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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.05.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-05-28
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020528016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902052801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902052801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-05
- Tag1902-05-28
- Monat1902-05
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 28 («rcl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morara-Au-aab«, ohne Postbesördenmg ^l ad.—, mit Postbesörderuug 70.—» ^uuahmeschluß für Änzeigen: Abeud-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags - Uhr. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet vou früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck uud Verlag vou L. Pol- tu Leipzig. 96. Jahrgang. Der Vertrag -er deutschen Schifffahrtsgesellschaften mit -em amerikanisch-englischen Dampfertruff. In Form einer Erklärung an ihre Aktionäre, die zum Behufe einer Statutenänderung auf den 28. Mai zu einer außerordentlichen Generalversammlung berufen wor den sind, geben Aufsichtsrath und Direktion der Ham burg-Amerika-Linie den Vertrag bekannt, den diese Gesellschaft und der Norddeutsche Lloyd mit dem Morgan - Trust abgeschlossen haben. Damit wer den offtciell die mannigfachen Mittheilungcn, die über den Inhalt dieses Vertrages bereits an die Oefseutlichkeit ge langt waren, bestätigt und in wichtigen Einzelheiten er gänzt. Das Ereigniß ist indessen von solch außerordent licher Tragweite für unser Wirtschaftsleben, daß es nach seiner Entstehung, seiner Bedeutung und Wirkung einer Er läuterung bedarf. Was -en englisch-amerikanischen Trust be trifft, so ist er aus -cm Bestreben -er Nordamerikaner her vorgegangen, an dem Seeverkehr in einem Maße theil- zunehmcn, das der Blüthe ihres Wirthschaftslebens und insbesondere ihres Außenhandels entspricht. Während vor dem Bürgerkriege die Handelsflotte der Vereinigten Staaten an Tonnenzahl nicht weit hinter der englischen zurückstand, ist seitdem die amerikanische Flagge bis in die letzte Zett aus dem Weltverkehr nahezu verschwunden ge wesen; erst seit einigen Jahren weht sie wieder auf einer kleinen Anzahl großer Dampfer in fester Fahrt. Aber noch 189g wurden von dem gewaltigen Außenhandel der Ber einigten Staaten noch nicht ganz 9 Procent auf amerika nischen Schiffen befördert. Der siegreiche Krieg mit Spanien hat den festen, von unwiderstehlichen nationalen und wirth- schaftlichen Impulsen getriebenen Willen der Nordameri kaner auf die Hebung der eigenen Schifffahrt gelenkt. Die Verwirklichung dieser weitausschauenden Pläne steht bei denselben großen Eapitalisten und geschickten Orga nisatoren, die die Controle über die großen Eisenbahn linien erlangt haben. In ihren Händen liegt also zum großen Theil die Regelung des Verkehrs der Massengüter für den Export. Wer aber die Zufuhr an die Häfen be herrscht, hat auch die Möglichkeit, die Verfrachtung für den Seeverkehr zu lenken, sobald er über eine eigne großeFlotte verfügt. Eine solche aber ist nicht von heute auf morgen gebaut, cs gehören Jahre und Jahr dazu, um diesen ge waltigen Organismus zu schaffen. Deshalb nahmen die Amerikaner neben dem Van eigener Schiffe den Ankauf fremder zu Hilfe, lind zwar wandten sie sich hierfür nach Eng la n d. Hier brachten sic zuerst die in Liverpool do- mizilirte Leylond-Linic, dann die Eanada mit England ver bindende Dominion-Linic, endlich die hochangeschcne White Star-Linie unter ihre Eontrole, indem sie den größten Theil der Actien aufkauftcn und mit der American- und der Red Star-Linie — den amerikanischen Gesellschaften — zu einer gewaltigen Kombination vereinigten. Obwohl die ange tansten Gesellschaften nach wie vor die englische Flagge führen, weil nur in den Bereinigten Staaten gebaute Schiffe das Sternenbanner führen dürfen, stehen sic doch thatsüchlich unter amerikanischer Leitung. Im Verein mit der Eontrole über die Hauptbahnen bildet dieser so geschaffene Schinfahrtstrust eine gewaltige Macht in der Hand zielbewusster und kapitalkräftiger Männer in Nordamerika. Die Kraft der englischen Con- currenz aus dem Nordatlantischcn Ocean war mit einem Schlage gebrochen; bleiben auch noch einige Gesellschaften, so vor Allem die Cunard-Linie, zunächst selbstständig außer halb des Concernö, so ändert das nichts an der so plötzlich entstandenen machtvollen Position der Amerikaner im See verkehr mit Europa. Für sic gab cs jetzt nur noch einen Concurrenten: Deutschland, und zwar hier die beiden größten Schiffahrtsgesellschaften der Welt, die Ham burg - A m e r i k a - L i u i e nnd den Norddeutschen Llond, die an Umfang der Tonnage, Vorzüglichkeit der Schiffe, Festigkeit der Organisation und Ausdehnung des Betriebes unerreicht dastehcn. Sobald die ersten Mittheilungcn in der Presse auf tauchten, daß Ptcrpout Morgan, der große Trust-Or ganisator, nunmehr beabsichtige, auch eine Reihe großer Schiffahrtsgesellschaften unter eine einheitliche Leitung zu bringen, entstand naturgemäß sofort die Frage: Wie wird sich das Verhältniß dieser neuen Macht im Seeverkehr zu den genannten beiden deutschen Gesellschaften gestalten? Werden die Amerikaner mit der Uebermacht ihres Capitals versuchen, diese großen Rhedereien, welche daS deutsche Volk als einen stolzen nationalen Besitz zu betrachten sich immer mehr gewöhnt, ebenso in ihre Hand zu bekommen, wie cs ihnen bei den englischen Linien gelungen ist? Oder wird ein gewaltiger Concurrenzkamvf ausbrechen zwischen England-Amerika auf der einen und Deutschland auf der anderen Seite? Ein Kampf, der in jedem Falle beiden Gegnern riesige Opfer aufcrlcgen und schwere Wunden schlagen und die besten Kräfte der deutschen Gesellschaften auf Jahre hinaus ausschließlich in Anspruch nehmen, die Möglichkeit neuer Unternehmungen abschnciben und ihre Leistungsfähigkeit beeinträchtigen würde? Nach dem im volkswirthschaftlichen Theilc des „Leipz. Tagebl." mitgetbcilten Inhalte des Vertrages sind alle diese Befürchtungen, die im Parlamente und in der Presse zum Ausdruck kamen, grundlos gewesen. Beide Theilc, der englisch-amerikanische Trust und die deutschen Gesellschaften, haben den Boden von Verhandlungen betreten und haben hier ihr Berhältniß in einer Weise geregelt, wie sie für Deutschland im nationalen Interesse nicht erfreulicher ge wünscht und gehofft werden konnte. Die Hamburg- Amerika-Linte und der Nordbcntschc Lloyd geben auch nicht ein Tttelchen von ihrer Selbstständigkeit und Unabhängig keit preis. Sie bleiben als gleichberechtigte und freie Macht neben dem englisch-amerikanischen Trust bestehen. Ja, cS ist sogar etwa künftig auftauchenden Bestrebungen auf eine Vereinigung der deutschen Gesellschaften mit dem Trust ein Riegel durch die von den Amerikanern übernommene Ber- pflichtung vorgeschoben worden, daß weder dtrect noch in- -irret «ährend -er ganzen Dauer -et vertrage», -er auf 20 Jahre bemessen ist, Actien der deutschen Gesellschaften für den Trust erworben werden. So bündig dies Verbot auch in -em Vertrage ausgedrückt ist, so sind die Gesell schaften doch nicht optimistisch genug, um zu meinen, daß diese Bestimmung für sich allein genügen würde, allen Ge lüsten in Amerika auf unsere größten Handelsflotten den Weg zu versperren; es gicbt ja auch noch mächtige kaplta- liftengruppcn außerhalb des Mvrgan-Cvncerns. Um diese auszuschließcn, bereitet die Hambnrg-Amerika-Linie und wahrscheinlich auch der Norddeutsche Lloyd Aenderungen ihrer Statuten vor, die die Erhaltung der Gesellschaft in deutschen Händen in der allerwirksamsten Weise sichern. Bleibt also die Selbstständigkeit der deutschen Rhede- reien völlig unangetastet, so ist andererseits durch das Ab kommen dafür gesorgt, daß ein ruinöser Concurre n z - kampf zwischen den Parteien vermieden wird. Es wird im Gegentheil ein freundschaftliches Zusammenarbeiten ver einbart. Die in dieser Hinsicht getroffenen Bestimmungen werden, davon sind wir überzeugt, sich in der Praxis als nützlich für alle Bctheiligten, nicht nur für die Gesell schaften und ihre Aktionäre, sondern auch für die als Ver lader oder Passagiere an den Unternehmungen Inter- essirten erweisen. Die Contrahenten, nämlich die beiden deutschen Gesell schaften und die amerikanisch-englische Kombination, ver pflichten sich gegenseitig zur Wahrung ihres Be sitzstandes. Während der Dauer des Vertrages dürfen also z. B. die Amerikaner-Engländer keine neuen Routen von Häfen der Vereinigten Staaten oder England nach Hamburg und Bremen einrichten. Auch die jetzt vor handene Route der Hamburg-Amerika-Linic von New ?)ork durch das Mtttclmcer nach Ostasien und der Verkehr zwischen New Port und Westindien bleiben ganz in deut schem Besitz. Ebenso auch die Linien nach kentralamcrika, Mexiko, Südamerika. Für die beiden deutschen Gesell schaften ist dabei in den englischen nnd französischen Häfen der für die Befriedigung ihrer Berkehrsbcdürfnissc nöthige Spielraum gesichert. Die Vertragschließenden verpflichten sich weiter, eine etwaige Concurrenz von Ontsiders ver eint zu bekämpfen; wenn beispielsweise eine außerhalb des Vertrages stehende englische oder amerikanische Gesellschaft versuchen sollte, eine neue Linie von New Pork nach Bremen oder Hamburg zu legen, so ist der amerikanisch englische Trust gehalten, seinen deutschen Vcrtragsfrcnnden im Kampfe gegen die vou seinen eigenen Landsleuten ver ursachte Concurrenz beizustehen. Bei namhafter Er weiterung bestehender oder Einrichtung neuer Untcr- nehmnugen eines der Mitglieder der Vereinbarung können sich die anderen in freier Vereinbarung bis zu bestimmten Grenzen bcthciligen; doch bleibt dies in das Ermessen jedes Partners gestellt, der natürlich auch die Konsequenzen seines Verhaltend tragen muß. Sv ist bei voller Unabhängigkeit der Tbcilncbmcr am Vertrage auch ein Concurrcnzkampf vermieden. Zugleich ist das gegenwärtige Betricbsfcld der beiden deutschen Schisfsahrtsgcscllschastcn gesichert und seine Erweite rung in den Bereich der Möglichkeit gestellt. Damit können wir im nationalen Sinne zufrieden sein. Für die Gesellschaften kommt aber noch ein Weiteres in Betracht. Es ist eine alte, wiederholt von kompetentester Seite er hobene Klage, daß bisher der amerikanisch-europäische Ver kehr wirthschastlich und technisch nicht rationell gestaltet war. Jede Gesellschaft geht ans eigene Hand vor, ohne sich um die andere viel zu bekümmern. Während zu gewissen Zeiten und auf gewissen Routen nicht genug Dampfer auf getrieben und Fahrten gemacht werden können, nm den enormen Bedürfnissen des Fracht- und Personenverkehrs zu genügen, fahren auf anderen Routen und zu anderen Zeiten die Dampfer nur halb oder noch weniger gefüllt. Das bedeutet eine kolossale Vergeudung von Betriebs kosten. Von kundigsten Autoritäten wird dagegen gesagt, daß durch eine rationelle Gestaltung des Dienstes nicht weniger als 00—60 Millionen jährlich erspart werden könnten, ohne daß Verlader und Reisende auch nur im Mindesten verkürzt würden. Ja, man kann sage», daß eine solche Verringcrungunwirthschaftlicher Ausgaben den Gesellschaften die Veranlassung nimmt, eine Erhöhung ihrer Einnahmen durch Steigerung der Fracht- nnd Passagctarifc zu versuchen. Mau darf annehmcn, baß die Partner der neuen Vereinbarung bemüht sein werden, in freund schaftlicher Verständigung eine rationelle Aus nützung der Betriebsmittel unter enger Anpassung an die Bedürfnisse de» Marktes und des Verkehrs zu erzielen. Für die Cajütspassagiere ist dabei eine ähnliche Art der Regelung vorgesehen, wie sie für die Zwtschcndeckspassagc seit zehn Jahren mit bestem Erfolge besteht. Dagegen steht dem Trust irgendwelche Einflußnahme auf die Frachttarise der deutschen Linien nicht zu; die Besorgniß, daß die Ame rikaner zu Gunsten ihrer Ausfuhr nach Deutschland die Tarife herabsetzcn könnten, ist daher völlig grundlos. Für eine Verständigung über gemeinsame Interessen ist in dem Abkommen eine Stelle in -em Bereinigten Ausschuß geschaffen, in dem neben zwei Vertretern des amerikanisch-englischen Trusts je ein Vertreter der beiden deutschen Gesellschaften, wahrscheinlich deren Gcneral- birectoren, sitzen wird. Dieser Ausschuß ist lediglich mit bcrathenden Befugnissen ausgestattet, er hat nicht mit Mehrheit Beschlüße zu faßen, der die Minderheit sich fügen muß, er soll ausschließlich durch Erörterung, Bcrathuug und Vereinbarung die jeweils auftrctcnden Fragen und Auf gaben in einer alle Theilc befriedigenden Weise zn lösen suchen. Ein ExccutivcomitS besteht nicht. Entstehen Zweifel über die Auslegung von Besttmmnngcn des Ver trages unter den Personen, so werden sie einem von Fall zn Fall bestellten Schiedsgericht vorgelegt. Für den Fall eines Krieges tritt der Vertrag außer Kraft. Damit ist jeder Versuch, die Schnelldampfer der deutschen Linien im Kriege ihren Aufgaben als Hilfskreuzer der Kriegsflotte zu entziehen, unmöglich gemacht. Die« sind die HauptbeKimmungen der jetzt geschloffenen Vereinbarung. Ihre Bedeutung liegt in der Thatsache, daß die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der deutschem Schtfffahrt-gefellschasten unangetastet bleibt, baß ihnen ein wilder Lcncurrenzkampf erspart wirb, baß ihr jetziger vc- sitzftand gewahrt und ihrer Unternehmungslust keine Schrank« gezogen wir-, -a- eine rationelle Gestaltung -e» Betriebes und Verkehrs angebahnt wird. Während die Amerikaner den bisher in England liegenden Schwerpunkt deS Seeverkehrs zwischen beiden Ländern durch Ankauf und Trust nach den Bereinigten Staaten verschoben haben, bleibt der Schwerpunkt des Seeverkehrs zwischen Deutsch land und Amerika nach wie vor in deutschen Händen und eine Verrückung ist für die Dauer des Vertrages aus geschlossen. Zudem wird die geniale Leitung der Hamburg- Amerika-Linie und des Norddeutschen Lloyd, die bisher so Großes geleistet haben, auch künftig ihre volle Thatkraft, ihre reiche Erfahrung und ihre OrganisationSkunst ein setzen, um für die deutschen Gesellschaften die Bortheile des Abkommens in vollem Maße auSzunntzen. Damit dienen sic nicht nur ihren privatwirthschaftlichen Interessen, son dern auch dem Nutzen und dem Ansehen des Reiches. Die Vereinbarung ist auf dem Boden einer Community of Interests der Partner abgeschlossen — möge diese Thatsache zugleich eine glückliche Vorbedeutung für die gestimmten politischen und kommerziellen Beziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten sein! Der Krieg in Südafrika. Tic Vcruittthnttneu über die Aricdkttöocrhandluiigcu. Die Correspondenz „Nederland" schreibt: Eifriger als je ist man in England iin gegenwärtigen Augenblick an der Verschleierung und Verfälschung der Wahrheit über die tbat- säckliche Lage in Südafrika. Die tendenziösen Berichte über den Sjand der Friedensverbandlungen in einem Tbeile der eng lischen Presse, so vor Allem im „Standard", in der „DailyMail", im „Daily Telegraph",ersparcn uns eine Widerlegung, da sie auf den ersten Blick als das zu erkennen sind, was sie in ihrem innersten Wesen sind: skrupellose Dichtung und willkürliche Ver- mulhungen. Nachdrücklich widersprechen müssen wir nur ihrer ebenso grundlosen wie böswilligen Behauptung, daß die Transvaalboeren versöhnlicher gestimmt seien als die Freistaat- boeren, und daß jene für, die Oranjer aber gegen die An nahme der englischen FriedenSbedingungen seien. Wenn auch England mit allen Mitteln, auch den verwerflichsten, darauf auSgeht, diese der Boerensache so gefährliche Spaltung herbei- zusühreu, so wird die Welt doch nie erleben, daß die TranS- vaaler den Oranjern nnd Beide zusammen ihren selbstlosen Bundesgenossen aus der Capcolonie und aus Natal untren werden. Ebensowenig wie die Behauptungen der Jingoblälter entsprechen aber auch die optimistischen Auslassungen dieses oder jenes englischen Politikers den Tbatsachen. Der Wirk lichkeit am nächsten kommt ausnahmsweise das „Neuter'sche Bureau" mit seiner Depesche auS Pretoria vom 22. Mai. Die Wortführer der Boeren haben Kitchener als das Ergebniß der Vereeniginger Zusammenkunft im Grunde genommen nichts mehr und nichts weniger als die Verwerfung der englischen FriedenSbedin- gungeu überbracht, die den äußersten Forderungen der Boeren nur unvollkommen gerecht geworden waren. Lord Kitchener stellte daraufhin neue weit gehende Zugeständnisse in Aussicht, denen gegenüber die Wortführer der Boeren eS als ihre mora lische Pflicht erachteten, in Pretoria zu bleiben, bis Kitchener die Ansicht des englischen CabinetS eingebolt bätte. Auf jeden Fall macht die veränderte FrieLenSgrundlage eine neue Beschlußfassung der Couferenz in Verceniging bezw. aller Commandos notbwendig. WaS die böswilligen Ausstreuungen der Art anlangt, daß die Vertreter der Boeren in Europa „unter dem dumpfen Druck der Ungewißheit leiden", so können wir versichern, daß diese nach wie vor der frohen Ueberzeugnng leben und die sichere Gewähr dafür haben, daß die Sache der Boeren so oder so zum Siege gelangt. Deutsches Reich. * Leipzig, 27. Mai. Bei dem ersten Vorsitzenden des Alldeutschen Verbandes, dein Rcichstagsabgc- ordneten Professor Or. Hasse, ging am 26. Mai fol gendes Telegramm ein: Der Hauptversammlung deS Alldeutschen Verbandes sage ich für die Zustimmung zur Polenfragc besten Dank. Reichskanzler Graf Bülow. * Berlin, 27. Mai. (Polen und Ruthenen.) Der Neich-tagSabgeordnete Sattler hatte bei der Wreschener Debatte im deutschen Reichstage den Polen sehr nachdrücklich ihr Verhalten gegenüber den Ruthenen in Galizien vor gehalten. DaS war den Polen besonders unangenehm, und so stellte sich als freiwilliger Nothhelfer der öster reichische Hofrath und UniversttätSprofefsor in Krakau vr. Stanislaus Smolka ein, der in einer Broschüre, die den Titel „Die Ruthenen und ihr« Gönner in Berlin" trägt, die Behauptungen Sattler'- zu widerlegen suchte. Die- veranlaßte wiederum den Führer der Ruthenen im öster reichischen ReichSrathe, Professor Romancznk, seinerseits die Behauptungen Smolka's etwa- unter die Lupe zu nehmen und die reiche Phantasie der Polen an der Hand der Thatsache« wieder »ur Wirklichkeit zurückzuführen. In einem Hefte von 40 Seiten, betitelt: „Die Ruthenen und ihre Gegner in Galizien" von Julian Romanczuk (Wien, Verlag von 8. RoSner), findet der Leser ein klare« Bild über die nationalen Verhältnisse in Galizien entworfen. Der Verfasser erklärt ausdrücklich, daß ihn der Streit Sattler-Smolka nichts angebe; waS er geschrieben habe, habe nur den Zweck, der Wahrheit zu ihrem Rechte zu verhelfen. E« ist ja wohl auch nabe liegend, daß ihm irgend eine Sympathie mit der preußischen Polenpolitik feruliegt. Um so demerkcnSwerther ist das, was er über den Unterschied in der Stellung der Pole» zu den Deutschen in Preußen uud der Ruthen»» zu den Polen in Galizien sagt: „Di« polnischen Machthaber rühmen sich häufig, daß si« d«n Ruthen«« in Galizien mehr gönnen, al- ihn«» in Pr»uß«n von d«n Deutsch«« oder iu Russilck^Polen vou d«n Rußen zugrstaudeu wird. Lolche Vergleichungen sind durchau- unstatthaft. Pr«uß«n «ud Rußland sind souveräne Staat«», in d«u«u di« Deutschen »ad Russin di« -errschendtn Nation«« sind und eine ungeheure Mehrheit gegenüber den Polen bilden; es sind dies deutsche, beziehungsweise russischeLänder, in denen eS auch keine Staat-grundgrsetze gtebt, welche dir nationale und sprachliche Gleichberechtigung verbürgen. Galizien ist aber kein souveräner Staat und kein polnisches Land; die Polen in diesem Lande sind nur eines der acht Völker Oesterreichs, welchen genau dieselben Rechte zukommen wie allen anderen Völkern, alio auch wie den ihnen übrigen- an Zahl fast gleichen Ruthenen, die zudem auf Ostgalizien größere höhere historische Ansprüche haben als sie. Wenn etwa Russisch-Polen und Preußisch-Polen mitsammt Galizien ein unabhängige- polnische- Reich bilden würden, dann wäre eine Analogie des Verhältnisses der galizischen Ruthenen zn den Polen mit dem Verhältnisse der jetzigen preußischen oder russischen Polen zu Preußen oder Rußland vorhanden; ober da srägt eS sich erst, wie die Polen als herrschende Nation in einem souveränen Polenreiche die Ruthenen behandeln würden — weder die Vergangenheit noch die Gegenwart bestätigt die Wahrheit der schönen polnischen Devise: Freie mit Freien und Gleiche mit Gleichen." * Berlin, 27. Mai. Heber die Bemessung der Z e u g e u g c b ü h r e n als Entschädigungen für Z e i t v e r s ä u m n is s e wird von juristischer Seite im „Hannoverschen Courier" geschrieben: „Wäre es nicht das Einfachste, um ohne scharfsinnige, schemattstrende Tarife eine zweckentsprechende und ohne jede Vorarbeit zu leistende, für Jedermann leicht übersehbare und gerechte Grundlage für die Berechnung der Zengengebühren zu schassen, den Lteuerzcttel zu Rache zu ziehen, der der beste Ausweis über die Einkommcnsverhältnissc des Bürgers ist? Angenommen, Jemand zahlt jährlich 10 .eti Staats steuer, das setzt ein Einkommen von etwa 1200 ./il voraus, also pro Tag etwa 3,35 Dieser Latz giebt eine untrüg liche, durchaus gerechte, für den einfachsten Mann offen kundige Handhabe zur Feststellung der Zeugengebühren. Man wird sich dabei entschließen müssen, die Entschädigung nicht nach der Zahl der versäumten Stunden zu berechnen. Hat der Betreffende drei Stunden durch Genügen seiner Zcngenpflicht verloren, so dürfen cs für das Gericht durch aus nicht eben drei Stunden sein, sondern, -a der Erwerbs tag im Durchschnitt neun Stunden beträgt, »/-, Tag. Man sollte überdies in den meisten Fällen, wenigstens so weit ein Einkommen über 3000 oder 4000 in Frage kommt, die Entschädigung ans mindestens einen halben Tag be messen. Denn angenommen, die thatsächlich aufgeopferte Zeit beträgt wirklich nur 2 oder 3 Stunden, so ist doch für die meisten Berufe der Tag so weit „zerrissen" oder „ver pfuscht", daß gut auf einen halben Tag Ausfall zu rechnen ist. Ja, wir gehen noch weiter. Wenn für diesen und jenen Beruf die Hauptverdienstzcit sich auf einige wenige Stun den zusammcudrängt, die gerade von der Zcugenpflicht getroffen werden, so dürste eS wohl angebracht sein, den Betreffenden für 7,4, ja auch für den ganzen Tag zu entschädigen. Ein Handelsmann, der auf Auctionen seine Einkäufe macht, die notorisch Vormittags und Mittags stattfindcn, sollte, wenn seine Zeugenvernehmung ihm den Besuch dieser Auctionen unmöglich macht, mit einem gan zen Tagesverdienst entschädigt rvcrdcn, der an der Hand seiner Lteucrciuschätzung festznstellen wäre. — AndereÄeits iväre^natürlich auch die Festsetzung einer oberen Grenze für die Tagcsgebnhren erforderlich. So würde man gewiß allen billigen Ansprüchen genügen und die Leute würden williger ihrer Zcugenpflicht genügen. Allerdings würde für einen großen Theil der Zeugen, nämlich alle die, welche keine Steuern zahlen, ferner die Ehefrauen, die einen Nebenberuf ausüben, ein anderweitiger Maßstab zur Fest setzung der Zeugengebühren immer noch notbwendig bleiben, ober hier fallen etwaige Schädigungen weniger ins Gewicht als bei den auf einen steuerpflichtigen Erwerb an gewiesenen Personen. Von Wichtigkeit wäre noch, die bis her geübte Praxis, Zcugengebührcn nur dann zu bezahlen, wenn ein Anspruch darauf erhoben wird, in das Gcgen- lhcil umzilkehrcu, nämlich die Zeugcngebübren nur in den? Falle nicht zu bezahlen, wenn eine ausdrückliche Verzicht leistung vorliegt. Namentlich dem kleinen Mann gegen über dürfte diese Praxis sehr am Platze sein. Biele Zeugen werden gar nicht gefragt und wissen auch nicht, welches Recht ihnen zustcht. Ihre Scheu davor, mit dem Gericht zu thun zu haben, läßt sie leer ausgehen, nnd so haben sie einen Verlust zu buchen, der ihre Abneigung, als Zeuge vor Gericht zu erscheinen, noch verstärkt. Nicht Wenige ver zichten anch auf die Zeugcngebübren, weil sie — sich genircn! Ihnen erscheinen diese Entschädigungen als eine Art Almosen. Sehr gut wäre eS, wenn auf dem Zeugcn- vorladungsformular gleich eine Instruction für den Zeugen mitgedruckt stände, die ihn über die Ansprüche, die er machen kann, aufklärt. Bisher stehen auf der Vorladung nur Strafandrohungen für den Fall seines Nicht erscheinens, dagegen kein Wort von dem ihm Zustehendeu keim Genügen seiner Pflicht." (D Berlin. 27. Mai. (Telegramm.) Der Kaiser traf hier mittels SonderzugeS um 12 Uhr 40 Min. auf der Wild parkstation ein, und fuhr im offenen Zweispanner nach dem Neuen Palais. D Berlin, 27. Mai. (Telegramm.) Aus Anlaß der Wiederkehr der Krönung -e- Kaisers Nikolaus II. vou Nutzland fand heute Vormittag 11 Ubr großer Gotte-dienst in der Capelle der russischen Botschaft statt, an welchem der Botschafter Graf v. d. Osten-Sacken mit Gemahlin, das sammtlicke Personal der Botschaft nnd der frühere Bot schafter in Petersburg, General von Werder, Tbeil nahmen. Die Herren erschieuen in großer Uniform mit Ordensband. Nach dem Gottesdienst war Frühstück-tafel bei dem Boi- schafterpaare. Auf der Botschaft wehte die Nationalflagge mit dem russischen Doppeladler. G Berlin, 27. Mai. (Telegramm.) An der Inter nationalen «anseren, -e- Rathen Kreuze- in Petersburg wird sich auch «ine Abordnung dr- Deutschen Verein- vom Rothen Kreuz betbeiliaen. Führer derselben ist Sxcellenz von dem Knesebeck, Mitglieder u. «. Excrllenz von Bergmann, Geheimrat- von Mikulicz - Breslau und Oberstabsarzt vr. Pannwitz. Eommiffar der Regierung ist Grneralarzt Schjerning vom Krieg-ministerium
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