicht versorgten Stadtteile elektrischen Strom abgeben zu können. Das Bedürfnis hierfür hat sich immer dringender geltend gemacht. Die Winzer-Bewegung. Der gestrige Sonntag scheint erheblich ruhiger verlausen zu sein als der vorhergehende. Aus Perpignan wird gemeldet: In einer Versammlung der Komitees der Organisation zur Verteidigung des Weinbaues erklärte Ferroul, der zurück getretene Bürgermeister von Narbonne, in einer Ansprache, man dürfe auf daö Rundschreiben des Ministerpräsidenten keine Rücksicht nehmen. Die Gemeindeverwaltungen, die zurückgetreten seren, müßten dabei verharren, ca vaS Volk es wolle. Die Versammelten nahmen eine Tagesordnung an, in der sie die Bezeichnung als Anarchisten oder Reaktio näre, die die Regierung ihnen beilegt, zurückweisen; sie seien lediglich Bürger, die durch eine Vas Land zugrunde richtende Zauderpolitik erbittert seien. Erfreulich ist, daß die Winzer die Identifizierung mit politischen Parteien revolutionären Charakters vorläufig ablchnen. — Ministerpräsident Cle- menceau batte eine Unterredung mit dem Oberstaatsanwalt von Montpellier über Vie wegen der Ruhestönmgen in Bszierö zu ergreifenden Maßregeln. Bezüglich deö Rücktritts der Bürgermeister erklärte Clemcnceau, er könne nicht 500 Bürgermeister verfolgen. In einem Briese an die Bürgermeister aber erklärte er diesen, daß dem Gesetz Achtung verichafft werden wird. — Aus Perpignan ist dem Ministerpräsidenten ein Telegramm zu gegangen, nach dem die Meldungen über die Vorkommnisse beim 12. Insanterie-Rcgimenl sehr übertrieben seien. ES wird keine besondere Maßregel gegen das Regiment er griffen. — Dem Vernehmen nach wird in der Kammer eine Interpellation über die Unruhen eingebracht. Clemencean werde aber sich gegen die sosortige Erörterung erklären, weil er nicht Aufklärungen über Maßnahmen geben wolle, die noch in Ausführung begriffen sind; im Notfälle würde Clemenceau die Vertrauensfrage stellen. — Die Mitglieder des Gemrinderats von Mszi^rcs wurden zum Präseiten be- schieden, der ihnen eröffnete, Laß sie ohne fernö Genehmigung ihren Posten nicht verlassen dürften, widrigenfalls sie die Konsequenzen .rüge».. Li«. B-to.gung pflanzt fick also n>.ch Norbfrankreich fort: MeziöreS liegt bekanntlich dich', bei Sedan. Aus Nancy wird gemeldet: General Pau, Kom mandeur des 20. ArmeelorpS, wurde telegraphisch nach Paris berufen. Es handelt sich zweifellos um den beabsichtigten Garaisonwechsel. Dem des Dienstes an der Spitze des 100. Regiments in Narbonne enthobenen Oberst Marnet wurde gestern von den Anhängern des ehemaligen Bürger meisters Ferroul eine Ovation dargebracht. Ferroul hielt vor der Wohnung des Obersten eine gegen die Regierung gerichtete hestige Rede. Bon der Konferenz. Wie verlautet, batten die ersten Delegierten der Groß mächte gestern eine längere Unterredung, in der die Einsetzung von vorläufig vier Kommissionen vereinbart wurde, nämlich die für den Seekrieg, den Landkrieg, das Schiedsgericht und die Ausgestaltung der Genfer Konvention betreffenden Fragen. — In Haager eingeweihken Kreisen glaubt man, daß die Frage dec Einschränkung der Rüstungen in der Sitzung am Mittwoch zur Prüfung an eine bestimmte Kommission ver wiesen werden soll. Neuer serbischer Gesandter. Zum serbischen Gesandten in Berlin soll Dr. Michael Popovic, der frühere Finanzminister ernannt werden. Er wird sich am 24. bss. nach Wien begeben, um als erster Delegierter Serbiens die Verhandlungen zum Abschluß eines Handelsvertrags zu führen und dürfte den Posten in Berlin erst nach Beendigung dieser Verhandlungen übernehmen. Anlage einer Riesen-Automobilrennbahn. Wie von Frankfurt a. M. aus zuverlässiger Quelle verlautet, hat der Kaiser während des Taunusrenncns den Wunsch geäußert, daß eine Riesen-Automobil rennbahn bei Berlin oder in der Lüneburger Heide erbaut werde. Die Bahn soll künstliche Hügel, Senkungen und Kurven erhalten. Der Kaiser hat das Projekt sofort mic dem Berliner Koblenmaguaten Friedländer besprochen, der sich bereit erklärt hat, die Finanzierung des Unternehmens zu übernehmen. (Wir verweisen auf den dritten Leitartikel „Autvmobilrennen" in der Sonntags nummer unseres Blattes. D. Red.) Vie rurrircde IsririZ. Das neue Wahlgesetz. Unter dem neuen Wahl gesetz sind wahlberechtigt fortan Personen nicht unter 30 Jahren. Bei einer Erhöhung des Ver mögenszensus enthält das Gesetz eine Beschränkung der Dcputiertenzahl. Tic Gesamtzahl der Deputierten ist aus 442 begrenzt, von denen 403 auf das europäische Rußland entfallen. Die Zahl der polnischen, kaukasischen und sibiri schen Abgeordneten wird^ wie schon gemeldet war, erheblich herabgesetzt. Polen erhalt nur 14, der Kaukasus 10, das asiatische Rußland 15 Abgeordnete. Von den 14 polnischen Abgeordneten sind 2 für Warschau zu wählen, davon muß einer Russe sein und durch 20 russische Wahlmänner aus schließlich von der russischen Bevölkerung der Stadt gewählt weiden. Im übrigen bleiben für die Dumawahlen i.: Pplcn die Bestimmungen von 1906 in Kraft. Auch die Gouverne ments Lublin und Siedlce haben je einen besonderen russi schen Abgeordneten zu wählen. Das Gouvernement Wilna muß in seinen 7 Abgeordneten 2 Russen, das von Cauen I Russen stellen. Das Manifest des Zaren. In dem zarischen Manifest heißt es: Zu unserem Kummer hat ein beträchtlicher Teil der Mitglieder der zweiten Rcichsduma unsere Erwartungen nicht gerechtfertigt. Nicht mit dem Wunsche, Rußland wieder zu befestigen und seine Verwaltung zu vervoll kommnen, haben sich viele der Abgesandten des Volkes an die Arbeit gemacht, sondern in der ausgesprochenen Absicht, die Unruhen zu vermehren und zur Zersetzung des Staates beizutragen. Das Kaiserliche Manifest fährt fort: Infolge der Tätigkeit dieser Personen hat die Rcichsduma ein un überwindliches (?) Hindernis für eine fruchtbare Arbeit ge bildet. Ein feindseliger Geist wurde in die Duma selbst hineingetragen und Verbinders dort den Zusammenschluß einer genügenden Anzahl von Mitgliedern, die gewillt ge wesen wären, für die Interessen des Vaterlandes zu arbeiten. Aus diesem Grunde hat die Rcichsduma über die weitgehen den, von unserer Regierung ausgearbeiteten Maßnahmen entweder gar nicht verhandelt, ihre Diskussion verzögert oder sie verworfen, wobei sie nicht einmal vor der Zurückwei sung von Gesetzen zurückschcute, die die offene Verherrlichung von Verbrechen mit Strafen belegten und insbesvndcrc die jenigen mit Strafen bedrohten, die Beunruhigung in die Armee hineintrugen. Rußland leidet nach wie vor unter der Schmach einer verbrecherischen Zcitpcriode und unter großem Mißgeschick. Das Recht, Interpellationen an die Regierung zu richten, wurde von einem beträchtlichen Teile der Duma in ein Mittel zur Bekämpfung der Regierung und zur Erregung von Mißtrauen gegen sie in weite» Schichten des Volkes umgewandelt. Die Gerichtsbehörden entdeckten eine Verschwörung eines Teiles der Duma gegen den Staat und die kaiserliche Gewalt. Aber als unsere Re gierung die zeitweilige Ausschließung bis zum endgültigen Urteilsspruch von 55 des Verbrechens angeschuldigten Duma mitgliedern und die Verhaftung der am meisten Verdächtigen von ihr forderte, erfüllte die Duma nicht unverzüglich die gesetzmäßige Forderung der Behörden, welche einen Aufschub nicht zuließ. Alle diese Umstände zwangen uns, die zweite Duma auszulösen. Im Vertrauen auf die Vaterlandsliebe und den politischen Sinn unseres Volkes sehen wir jedoch die Ursache des zweimaligen Mißerfolges der Tätigkeit der Reichsduma darin, daß wegen der Neuheit des Werkes und wegen der Unvollkommenheit des Wahlgesetzes diese gesetz geberische Einrichtung sich aus Mitgliedern zusammenjetztc. die nicht die wahren Vertreter der Bedürfnisse und Wünsche des Volkes waren. Infolgedessen haben wir den Entschluß gefaßt, das Verfahren für die Berufung der Volksvertreter in die Rcichsduma abzuändern, damit jeder Teil unseres Volkes in ihr seine Vertreter habe. Die Duma, die berufe» ist, den russischen Staat zu festigen, muß russisch sein auch ihrem Geiste nach. Die anderen Nationalitäten, die unserem Reiche angehören, sollen in der Reichsduma ebenfalls Ver treter ihrer Bedürfnisse haben, aber sie dürfen und werden nicht in einer Zahl in Erscheinung treten, die ihnen die Möglichkeit gibt, in rein russischen Fragen zu entscheiden. In den Staatsgebieten, wo die Bevölkerung noch keine ge nügende Stufe der bürgerlichen Entwickelung erreicht hat, müssen die Reichsdumawahlen einstweilen ausgesetzt werden. Auf dem gewöhnlichen gesetzgeberischen Wege durch die Rcichsduma würden alle diese Abänderungen der Wahl ordnung nicht eingeführt werden können. Das Recht, dieses Gesetz abznänderu, kann nur der Macht zukommen, die das erste Wahlgesetz gegeben hat, nämlich der historischen Mach: des russischen Kaisers. Die Ausnahme des Anslösungsukas in der Bevölkerung. Bis Mitternacht hat die Auslösung der Duma nicht die ge ringste Ruhestörung weder in der Residenz, noch Meicü- verursacht. Die Anzeige nebst dem Manifest des Zaren wird allenthalben aufmerksam gelesen und kommentiert. Beson ders aufgeregt sind die Polen, deren Chancen gefallen sind. In Petersburg ist massenhaft Militär zusammengezogen, welches aus dem Lager von K rasnojc Selo beordert ist. Die Bahnhöfe sind dauernd start besetzt. Gepanzerte Züge stehen in Bereitschaft. Im Fabrikzcntrum ist ein enormes Pa trouillenaufgebot zu bemerken. Verschiedene Untermilitärs sind plötzlich verschwunden. In den beiden letzten Nächten wurden 800 Verhaftungen vorgcnommcn, darunter die des Priesters Tichwinskij. In Kronstadt wurden mehrere Studenten, Militärs und Frauen verhaftet, die zur Kampf organisation gehören. Tic Vcrcinslokale der Linkssrak- Feuilleton. L) Tinte kann man wohlfeiler vergießen als Blut: ober Beschimpfungen sind schlimmer als Wunden. Der Krieg ist im allgemeinen so furchtbar. . sein Ausgang so wenig gewiß und die Folgen so verderblich für ein Land, daß die Könige es sich nicht genug überlegen können, ehe sic sich darauf einlassen. Es ist nicht zu leugnen, daß dec Krieg ein Übel ist; aber er läßt sich nicht vermeiden, weil es keinen Gerichtshof gibt, der die Streitigkeiten der Regenten schlichten könnte. Friedrich der Große. Aus dem bei JuUus Zeltler soeben er- . schieneaen Band Friderirus Rex, Aussprüche und Gedanken Friedrichs von Preußen. Urbilder der Llaqueure. Bon Karl Fr. Nowak (Berlin). Man darf in der Geschichte der Londoner Bühnen den würdevollen, dicken Herrn nicht vergessen, der Abend um Abend sehr pünktlich im Theater erschien und so merkwürdige Manieren zeigte, daß er auch dem ausgelassenen Publikum um die Mitte des 18. Jahrhunderts auffiel. Kein Mensch kannte ihn. Man dichtete ihm alle Berufe an, man gab ihm phantastische Spitznamen. Vielleicht war er ein biederer Tischlermeister, aber wenn er um sich blickte, sah man die Mienen eines Grandseigneurs. Einmal nannte ihn einer den „Saramachcr", — daran war sein Benehmen schuld. Immer saß er aus dem Olymp. So nannte ihn der Spaß vogel: „Sargmacher auf dem Olymp." Der Name wurde blitzschnell kolportiert, er erregte ein fröhliches Gelächter, das dem Respekt keinen Abbruch tat, und der würdevolle, dicke Herr wurde anders nicht mehr bezeichnet. Als „Sarg macher auf dem Olymp" ist schließlich auch er historisch ge- wvrden. . . Daran war sein Benehmen schuld. Breit stand er do, einen Prügel zwischen beiden Fäusten, und Shakesveares Geist durchdrang ibn. Er lauschte jeder Silbe, verfolgte jede Geste auf der Bühne, sah jede Leidenschaftsfalte im Ge fühl der Mimen, und erst, wenn alle» gleich vollendet war, war er begcistcrungbcsesscn. Er hob den Prügel und paukte los. Er beugte sich weit vor von seinem Platz, ging auf die erste, beste Säule zu: dann dröhnte, ächzte, stöhnte sie von seinen Schlägen. Es war ein gräßlicher Spektakel. Ein lautes Hallo und eine hübsche Abwechslung. Ein liebens würdiger Tobsuchtsausbruch und eine kuriose Sensation. Der Mann beruhigte sich nicht leicht. Er war ein Rätsel. Den Prügel nahm er alle Abende mit, wie andere ihre Operngucker. Wenn ihn die Bühne langweilte, erholte er sich rasch, denn er blieb stumm. In dreifacher Wut schlug er dann wieder los. Man warf ibn nicht einmal hinaus. Man applaudierte krampfhaft. Tie Sache wurde usuell, ganz selbstverständlich, ganz legitim. Er tobte, wenn sic's unten trefflich machten, und die andern klatschten. Tos Publikum wußte cs bald: er war ein solider Kunstbarbar, dem der Dichter alle Muskeln schwellte. So half man ihm, dem würdevollen, dicken Unbekannten, dem Kunstverprüglcr und ungenierten Urbild der Claqueure. . . Addison hat zuerst von ihm berichtet. Auch der „Spek- tator" spürte ihm nach. Aber weder die Zeitschrift, noch der Dichter wissen Genaueres, als daß die nicdcrsauscndcn Hiebe klangen, wie Schläge auf einen Sarg und daß der Mann für seine solide Arbeit sich nicht bezahlen ließ. Mit seiner Wichtigkeit hatte das nichts zu tun: er war bald unentbehr lich, er gehörte zu jeder anständigen Premiere, wie Publi kum, Stück und Dramcnschreibcr. Er war ein seiner Kenner, des Publikums Herr und Gebieter, ein Bcifallspädagvg. Man schämte sich, wenn man klatschte, ohne daß er zuvor ge prügelt hatte. Man war rehabilitiert, wenn allgemeine Be geisterung, die sich allzu hastig vorgcwagt hatte, noch nach träglich die Weihe seines Spektakels erfuhr. Einmal war der Sargmacher krank. Man sah sich nach einem Ersatz mann um, aber cs war ein schmähliches Fiasko. Die Säulen auf dem Olymp blieben ohne allen Eindruck. Die Stücke fielen durch, die Schauspieler waren mißvergnügt, denn auf den Beifall des Pöbels gaben sie nichts. Der Ersatzmann war ein Schlcmibl. Jedesmal, wenn die Szene unten lyrisch wurde, hieb der Untalentierte ein, daß das Haus in seinen Fugen krachte. Jedesmal, wenn der Heroismus der Helden ihm eigentlich die ganze Wucht eines heiß entflammten Tem peramentes abnötigen sollte, blieb er stumm und machte ein dummes Gesicht. Er hatte bei seinen Schlägen keinen Takt. Offenbar waren seine Muskeln für dramatische Vorgänge auch nicht ganz sv empfänglich, wie die des Sargmachers; sie vibrierten nicht so, sie waren nicht intelligent. „Dieser Sargmacher haut niemals aufs Geratewohl zu. Er trifft immer den Nagel auf den Kopf. Die ganze, unglaubliche Elementarkrast seiner Streiche muß unbedingt eine Vor stellung von der Macht seiner Ucberzcugung geben. Sein Eifer für einen guten Autor, für ein junges aufstrebendes Talent wirkt geradezu verheerend. Er zerschmettert einfach alles. Pfeiler, Brüstung. Scheidewand, — sie sind verloren, wenn sie es wagen, sich dem Ausdruck seiner Bewunderung, seines Beifalls, seiner unbcirrten Ehrlichkeit entgegenzu stellen." Der „Spcktator" beschäftigt sich hauptsächlich mit der Art von Sargmachcrs Rezensionen, mit seiner ethischen Zuverlässigkeit. Addison ist vorsichtig und bedenkt für den Fall, daß er selbst noch einige Stücke schreiben sollte, auch schon die Zukunft des englischen Theaters. Zu Nutz und Frommen seiner Landsleute schlägt er vor, nach dem Tode des Sargmachcrs oder, wenn sein Arm durch Alter und Krank heit an Kraft verlieren sollte, das Amt einem „kräftig gebauten Kritiker" zu übertragen und aus öffentlichen Kosten einen Vorrat von verschiedenen Stöcken zu bestreiten. Addison hatte Stil: Bambus für Opern, Knicholzknüppel für Lust spiele und Eichcnprügcl für die Tragik. „Man muß diesen Platz nach Verdienst besetzen. Es soll keiner zugelassen wer den, der nicht für seine gediegene Urteilsfähigkeit und zu gleich auch stir seinen starken Arm überzeugende Beweise hat. Es dürfte keiner zugclassen werden, der nicht gelegentlich einen Ochsen Niederschlagen oder einen Kommentar zur urs pcxniea des Horaz schreiben kann. Alles in allem: eine glückliche Mischung von Herkules und Apollo ist auf diesem Posten nötig, damit unsere Nachkommen den Sargmacher nie vermissen." Und zuletzt ist Addison auch noch großmütig: in Zukunft soll solch wertvolle Kraft auch würdig bezahlt werden. . . Seither hat man den Herren, die Sargmachcrs prak tischere Erben waren, das Helle, allabendliche Entzücken reich genug gelohnt. Sie richteten sich ein, so bequem es ging, sie organisierten die Begeisterung, sie fanden früh auch den Meister ihrer Zunft. Zwei Generationen nach dem plum pen Bcrfcrkerenthusiasmus des Londoner Ahnherrn saß Auguste, der gute „Monsieur Auguste", im Parkett der Großen Oper und applaudierte mit behandschuhten Händen. Von Dr. Veron, der nach Heines Pariser Berichten „den Tempel der Güttin verschönert, aber sie selbst zur Tür hin- ausgeschmisscn" hatte, waren diesem Kommandeur der Triumphe, diesem Großmeister und gutmütigen Tyrannen aller Klatscher auf Zeit, die gleichen Tore weit und willig geöffnet worden, durch die die Musik so schleunig flüchtete. Monsieur Auguste hatte zum erstenmal den Schwung, den tieferen Sinn, den Stil für sein Gewerbe ganz erfaßt, er hob seiner Hände Arbeit zu einer Macht empor, er war ein Schlachtengott gleich Bonaparte und, wenn er bescheiden war, hielt er sich für einen Künstler. Er batte eine Armee, er exerzierte sie ein, er hielt auf Disziplin. Bevor er sich in der Oper zeigte, zeigte er sich in einer Weinstube. Es war sein Feldlager, sein Kriegsrat, seine letzte Revue. Er übersah seine „Detachements" und ernannte die „Leutnants", die sie führten. Oft befürchtete er, daß „der Feind" zu stark sein werde, dann befahl er den Hilfstruppen den „sorrs- dnqrlours", sich gleichfalls bereit zu halten. Er hatte das Schlachtfeld genau studiert, marschierte eine Viertelstunde vor dem Feind, der seine Billetts bezahlte, feierlich in den Saal und gab lächelnd die letzten Parolen. Und es war ein strenger, kriegsherrlichcr, unantastbarer Befehl, wenn Mon sieur Auguste nach einer Szene mit den Augen blinzelte, weil die Seinen allzu tapfer waren, cs war ein stolzes und alles entscheidendes Kommando, wenn er erst selbst die Hände hob. Er hatte seine Kriegsartikel, stellte zur Disposition, hatte schlichten und infamen Abschied und beförderte. Und wie Bonaparte, nabm er aller Unterseldhcrrcn Verdienste ganz selbstverständlich für sich in Anspruch. „Aas habe ich für einen Erfolg gehabt!" Es war sein siebendes Wort. Er sah den 'Direktor, den Regisseur, die Sänger über die Achsel an, wenn sic sich manchmal verschiedene Dinge ein bildeten. Aber meist sah er sie dann überhaupt nicht mehr an. . . Er war eine Großmacht. Er merkte es bald, daß er ohne eine gewisse Diplomatie nicht austommen konnte, und auch als Diplomat war er unvergleichlich. Von Veron nahm er fabelhafte Preise, denn er wußte wohl, daß ein Veron ohne ihn bedaucrungswürdig war. Er selbst bedauerte auch die armseligen, jungen Anfänger, die sich vergeblich um die Gunst des Publikums bemühten, und auch von ihren Protei- toren nahm er fabelhafte Preise. Seine Schachzügc waren nicht nur unerforschltch, sie blieben auch unerschöpfl. Einem unbekannten Tenor klatschte er die Gage in die Höhe, denn für einen Star, der plötzlich aller Gunst genoß, war Herr Veron nicht zugeknöpft. Und cs genügte, daß einmal die Gage dann festgesetzt war: August: war vielbeschäftigt und, wenn Veron sich noch über seine Großmut ärgerte, hatte sein Obst' cks claqus schon wieder Kontrakt mit einem neuen Star geschlossen. Er erfand die seltsamsten Gerüchte, wenn es Veron zu überlisten galt, er dichtete allen Königen Euro pas Liebschaften an, die den Direktor um seine Primadonnen zu bringen drohten. Er erzählte von den lockendsten Ver trägen, die einer der Sänger bloß zu unterzeichnen brauchte, um einer Hofbühnc des Auslands anzugehörcn: — Veron zitterte, Auguste klatschte, Veron zahlte. Dennoch war er ein Gentleman. Ein Mann von Grundsätzen, der nie ruhig zugeschen hätte, daß sein Direktor ruiniert würde. Veron hatte ein unbegrenztes Vertrauen zu ihm — trotz seiner Streiche —, er achtete „sein Urteil", und die Kasscnrapportc der Oper steigerten seine Gefühle für Auguste bis zu einer kame radschaftlichen, edlen Neigung. Er lud die Großmacht zu seinen Konferenzen, zu seinen Proben wn, er war beruhigt, wenn nur die Großmacht nicht die Nase rümpfte. Auguste hatte keine Ahnung, was eine Note war, und bis in sein spätes Alter hat er es nie erfahren, wie man einen Sopran von einem Baßbuffo ohne große Irrtümer unterscheidet. Aber er hatte tausend Bataillen geschlagen, er kannte seinen Geg- ncr, vielleicht war er ein Ironiker und wußte, daß auch dieser Gegner nicht ohne Irrtümer war. Und Veron bat es nie versucht, ihn zu belehren, ihm eine Uebcrzeugung aufzu drängen und die kleine Rede, durch die er Monsieur Auguste in sein Amt ausnahm, dürste die einzige gewesen »ein, die er ihm überhaupt hielt. „Sie haben eine schöne Aufgabe. Sie haben große Pflichten zu erfüllen: Streitigkeiten bei zulegen, den Schwachen gegen die Starken zu helfen. Gegen das Publikum keine Opposition! Sie werden den Beifall unterlassen, wenn cs dies so will. Geben Sie, mein Herr, ein Beispiel ven Höflichkeit und guter Sitte. Seien Sic friedfertig, wirken Sie beruhigend, und vor allem: verhin dern Sie alle feindlichen Kombinationen, alle ungerechten Koalitionen gegen meine Künstler und gegen die Werke der Autoren." All dies hatte Monsteur Auguste sich trefflich vermerkt. Und zum glorreichsten Vorbild aller Claqueure b«t ibn in der Tat erst die eine hübsche, für ibn und Veron gleich wertvolle Eigenschaft gewacht, die Sargmachers un geschickter Enaftmann «ich: besaß: daß er Takt hatte. — den Takt in jederlei Hinsicht. . .
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