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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.07.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-07-04
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980704016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898070401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898070401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-07
- Tag1898-07-04
- Monat1898-07
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BezugS-Prel- A> t« -«-Urpedttton oder den im Stadt« tmtrk und den Vororte» errichteten Lu«- aabestelle» abgeholt: vierteljährlich^14^0, bet zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau« ^lb-bO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich S.—. Direkte tägliche Krruzbandsendung ins Ausland: monatlich 7-bO. Die Morgen-Ausgabe erscheint um V,? klhr. di» Ubeud-Au-gabe Wochentag« um b Uhr. NrLartton und Expedition: J»hanne«gasse 8. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochelt geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: Dtt« Klemm'« Sortim. (Alfred Hahn), U»iversität«strabe 3 (Paultnum), Laut« Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und KSnigSplatz L Morgen-Ausgabe. WpMcr Tlicstblalt Anzeiger. Amtsblatt des Hömglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Ratljes und Nolizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen.PreiS die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reklamen unter dem RrdacttonSstrtch (4gs» spalten) LO>H, vor den Famtlieanachricht» (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Dabellarischer und Zissernsay »ach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrsörderung 60.—, mit Postbrsörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 332. Montag den 4. Juli 1898. 92. Jahrgang. Amtlicher Theil. Konkursverfahren. Heber das Vermögen des Buchbinders und früheren Kleiderstoff händlers Johann Carl Friedrich Hoffmann in Leipzig, Anton- straße 11 wird heute am 14. Juni 1898, Mittags °/«1 Uhr, das Konkursverfahren eröffnet. Herr Rechtsanwalt Hautz hier wird zum Konkursverwalter ernannt. KonkurSforderungen sind bi« zum 21. Juli 1898 bei dem Gerichte anzumrlden. Es wird zur Beschlußfassung über dir Wahl eines anderen Ver walters, sowie über die Bestellung eines Gläubigerausschusses und eintretenden Falle- über die in Z 120 der Konkursordnung be- zeichneten Gegenstände auf den 6. Juli 1898, Vormittag« 11 Uhr, und zur Prüfung der angemeldeten Forderungen auf den 3. August 1898, Vormittags 11 Uhr, vor dem unterzeichneten Gerichte, Zimmer 165, Termin anbcranmt. Allen Personen, welche eine zur Konkursmasse gehörige Sache in Besitz haben oder zur Konkursmasse etwas schuldig sind, wird aus gegeben, nichts an den Gemeinschuldner zu verabfolgen oder zu teilten, auch die Verpflichtung auferlegt, von dem Besitze der Sache und von den Forderungen, für welche sie aus der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Konkursverwalter bis zum 14. Juli 1898 Anzeige zu machen. Königliche« Amtsgericht zu Leipzig, Abth. II Hl, am 14. Juni 1898. Bekannt gemacht durch den Gerichtsschreiber Sekr. Beck. Nachlaß-Auktion. «IO» S. Untier., nn«l tl«»Is;Oii<kv Vr»x-O, von Vormittags 10 Uhr ununterbrochen bis Nachmittag« 2 Uhr. kommen im Auftrage des Herrn Rechtsanwalt vr. Korman» auS Vahnhosstrasze 8, Part., eine große Partie Möbel, als: Piüschgarnitnre», 2 Büffets, Schreib tische, Eommodcn, Tische, Stühle, HSartenmöbel, ferner Reise koffer «nd -Taschen, Kisten, ein großer Posten Porzellan- nnö StcingntgegcnstänSc, Nippe«, vorzügl. Federbetten, die Kücheneinrichtung, 1 amerikanischer und 1 Fnllofcn» sowie Kupferstiche, Lelgemäldc (in div. Rahmen) und eine Anzahl Aquarelle öffentlich meistbietend zur Versteigerung. ISOmlillrl, Localrichter. Sächsische Surgen und Schlösser. Nachdruck verboten. Munter begrüßt des Thorwarts Trommele die nahenden Gäste: Offen ist Fallbrück und Thor. — Auf zum Beschauen der Burg! Wohl jeden Wandersmann, der rüstigen Schrittes mit leichtem Ränzlein aus dem Rücken und den festen Wanderstab in der Hand, fröhlichen Sinnes die Thäler und Berge, Wälder, Wiesen und Fluren unseres an landschaftlichen Schönheiten reichen Vaterlandes durchwandert, ergreift beim Anblick einer majestätischen Burgruine ein eigenthümlichcs, gemischtes Gefühl. Sinnend steht er vor dem Zeugen einer längst entschwundenen Zeit; seine Gedanken verweilen da unwillkürlich bei Denen, die einst innerhalb dieser Mauern ein freies, ungebundenes Leben führten, bei den ritterlichen Gestalten des Mittelalters. Vor seinem geistigen Auge wandeln die „Ritter stolz und kühn", denen persönlicher Muth die Würde verlieh und die mit tapferer, kräftiger Hand dem Gegner voller Kampfesmuth entgegentraten. Die verfallene und verfallende Ruine aber mahnt ihn auch an die Vergänglichkeit alles Irdischen. Der stolze Bau, der einst dem kühnsten Angriffe trotzte, dem Zahne der Zeit oder den verbesserten Waffen ist er zum Opfer gefallen, und kaum noch sind die Spuren zu erkennen von den Orten, wo einst der tapfere Burgherr sich im ritterlichen Turnen übte, wo er gastfrei mit gleichgesinnten urkräftigen Waffenbrüdern fröhlich zechte oder im Turnier seine Geschicklichkeit und Kraft mit dem Gegner maß. Selten noch erkennt er die Stätte, an der die treue, edle, sorgasme Burgfrau mit ihren sittigen, fleißigen Töchtern schaltete und waltete, wo sie unter den Mägden webte und spann, wo sie bei festlichen Gelegenheiten voller Anmuth den schäumenden Becher kredenzte und das leckere Mahl anrichtete, wo sie mit freundlichem Wort, mit Gesang und Zitherspiel ihre Gäste erheiterte. Das verfallene Gemäuer predigt eindringlich: „Ein Raub der Zeit ward, was die Zeit gebar." Vor seinem Auge aber ziehen auch jene unedlen Gestalten vorüber, die er nicht als Muster echter Ritterlichkeit in Muth, Ehre und Edelsinn bezeichnen kann, die auf dem steilen Felsen an der Heerstraße hausten und herabfielen mit ihrem elenden raubgierigen Gesindel, um den friedlichen Handelsherrn, den vorllberziehenden Reisenden meuchlings zu überfallen, ihn zu plündern, gefangen zu nehmen, zu morden oder ihn auf die Burg zu schleppen und dann erst freizugeben, wenn er ein schweres Lösegeld gezahlt. Und solcher Raubritter gab es nicht wenige, gar manche Ruine wird ihn auf seiner Wanderung an solche unedle Gestalten erinnern; aber auch an Jene, die in edlen Waffenthaten eintraten für Kaiser und Reich, für Unschuld, Recht und Freiheit. Diese Ruinen werden interessanter, wenn man ihre Ge schichte kennt, es sollen darum im Nachstehenden die haupt sächlichsten Burgen und Schlösser Sachsens eine kurze geschicht liche Beleuchtung erfahren. Zu den unstreitig schönsten, größten, ältesten und auch besterhaltenen Burgen Sachsens gehören die Burgen Kriebstein und Rochsburg, sie sind zwei Perlen land schaftlicher Schönheit im Thale der Zschopau und Zwickauer Mulde. Beide Thäler sind reich an eigenartigen landschaftlichen Reizen, aber um diese Burgen her hat die Natur in ver schwenderischer Freigebigkeit eine Fülle landschaftlicher Schönheit ausgegofsen. Das Thal der tosenden Zschopau ist in allen seinen Theilcn höchst angenehm, den Glanzpunkt desselben aber findet der Wandersmann um Schloß K r i e b st c i n her. Prächtige Waldungen breiten sich rings um die Burg her aus, unten rauscht die Zschopau, an ihren Ufern breiten sich saftige Wiesen weithin aus. Auf felsigem Vorsprunge erhebt sich die heute noch stolze Ritterburg, sie liegt nicht in Trümmern wie viele ihrer verfallenen Schwestern weit im Lande umher, in ihrer vollen Pracht und Herrlichkeit grüßt sie den Wanderer von ihrer luftigen Höhe herab. Aus dem Thale der Zschopau steigt mächtig der Schloßfclsen empor und trägt die herrliche Burg, die von einem Hauptthurm und sechs kleineren Thürmen geschmückt ist. Das alte Burggemäuer umrankt dichter Epheu, uralte Bäume beschatten und verdecken theilweis die Burg oder geben ihr einen malerischen Hintergrund. Man muß beim Anblick dieses stolzen Baues gestehen, daß der Erbauer desselben thatsächlich einen guten Blick für die Schönheiten der Natur besessen hat. Unter der großen Zahl der Burgen Sachsens ist Kriebstein — in älteren Urkunden wird es Crywenstein genannt — eine von den wenigen, deren Erbauer und Erbauungsjahr man be stimmt weiß. Vom Jahre 1382 bis 1407 erbaute sich Nitlcr Dietrich von Bernwalde inmitten der ihm gehörigen Herrschaft Kriebstein dieses herrliche Schloß. Kaum hatte er die Burg bezogen, als auch schon der Ritter Staupih von Reichenstein verlangend nach dem wundervollen Bau seine Hand ausstreckte. Am Fastnachtstage des Jahres 1415 gelang es dem Ritter Staupitz von Reichenstein, die Burg zu erobern, und der Er bauer mußte die Hilfe seines Lebnsherrn, Friedrich's desStreit- baren, aurufen, um wieder in seinen Besitz zu gelangen. Mit Unterstützung der Bürger von Freiberg, Rochlitz und anderer Städte gelang es Friedrich dem Streitbaren, Staupitz aus dem fremden prächtigen Neste zu vertreiben. Staupitz schwebte während der Belagerung in größter Gefahr, denn mit Recht war Friedrich der Streitbare auf ibn aufs Höchste erzürnt, nur der treuen Fürsorge seiner Gemahlin hatte er sein Leben zu danken. Friedrich bot der Hausfrau freien Abzug von der Burg an, er gestattete ihr sogar, das mit sich nehmen zu dürfen, was ihr am liebsten sei. Da ließ die treue Gattin ihr Ge schmeide und ihren Schmuck zurück, nahm ihren Gatten auf den Rücken und als das schwere Burgthor sich öffnete und di; Fall- brückne niedcrrasselte, da betrat die Gemahlin Staupitzens mit ihrer schweren Last dieselbe, nm den Burgherrn zu retten. Friedrich war anfänglich gar nicht gewillt, seiner Zusage diese Deutung aebcn zu lassen, ließ es später aber doch zu, und so entging Staupitz seiner Strafe, denn Friedrich schenkte ihm Freiheit und Leben. Nach der Eroberung gab Friedrich der Streitbare die Burg Kriebstein nicht dem Erbauer und Eigentümer zurück, denn er wollte ihn strafen, weil Ritter Dietrich von Bernwalde seine Lehnspflichten gegen Friedrich vernachlässigt hatte. Bald darauf kam Burg Kriebstein in Besitz der reich begüterten Familie von Vitzthum, die sie aber in den bald darauf folgenden Wirren des Bruderkrieges (1446) wiederum verlor. Sie kam als einstweilige Entschädigung an Kunz von Kaufungen, dessen Güter in Thüringen von Wilhelm, dem Herzog von Sachsen, besetzt worden waren. Durch den Frieden von 1450 kam Kunz von Kaufungen wieder in Besitz seiner thüringischen Güter, er wollte aber auch die Vitzthum'schen Besitzungen behalten, be sonders wollte er sich dos nahe bei Kriebstein gelegene Schweickershain zu einem stattlichen Rittersitze ausbauen. Da er freiwillig den Besitz nicht aufgeben wollte, wurde er mit Gewalt dazu gezwungen, was ihn veranlaßte, aus Rache Friedrich dem Sanftmülhigen seine Söhne aus dem Schlosse zu Altenburg zu rauben. Nach dem Bruderkriege haben die Besitzer von Kriebstein oft gewechselt. Zunächst kam die Burg an die Familie von Schleinitz, dann an die von Ende, später an den Herzog Georg von Sachsen, der sie 1529 um 20 000 Gulden an Ernst von Schönburg verpfändete. Nachdem Kriebstein acht Jahre lang Pfand gewesen, löste cs Herzog Georg von Sachsen wieder ein und gab es der verwittweten Herzogin Elisabeth von Sachsen als Wittwensitz und Leibgedinge. Von dieser kam es an den Kurfürsten Moritz von Sachsen, dieser vertauschte es mit Schönfeld, welches seinem geheimen Rathe, dem Staatsmann und Gelehrten von Earlowitz gehörte. Unter von Carlowitz ward der Besitz der Herrschaft Kriebstein bedeutend vergrößert, nach seinem Tode theiltcn seine vier Söhne das Ganze in vier Theile, cs entstanden die Rittergüter Ehrenberg, Schweickers hain, Waldheim und Kriebstein. Noch oft wechselte letzteres seine Besitzer, in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts kam cs in Besitz derer von Arnim. Die Burg ist auch jetzt völlig bewohnbar, noch steht sie so vor den Augen des Wanderers, wie sie Ritter Dietrich von Vcrnwalde vor über fünfhundert Jahren erbaute. Der Blick von der Burg auf die Umgebung ist entzückend. Tief unten rauscht die tosende Zschopau über ein Wehr, um sich dann durch eine Brücke zu winden. An dem Schloßfelsen bricht sich das Wasser mit großer Gewalt und manchem Flösser schon ward an dem Felsen von der Gewalt des Wassers sein Floß zertrümmert und er selbst mußte in größter Gefahr sehen, daß er einen an dem Schloßfclsen eingelassenen eisernen Ring erhaschte, um das nackte Leben zu retten. Den herrlichsten Blick hat man von der Rüstkammer, in letzterer werden alte Rüstungen und Feldschlangen aufbewahrt. Die Feldschlangen sind sehr alt und rühren aus der ersten Zeit der Pulvererfindung. Im Speisesaale finden sich noch einige alte Gemälde, das eine stellt die Scene dar, wie die Gattin des Ritters Staupitz diesen aus dem belagerten Schlosse trägt. Unter dem Speisesaale be findet sich die Burgcapellc, welche vollständig in den Felsen gehauen ist, ebenso Kanzel und Altar. Von der gegenüber liegenden Höhe grüßt den Wandersmann, der sicherlich von dem alten Ritterschlosse nur- ungern Abschied nimmt, Schloß Ehrenberg, dessen Schicksale mit dem Schlosse Kriebstein auf's Engste ver knüpft sind, da cs zur Herrschaft Kriebstein gehörte. Bei der Wanderung an der Zschopau aufwärts gelangt man an eine der ältesten Burgen Sachsens, an Burg Sachsenburg, welche eine halbe Stunde von Frankenberg entfernt ist. Diese alte Veste erhebt sich auf einer mäßigen, bewaldeten Anhöhe, der Feuilleton. Johann ohne Land. Von Norbert Oberhuber. Nachdruck cvrbolrn. Erschrick nicht, lieber Leser! Nicht von jenem Johann ohne Land sollst Du unterhalten werden, der als ränkcvoller Bruder des Königs Richard Löwenherz Dir aus Walter Scott's Jvanhoe in unfreundlicher Erinnerung ist. Nein, wir geben selbstherrlich diese Bezeichnung einem viel braveren Manne, weil sie gleich den wesentlichsten Grund angiebt, weshalb er in der einzigartigen Stellung, die er vor 50 Jahren durch den Beschluß der deutschen Nationalversammlung erhielt, nichts erreichen konnte. Ja, Erz herzog Johann hat als deutscher Reichsverwescr die deutsch« Sache nicht gefördert, aber doch verlohnt es gar wohl, sich an diesem Tage seiner zu erinnern. War er doch als Reichsverweser ein Vorläufer des später erblühten deutschen Kaiserthums. Als einen solchen Vorläufer hatten ihn sich auch die patriotischen Männer gedacht, die ihn am 29. Juni 1848 mit großer Mehrheit zum Reichsverweser ernannten. Sie waren zu der Erkenntniß gekommen, daß die Nationalversammlung in Frankfurt nach außen hin nur Eindruck machen könne, wenn sie eine Spitze besäße. Es sollte eine Centralgewalt geschaffen werden, die dem später zu wählenden deutschen Kaiser die Wege ebnen sollte. Wer war Erzherzog Johann und warum würdigte ihn die aus den tüchtigsten Männern der Nation bestehende Frank furter Versammlung ihres Vertrauens? So weit er bei großen Actionen in die Öffentlichkeit getreten war, hatte er nicht sehr gut abgeschnitten. Das österreichische Kaiserhaus schien zu seinem Genie ein recht übertriebenes Vertrauen zu haben, als der kaum 18 jährige Prinz im Jahre 1800 zum Generalissimus der öster reichischen Armee in dem Kriege mit Frankreich gemacht wurde. DaS Vertrauen rächte sich, denn der Erzherzog wurde bei Hohen linden aufs Haupt geschlagen. Auch in den späteren Kriegen gegen Napoleon entwickelte der junge Fürst mehr Eifer und Muth als Feldherrngenie. Die Erinnerung an seine kriegerischen Lorbeeren war es also nicht, die die Versammlung zu seiner Wahl veranlaßte. Aber man wußte gar wohl, daß der Fürst in den 30 Jahren, die seit den Kriegen vergangen waren, nicht das unthätige Leben eines hochgeborenen Müßiggängers geführt, sondern durch ernste, bürgerliche Arbeit seinem Lande Segen gebracht hatte. Besonders den Süddeutschen und den Oester reichern war es bekannt, daß das schöne Steiermark dem Erz herzoge Johann außerordentlich diel zu verdanken hatte. Seine Thätigkeit war eine vielseitige. Er förderte, wo er nur konnte, die Kunst und die Wissenschaften; er richtete ländlich« Muster- wirthschaften ein und gründete landwirthschaftliche Vereine. Er war auch unausgesetzt für die industrielle Entwickelung Steier mark- thätig, kaufte, um die Industrie anzuregen, selbst in dustrielle Unternehmungen an und gründete Vereine zur För derung von Industrie und Gewerbe, Zeichnenschulen für Gewerbe treibende u. s. w. So führte er in der stillen Zeit der 30 er und 40 er Jahre ein ruhige«, wohl angewandte? Leben. Und doch war diese- Leben von einem romantischen Reize umwoben, der nicht wenig dazu beitrug, dem Erzherzoge die Stimmen auch von Männern zuzuführen, die sonst für einen Angehörigen der hohen Aristokratie keine Sympathie übrig hatten. Der Erzherzog hatte im Jahre 1819 auf einer Gebirgsreise die Tochter eines einfachen Postmeisters zu Aussee in Obersteiermark kennen gelernt. Der 37jährige Erzherzog faßte sofort zu der 16 jährigen schönen Anna Plochl eine tiefe Neigung und be schloß, sie zu seiner Gattin zu machen. Man kann sich denken, daß der Wiener Hof über die Absicht des Prinzen geradezu entsetzt war. Vier Jahre lang mußte Johann mit den Vor- urtheilen des Kaiserhofes kämpfen, bis endlich 1823 Kaiser Franz seine Einwilligung gab. Die officielle Bewilligung besagte aber nicht etwa, daß der Hof nun innerlich mit der Ehe des Prinzen einverstanden gewesen wäre. Der Erzherzog mußte vielmehr in halber Verbannung leben, in der er aber, wie wir gesehen haben, ein nützlicheres Dasein führte, als wenn er am Wiener Hofe von einem Feste zum anderen geeilt wäre. Es war kein Wunder, daß die Geschichte der Ehe des Erzherzogs ihm in vielen Kreisen die lebhaftesten Sympathien erwarb. Dazu kam, daß der Erzherzog in dem Rufe einer treuen deutschen Ge sinnung stand. Dies wurde vornehmlich durch den berühmten Trinkspruch bewirkt, den er im Jahre 1842 bei der Grund steinlegung der Neubauten zum Kölner Dome gehalten hatte. Damals sprach er in Gegenwart Friedrich Wilhelm's IV. den Satz aus, oder es wurde ihm wenigstens dieser Satz fälschlich in den Mund gelegt: „Kein Preußen, kein Oester reich, ein großes, einiges Deutschland, so fest und frei wie seine Berge." Man kann sich denken, welch gewaltigen Widerhall bei der Stimmung jener Zeit diese Worte fanden. Auch der Umstand, daß er wegen seiner deutschen Gesinnung bei dem Wiener Hofe in halber Ungnade stand, er höhte natürlich die Sympathien für ihn. Es ist bezeichnend für jene Zeit, daß ein ihn huldigendes Gedicht verboten wurde, weil es die folgenden Verse enthielt: Wer klimmt hinan den Wolkensteg Verwegen auf dem Gemsenweg? Das ist ein deutscher Mann, Ist unser Prinz Johann. ES war eben damals für einen österreichischen Prinzen etwas gar zu Ungehöriges, ein deutscher Mann zu sein. So war der Mann beschaffen, der zum Verweser des deutschen Reiches gewählt wurde. Seine Abholung durch eine Deputation, seine Reise durch Deutschland, die Begrüßung in Frankfurt, all dies vollzog sich mit einem Uebermaß von Pathos und Gepränge, welches für jene Zeit d«s Wiedererwachens Deutschlands charakteristisch ist. Die Deputation bestand aus sieben Männern aus allen Theilen D«utschlands. Von bekann teren Namen waren darunter: Heckscher aus Hamburg, Raveaux aus Rheinpreußen (beide demnächst Mitglieder des ersten von dem Reichsverweser gebildeten Reichsministeriums), und von Saucken-Tarputschen, der später sehr bekannte fortschrittliche ostpreußisch« Abgeordnete. Das flaggengeschmückte Dampfschiff, welches am 4. Juli die Deputation bei Nußdorf landete, wurde unter unendlichem Jubel und mit Böllerschüssen begrüßt. Tags darauf bedab sich die Deputation unter Kanonendonner und Glockengeläut nach der Reichskanzlei am Burgplatze in Wien, um sich dem Erzherzog vorzustellen. Heckscher und Erzherzog Johann hielten schwungvolle Reden, dann trat Deutschlands erster Reichsverweser auf den Balcon, Arndt's Lied vom deutschen Vaterlande wurde angestimmt, und ungezählte Tausende jubelten dem Fürsten zu. Unter ähnlichen jubelnden Zurufen der an allen Stationen sich drängenden Menschcnmasscn wurde wenige Tage später die Reise durch Mittel- und Sllddeutschland zurück gelegt. Eine für die damalige Zeit und zugleich für die Fähigkeit des Erzherzogs, sich populär zu machen, bezeichnende Episode trug sich in Jena zu. Dort wurde er von den Burschenschaftern am Bahnhofe erwartet und mit schwungvoller Ansprach« begrüßt. Nach seiner Erwiderung nahm der Redner der Burschenschafter nochmals das Wort und sagte: „Hoher Herr! Erlaubst Du wohl, daß wir Jenaischcn Burschen Dir bis zur nächsten Station das Geleit geben? Du ehrst damit unser Jena und uns machst Du unaussprechliche Freude." Gemächlich erwiderte der Erz herzog: „Ja, wenn Ihr Platz findet, so seht Euch mit hinein", und so fuhren denn die Studenten mit dem Erzherzoge zusammen zur nächsten Station. Besonders glanzvoll war natürlich der Empfang, der dem Erzherzoge in Frankfurt bereitet wurde. Die Bürgercavallerie war zu seiner Einholung aus den Stadtthoren hinausgerückt, die Bürgerartillerie hatte am Thore Aufstellung genommen. Die Innungen und Gewerke und die Abteilungen der Stadt wehr bildeten bis zur Wohnung des Reichsverwesers Spalier. Am Abende — es war der 11. Juli — wurde dem Reichsverweser ein großartiger Fackelzug dargebracht. Am nächsten Tage fand die feierlich« Einführung des Erzherzogs in die Nationalvcr sammlung statt. Welche Bedeutung diesem Momente bcigelegt wurde, dafür legen die Worte, mit denen Präsident von Gagcrn seine Ansprache an den Erzherzog einleitete, Zeugniß ab: „Von der gegenwärtigen Stunde, in welcher die neu constituirten Ge walten des geeinigten Deutschland an dieser Stelle sich verbinden, zählt eine neue Zeitrechnung unserer Ge schichte." Die Erwiderung des Erzherzogs auf diese An sprache hatte einen gar energischen Schluß: „Hat man einmal den Entschluß gefaßt, so muß man sich ganz dem widmen, wozu man berufen ist, nämlich der deutschen Nation." Es ist nur natürlich, daß die Nationalversammlung, die bis zu diesem Momente in einem der Weihe des Augenblicks würdigen Schweigen verharrt hatte, bei diesen schwungvollen und ent schiedenen Worten in einer brausenden Jubel ausbrach. Damit hörten die Tage festlicher Erregung auf, und die Zeit, wo sich in ernster Arbeit zeigen sollte, ob der Reichsverweser den auf ihn gesetzten hohen Hoffnungen entsprechen würde, war heran gekommen. Der Reichsverweser sollte bald genug erkennen, daß das Vertrauen des Volkes ihm die fehlende Macht nicht ersetzen konnte. Er hatte voll freudiger Zuversicht zu den Jenenser Burschenschaftern gesagt: „Ja, Kinder, Ihr sollt bald Thaten hören." Die erste That sollte nun die Huldigung sein, die auf Geheiß des ReichskriegSministeriumS am 6. August die Bundes truppen sämmtlicher Staaten dem Reichsverweser darbringen sollten. Nur ein Theil der Staaten kam dem Verlangen nach, aber gerade die größten, Preußen und Oesterreich, schlossen sich aus. Was sollte der Reichsverweser thun? Er besaß nicht die mindeste Macht, die beiden größten deutschen Bundesstaaten zu zwingen, den Befehlen der Frankfurter Lentralgewalt nach zukommen. Das Verhältniß zu Preußen erhielt sich immerhin zunächst noch erträglich und wurde durch die persönliche Zu sammenkunft mit dem preußischen Könige bei dem Dombaufeste in Köln noch freundlicher gestaltet. Oesterreich aber ignorirte zunächst den Reichsverweser, bis dann freilich die Zeit kam, wo man von seinen Diensten mit großem Vergnügen Gebrauch machte. Einen starken Stoß erlitt die Stellung und das An sehen des Reichsverwesers durch die Frankfurter Pöbelausstände in der zweiten Hälfte des September, bei denen der Fürst Lichnowsky und der General von Auerswald auf die nieder trächtigste Weise ermordet wurden. Wenn am Sitze der Central gewalt derartige Schreckensthaten verübt werden konnten, so zeigte es sich wieder einmal, wie machtlos diese Gewalt war. Noch trüber wurde für den Reichsverweser die Situation, als es sich um die Wahl eines Kaisers, für den er ja von vorn herein nur Platzhalter hatte sein sollen, handelte. Es zeigte sich, daß die Mehrheit der Nationalversammlung für eine preußische Spitze des Reiches und für die Entfernung Oester reichs aus Deutschland eintrat, was natürlich für ein Mitglied des Hauses Habsburg und einen Oesterreicher nicht sehr er freulich sein konnte. Dazu kam, daß der Erzherzog, der sich ja schon im vorgerückten Alter befand — er war 66 Jahre alt — im Januar 1849 an einem Lungenleiden nicht un bedenklich erkrankte. So war es begreiflich, daß er den Wunsch aussprach, von seinem undankbaren Amte zurückzutreten. Bald aber kam die Zeit, wo er nicht nur diesen Wunsch wieder zurück- nahm, sondern sogar trotz des ausdrücklichen Verlangens Preußens, er möge von seinem Amte zurücktreten, seine Stellung beibehielt. Friedrich Wilhelm IV. hatte wider Erwarten di? Kaiserkrone abgelehnt und dadurch war eine völlig neue Lage geschaffen worden. Jetzt mußte der Reichsvertveser im öster- reichisck)«n Interesse in Frankfurt bleiben, um nach Möglichkeit das Wiederauftauchen einer Combination, welche Preußen noch- mals an die Spitze bringen konnte, zu Hintertreiben. So legte der Erzherzog erst am 10. December 1849, als jede Möglichkeit der Einigung Deutschlands längst geschwunden war, sein Amt als Reichsverweser nieder. Es soll dem Erzherzog Johann nicht vcrübelt werden, daß er in der zweiten Hälfte seiner Thätigkeit viel mehr österreichischer Geschäftsträger, als deutscher Reichsverweser war. Er war schließlich ja doch eben ein habsburgischer Prinz, dem die In teressen seines Hauses am nächsten lagen. Zudem hatte er in den 1H Jahren seiner Thätigkeit als Reichsverweser wohl ein sehen müssen, daß für ein einiges Deutschland die Zeit noch nicht gekommen war. Hatte er auch wenig erreicht, so l>atte er doch durch sein persönlich liebenswürdiges Wesen auch in Frank furt sich die lebhafteste Sympathie erworben. Bürger und Militair wetteiferten bei seinem Abschiede, ihm ihre herzliche Zuneigung zu zeigen. Es war ein Mann, der wohl dieser Liebe werth war, aber nicht ein Mann, der Deutschlands Einigung hätte vorbereiten können. Denn nicht durch Liebenswürdigkeit und schöne Reden, sondern nur durch Blut und Eisen konnte der Bau der deutschen Einheit zusammengekittet werden. Es war dem Erzherzog nicht beschieden, diesen Tag zu erleben, denn bereits am 11. Mai 1859 schloß Deutschlands erster und einziger Reichsverweser di« müden Augen zum ewigen Schlaf.
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