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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.07.1893
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-07-12
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930712014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893071201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893071201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-07
- Tag1893-07-12
- Monat1893-07
- Jahr1893
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Bezugs-PreiS kd der Hauptexpedition oder den im Stadl» bexirk und den Bororten errichteten Aus» valesiellen abgeholt: vierteljährlich 4.50, iet zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» SLO. Durch die Post bezogen sür Deutschland und Lesterreich: vieneliährlich ^l . Direct» tägliche Kreuzbandienduug ftt« Ausland: monatlich 7 SO. Die Morgen-AuSgab« erscheint täglichV,7 Uhr, die Abeud-Au-gab« Wochentag» 5 Uhr. Nedaclion und Lrveditiou: AohanneSgafir 8. Dir Expedition ist Wochentag« anunterbroche, geöffnet von früh S bi« Adend« 7 Uhr. Filialen: vtt« -le«m « Dortim. (Alfred Hahn^ Universitätsstratze 1, , Loui» Lösche, katharinenstr. 14, pari, und König-plah 7. Morgen-Ausgabe. lirre iger. Organ für Politik, Localgkschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Anzetgen-Prei- die 6gejpaltme Petitzeile SO Pfg. lieclameo unter dem Redactro»«strich (4 ge» spalten) vor den Kamiliennachrichdrn (6 gespalten) 40-^. Broker» Schriften laut «nserem Preis« verzeichniß Tabellarischer und Zissernsatz »ach höherem Tarif. Extra-veilagcli (gesalzt), nur mit de« Morgen. Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbeförderung ^l 70.—^ . . Ännahmeschlllb für Anzeige«: Abeud-Au»gabe: vormittag« 10 Uhr. s Morgen »Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Soun- und Festtag« früh '/,v Uhr. Lei de» Filiale» und Annahmestelle» M «1« halb« Stund» früher. Attzeige« sind stet» an di» Erpetzttt»« z» richte». Druck und Verlag von E. Pol» t» Leipzig Mittwoch den 12. Juli 1893. 87. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. A» der X. Bürgerschule in Leipxig-VclkinarSdorf sollen die Trottoir- und Pftasterardeiten vergeben werden. Die Angebotsformulare und Bedingungen können bei dem Herrn Architekten Hannemann, hier, An der alten Elster 10, II. gegen Erlegung der Gebühren von 1 entnommen werden. Die An gebote sind bis zum 17. Juli 1803, Nachmittags 5 Uhr, versiegelt und mit der Aufschrift: „Trottoir- »nd Pstafterarbciten", Anbau drr X. Bürgerschule Leip;>g-Polk»iarSdorf aus dem RathS-Bauamte, Stalhhaus, 3. Elage, Zimmer Nr. 5, ab- zugcben. Wir behalten uns die Auswahl unter den Bewerbern, sowie die Ablehnung aller Angebote vor. Leipzig, den 30. Juni 1883. Der Rath -er Stadt Leipzig. Il>. 3250. I)r. Georgi. Ör. Donndors. Bekanntmachung. Hierdurch machen wir bekannt, dag wir folgende Stragenstrecken, sämmtlich in Leipzig-Bolkmarsdorf, in städtisches Eigcnthum uud in städtische Verwaltung übernommen haben, allenthalben mit Aus nahme der Fußwege, 1) die Ludttttgstrafte, zwischen der östlichen Flucht der Äirchslratze und der östlichen Flucht der Jdastraße, L) die Marianiicustrasjr, zwilchen der östlichen Flucht- linie der Nirch. und östlichen Fluchtlinie der Elftabeth- straße, 3) u. 4) die Louise»- »nd (klisabrthstratzc, zwischen der nörd- lichen Fluchtlinie der Eisenbahn- und der nördlichen Fluchtlinie der Mariannenslrage, k) die Jdastratzc, zwilchen der nördlichen Fluchtlinie der Eisenbahnstrave und der nördlichen Fluchtlinie der Ludwigstraße. Leipzig, den 4. Juli 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. Ie. S16S. Or. Georgi. Ass. Or. Redlich. Bekanntmachung. Nachdem die Klempner-, Waffe» leitungS-, (Aaser-, Schlosser- und Tlfchlerarbeiken, die Heistellung der Blttzablettuiigsanlagc und die Lieferung der Holzsutzboden zum Erweiterungsbau der 2». Vezirkoschule in Leivzig-Kleinzschvcher vergeben worden sind, werden die nicht berücksichtigten Bewerber ihrer diesbezüglichen An- geböte hierdurch entlassen. Leipzig, am 8. Juli 1893. Ter Rath der Stadt Leipzig. ttr. Geo rgi. vr. Tonndorf. Bekanntmachung. Die öffentlich ausgeschriebene Lieferung und Beilegung von Granilschwellen vor mehreren Grundstücken in der Sckmlsiraße zu Leipzig.Plagwij) und der Demmeruigslraße zu Leipzig-Lmdenau haben wir vergebe». Die unberücksichtigt gebliebenen Unternehmer werden daher hier- durch aus ihren bcz. Angeboten entlassen. Leipzig, am 6. Juli 1883. Tcr Rath der Stadt Leipzig. Ic. 3444. I)r. Georgi. Eichorius. Bekanntmachung. Die öffentlich ausgeschriebene Pflasterung der Zimnierstratze in Leipzig-Plagwiy haben wir vergeben. Tie unberücksichtigt gebliebene» Bewerber werden daher aus ihren bez. Angeboten hierdurch entlassen. Leipzig, am 7. Juli 1883. , 3520 Der Rath der Stadt Leipzig. Q' 1020 vr. Georgi. Eichorius. Bekanntmachung. Die Leuchtkraft des städtischst» Leuchtgases betrug in der Zeit vom 3. bis 8. Juli ds. Js. im Argandbrcniier bei 150 Litern stündlichem Eonjum das 18,8 fache der Leuchtkraft der deutschen Normalkerze von 50 Millimeter Flamineuhöhe. Da» jpecifische Gewicht stellt sich im Mittel aus 0,432. Leipzig, am 10. Juli 1883. TcS Raths Trputatiou zu den ftlasaustaltcu. Ausschreibung. Die Herstellung von ca. 3500 lsd. m Lhonrohrschleußen, 20 bis 50 om weit, soll in 3 Loosen getrennt in Accord vergeben werden. Bezügliche Angebote mit der Aufschrift „Herstellung vo« Thou- rohrschlcuhen in der Vtemcindc Lirberiwolkwitz" sind porto- frei und versiegelt bis zum 28. Juli 1883 an den Unterzeichneten Gemeinderath einzureichen. Angebotheste nebst Bedingungen können ebendaselbst gegen Er- legung von 1 ^l sür jedes Loos entnommen werden. Nähere Auskunft ertheilt der Unterzeichnete Gemeindevorstand, auch liegt bei demselben der genehmigte Lris-Beschleußungsplan zur Einsichtnahme aus. Die Auswahl unter den Bietern, und ev. Ablehnung sämmtlicher Angebote bleibt Vorbehalten. Liebertwolkwitz, am 10. Juli 1893. Ter «emcinderatb. » Dyck, Gem.-Borst. Zur Besetzung des Lehrstuhls für Pädagogik an unserer Universität. ii. Viel günstiger liegt die Sache da, wo da- Seminar für seine Uebungen eine eigene Schule zur Verfügung hat, wie in Gießen und Jena. Hier wird der Unter- richt in irgend einem Fache den Seminaristen gleich sür ein ganzes Semester oder wenigstens für längere Zeit übertragen, und es können sich infolgedessen sowohl beim Erzieher, als beim Zöglinge feste Gewohnheiten aus bilden. Hier werden die Erzieher für die geistige und Charakter-Ausbildung ihrer Zöglinge genau in dem Maße verantwortlich gemacht, wie in jeder anderen Schule, ja in noch höherem Maße; denn gerade unter solchen Verhältnissen, die für die ganze zukünftige Praxis dcS Erziehers vorbildlich werden sollen, mutz jedem Erzieher doppelt ernst zum Be wußtsein gebracht werten, daß mit dem Hallen der Unterrichts stunden, dem bloßen Lehren, seine Thätigkeit noch durchaus nicht erschöpft ist, wie das so viele Lehrer heutzutage meinen. Aber auch dann, wenn mit dem Seminar eine UebungSschule verbunden ist, kann die Einrichtung immer noch unakadcmisch sein; und dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die UebungSschule — wie in Gießen — nach dem vom Staate für die öffentlichen Schulen vorgeschricbenen Lehrpläne ein gerichtet, ihr also nicht gestattet gewesen ist, ihren Lehrplan ganz autonom auf Grund der akademische» Lehrfreiheit auö einer sorgfältig erwogenen Uuterricklölhcorie beranS zu gestalten. Auf diese volle, unvcrkümmerte Selbst sländigkeit eines pädagogischen UiiivcrsilätS - Seminars muß aber der allergrößte Werth gelegt werden. Tie Wissenschaft gedeiht nur unter dem Schutze der völligen Lehrfreiheit; und Wesen, wie Aufgabe der Universität verlangen geradezu, daß bei ihr jede Theorie eine Freistalt finde, die sich mit Gründen stütze» läßt, mag sie augenblicklich herrschenden Anstauungen auch noch sosehr entzegensein. Tarumsolltengerade pädagogische Univcrsitäts-Seminarien die Stätten sein, aus denen mau neue ErzicbungStbeorien versuchen dürsten, was sie sür die Praxis Werth sind: „Experiiiienlirschulen" sollten sic sein, wie sie Kant schon vor einem Habrbunderl gefordert hat. Natürlich dürsten sie nicht sür jedes beliebige pädagogische Experiment zu haben sein, sondern cö sollte auch hier, wie i» jeder andern Wissenschaft, bloö unter den nöthigen wissenschaftlichen Vorsichtsmaßregel» crpcrimentirt werde» dürfen, zunächst also nur mit solchen Theorien, die sich wisscnschaftlich lcgitimiren könnten, und so dann nur unter der Voraussetzung, daß eine sorgfältige Kritik und Nachprüfung alle Maßregeln begleitete und daß jede Maßregel fallen gelassen würde, die sich vor dem Forum wissenschaftlicher Gründe nicht ballen ließe. Unter kiese» BorsichtSmaßrcgeln aber sollte unbedenklich freie Bewegung gestattet werden, um so mehr, als ein ganzes großes Gebiet der Schulpraxis, nämlich daS der methodischen Durcharbeitung dcö Stoffes im Einzelnen, in der Theorie von de» formalen Stufen des Unterrichts schon zu einem gewissen Abschlüsse ge bracht worden ist und damit aus der eigentlichen Versuchs arbeit auüscheidet. Eö würde sich also die Freiheit mehr auf die Gruppirung drö Stoffes beziehen, auf daS Neben- und Nacheinander der großen Slossmasscn. Solche Gruppi- rungen wären z. B. die Ziller'schc CvncentrationStbeoric mit den Erweiterungen, die sie nach Seite des naturwissenschaft lichen Unterrichts erfahren bat, die Einheitssckmlbestrcbungen, wie sie der Verein für Schulreform vertritt, die Verbin dung dcö ArbeitSunterrichiS mit dem theoretischen Unterricht, die Vorschläge, die eine Reform dcS sprachlichen Unterrichts im Auge haben u. s. w. Daß auf diesem Gebiete tcr Gruppirung des Unterrichtsstoffes die Getankcnbewegung noch lange nicht zum Abschlüsse gekommen ist. wird mir Zeder, der diese Fragen genauer verfolgt hat, ohne Weiteres zugeben. Eine solche freie Bewegung ist aber auch um deswillen nöthig, weil >» der Production pädagogischer Originalgedankeu bei uns eine bedauerliche Stagnation eingctrcten ist. Tie große Mehrheit der Bcthciligten hat sich eben bezüglich der Erziehung ent wöhnt, in andern Bahnen zu wandeln, als in solchen, die obrigkeitlich abgesteckt sind. Vumlühilitvr so «uhjvoviuiit. Zm 18. Jahrhundert, als auf dem Gebiete der Schule weit weniger rcglcmentirt wurde als jetzt, muß das anders ge wesen sein. Eine Menge neuer pädagogischer Gedanten rang da um Verwirklichung; und daS wirkte befruchtend aus die ganze pädagcgischc Praxis. Eö ist nicht zu ver kenne», daß wir in vielen Beziehungen noch heute vc» dem Erbe zehren, daö uns z. B. die Pbilanthropinistcn hinterlasscn baden, wenn wir unö auch mit dem banausischen Grundziele, das sic damals sür die Erziehung ausstellie», nicht werden befreunden wollen. Ein solcher pädagogischer Frühling kann wieder kommen — denn Vieles will auch heule noch sich zum Lichte cmporringcn. Wer soll aber den Mulh finden, neue pädagogische Gedanken in den Acker der Zeit zu säen, wenn er nicht weiß, wer seiner Saal warten wird ? Soll eS in der Well bester werden, so werden nicht die Ideen sich nach den Verhältnissen, sondern die Verhältnisse sich »ach den Ideen »mgestatten müssen. Also es gilt, durch Schaffung möglichst vieler pädagogischer Seminare »nd damit verbundener UebungSschulcn in liberalster Weise den Kampfplatz zu öffnen sür die uneingeschränkte Cvncurrenz der pädagogischen Ideen, damit durch eine natürliche Auslese den zweckmäßigsten unter ihnen zum Siege verbolsen werde. Hierzu sind pädagogische UniversitätSseminare eine ganz unerläßliche Veranstaltung, weil sie, wie schon erwähnt, unter dem Schutze der akademischen Lehrfreiheit die ungezwungenste wissenschaftliche Bewegung gestalten (denn waö hier angenommen oder verworfen wird, wird nicht angenommen vdcr verworfen aus einem von außen her durch irgend welche Staatsbehörde ausgeiiöthialc» Zwange, sondern aus der eignen inncrn Nölbigung der Idee heraus, und weil sie gleichzeitig die sorgfältigste Prüfung der sachwissenschaftlichcn Grundlagen dcS gestimmten ErzichungS- und Unterrichtsmaterials ermöglichen. Wenn wir soeben die UebungSschulcn solcher Seminaricn als ,Experiiiienlirschulen" bczeichnctcn, so wellen wir hier doch gleichzeitig dem weit verbreiteten Zrrtbum begegnen, als wenn unter diesen Experimenten der Schule nun auch die Schüler unbedingt zu leiden haben müßten. In einem vernünftiq eingerichteten Seminare wird zunächst der Seminarist gar nicht sogleich nach seinem Eintritte zum Unterrichte zugelasse»; er muß vorder einige Zeit in den Stunden eines der Oberlehrer beS Seminars oder eines Praktikanten, der einen guten Unterricht ertheilt, hcSpiliren; wird ihm später ein UnlerrichlSgegcnstand übertragen, so bars er auch La wieder nicht ohne die sorgfältigste schriftliche Vor bereitung an seine Arbeit herangeben: er bat eine ausführliche schriftliche Präparalion einznreicben, deren Gegenstand vorder mit ibi» diirchgesproche» ist; diese Präparalion wird voni Oberlehrer seiner Classe corrigirt und darnach vom Direclor leS Seminars nochmals geprüft, und wenn er nun seine Arbeit beginnt, so ist der betreffende Oberlehrer zugege», um sich zu überzeugen, wie weit der Praktikant sich der Ausgabe ge wachsen zeigt; auch bat er sich nach einiger Zeit über seine Fortschritte in einer Unterrichtsstunde auszuweisen, die in Gegenwart aller Seniinaristcn abgedalten und mit einer ausführlichen Kritik abgeschlossen wird. Auch sonst bat jeder andere Praktikant daS Recht, in jeder seiner Lebrstuntcn zu hospitiren und die dabei gemachten Bemerkungen im HoSpizbuckc niederzulegen. Fortwährende Uclierwachung und Correctur begleitet also alle seine Schritte; cs fehlt Weber an Vorbehütung, noch an Nachbcbenkung. Daß aber trotzdem noch immer Fehler in Behandlung der Schüler Vorkommen mögen, soll nicht geleugnet werden; aber erstens soll die Zahl der Schüler in einer Classe der Seniinarschule immer nur klein sein, weit geringer, als durch schnittlich in der öffentlichen Schule, und dann wird in einer echten Seminarschule dem einzelnen Schüler auch außer dem Unterrichte noch so viel ganz besondere seclsorgrrische Sorg falt durch den Clafscnlehrcr und die übrigen Lehrer ;u- gcwendet, daß für den guten sittlichen Fortschritt des Schülers — und daS ist doch schließlich die Hauptsache — in einer kleinen UebungSschule wenigstens ebenso große Garantie» ge boten sind, wie in einer öffentlichen Schule. Zn der Tbat sind denn auch aus solchen Scminarschulcn eine ganze Reihe brauchbarer Männer bervorgcgangcn. Mau kann sich aber trotzdem nicht verhehlen, baß gerade Seminarien von der Einrichtung, wie sie hier verlangt wird, zu einer unmittelbaren Einführung in die zukünftige Praxis nicht sür alle Naturen geeignet sind. Darum begrüßen wir cS als einen Fortschritt im pädagogischen BildungSwcsen, daß Preußen Gnmnasial-Seminare eingerichtet bat, d. h. Sciiiinarien, die mit öffentlichen Gymnasien verbunden sind. Ter Mangel der Einrichtung scheint nnS nur darin zu liegen, daß es diese Gymnasial-Seminare als Ersatz der pädagogischen UniversitätSseminare angesebcn wissen will. Uns scheint viclmekr gerade in einer Verbindung der beiden Einrichtungen daö Höchste geböte» werden zu können, was der zukünftige Erzieber für seine Berufsbildung zu fordern berechtigt ist: ein Jahr pädagogisches Studium im pädagogischen UniversitätSsemiuar, ei» zweites Jahr im Gym- nasialseniinar oder einem analogen Seminar — dort die Praxis eines Ideals, hier daS Ideal einer Praxis. Wer in seiner Studienzeit beides hat durchleben können, wird sich glücklich preisen dürfen. Aber solche pädagogische Seminare sollten Bestandtbeile einer jeden Universität noch auS einem viel höheren Gcsichtspuncte sein, nämlich, weil sie die Charakterbildung des zukünftigen ErzieberS in unvergleichlich günstiger Weise beeinflussen. Will der Erzieber seinen Zögling zum sittlich-religiösen Charakter auSgcstalte», dessen Wollen die rechte Vielseitigkeit, Kräftigkeit und Sammlung besitzt, so ist er gezwungen, auch sein eigne- Wollen aus diesen Grundton abzuslininien, sich fortwährend in strenge Selbstzucht zu nehmen; und zwar nicht bloS »m der Vorbildtichkeit willen, sonder» weil er nur so l,offen darf, daS verwickelie und von vielen Ursachen dcS Mißlingens uingebciie Geschäft deS ErziebcnS in den rechte» Bahnen zu erkalten. Ferner ist als Hilfe der Charakterbildung für den Erzieber nicht z» »iiterschätzen, daß er im Seminar gleichstehende und gleichstrcbcnde Ge nossen neben sich bat, durch deren Urtheil und Kritik er angctrieben und ge zügelt, in jedem Falle aber gefördert wird. Endlich ist jede echte Erziederthätigkcit, und um so niebr die an einem solchen Seminar, wo man den Beruf von seiner idealsten Seite leiinen lernt, schon an sich sehr nahe verwandt mit jener secialen Gesinnung, die den Einzelne» antreibt, in seinem Kreise sür eine innere Erneuerung der Gesellschaft über haupt zu wirken. Wir »vollen damit keineswegs einer dogmatisch - engherzigen Auffassung jener Gesinnung das Wort reden; aber daß sie, in evangelischer Wcit- hcrzigkcit verstanden, recht vielen zukünftigen Schul männer» zu wünsche» wäre, Liesen Wuiifch wird jeder Ein sichtige mit uns thcilcn, und eben weil auch in dieser Be ziehung die Zugehörigkeit zu einem solchen pädagogischen Seminare einen heilsam richtenden Einfluß auSiibt, sehen wir uilö um so niebr veranlaßt, für dieselben cinzutreten. Soll aber all der Segen, der von einem solchen Seminar anSgehcn kann,voll zur Geltung kommen,so muß nalürlich auch dieSeminar- arbeil so gegliedert werten, daß sic allen guten Kräften Raum zur Entfaltung giebt. Ein echter Gemeiiigeist muß alle ArbeilS- gciiessen beseele», der Jedem daS lebendigste Gefühl für die Aufgaben dcS Seminars und für die Ehre der Gemeinschaft zur Pflicht macht. Ein pädagogisches Universitälsseminar ist eben in dieser Beziehung nicht glcichzusetzen irgend einer beliebigen andern Semiiiargenossenschaft im akademischen Leben, die zufrieden sein darf, wenn der Einzelne die ihm zugcwicscne wissenschaftliche Ausgabe gewissenhaft löst, ohne sich sonst weiter um ihn zu bekümmern. So genügsam Wirt ein pädagogisches Seminar nicht sein dürfen. Die Arbeit der Erziehung stellt ehe» auck an de» Erzieher seihst weil höhere Anforderungen, als eine beliebige andere Thätigkeit. So darf man denn wobt sagen, daß die Entscheidung über die Besetzung des hiesigen Lehrstuhls für Pädagogik und über die Hilfsmittel, die in Zukunft für daS Studium der Pädagogik an unserer Universität geboten sein sollen, wichtiger ist, als Viele meinen, und zwar auch an- einem im besten Sinne localpatriotischen Gcsichtspuncte. Nachdem Preuße» die Errichtung pädagogischer UniversitätSscminarien ab- gewicscn und statt dessen sich lediglich mit der Errichtung von Gymnasiatscminarien begnügt bat, liegt eS jetzt in der Hand Sachsens, den ^rcin, den die Bauleute ver worfen baden, zum Eckstein zu machen. Das ist ein stolze- Wort, aber ich bin überzeugt, daß ich damit die Meinung aller Derjenigen treffe, die dieser Frage unbefangen grgenüber- stcben oder femals an sich selbst den Segen einer recht ge leiteten Scniinararbeit erfahren haben. Unsere Landes- Universität aber Kälte noch ganz besondere Veranlassung, sich der Sache aiizunrhmcn, weil hier über zwanzig Jahre lang (1862 bis 1853) unter theilweise sehr un günstigen äußeren Verhältnissen ei» akademisch-pädagogische- Privatseniinar, daö des Prof. Ziller, im Wesentlichen io ein gerichtet, wie man eü wünschen muß, äußerst segensreich ge wirkt und den sächsischen Landen eine große Zabl trefflicher Schulmänner hcrangezogen hat. Die Hoffnung ist berechtigt, daß ei» pädagogisches Scniinar unter der Autorität der TtaatSregiening »nd der Universität, wenn mit ihm eine UebungSschule verbunden und seine Seminaristen im echten akademische» Geiste wissenschaftlicher Freiheit in die Theorie und Praxis der Erziehung cingesührt würden, weit über die Grenzen Sachsens und sogar Deutschlands hinaus eine Quelle der Befruchtung werden könnte. WaS solche Semi narien selbst unter bescheidenen äußeren Verhältnissen leisten könne», zeigt neben dem cingegangenen Zillcr'schen Seminare das schon 1843 gegründete und »och gegenwärtig bestehende pädagogische Seminar an der Universität Jena. Mögen die Kreise, die in dieser wichtigen Angelegenheit zu entscheiden haben, sich die ungewöhnliche Gunst des Augen blicks immer recht gegenwärtig halten! Deutsches Reich. U Berlin. 11. Juli. Die Situationöberichte an- den ver schiedenen Choleragebietcn geben zu unmittelbarer Be- sorgniß für Deutschland bis jetzt keine Beranlassnng. In den für unö kritische» Ländern des europäischens Ostens und SüdostcnS tritt die Seuche zur Zeit weder epidemisch noch besonders bösartig auf. Wo Letzteres der Fall ist, wie in Arabien und den an Arabien grenzenden Provinzen der asiatischen Türkei, trennen unS zu große Entfernungen von dem Schauplätze des Ucbcls, als daß wir unS um seine dortigen Fortschritte sonderlich zu sorgen brauchten, um so weniger, als die Türkei mit ihrem früheren sanitairen Schlendrian unter der Controls beS Abendlandes jüngst gebrochen und an den HaupteinbruchSthorcn nach Europa fachmännische Sicherbeitöorgane angestellt bat. Frankreichs neueste Cholerabulletins lauten zwar nicht eben vertrauenerweckend, lassen aber doch erkennen, baß die llcbertragbarkcit deS AnsteckungSkeimeS in diesem Jabre nicht so groß ist als in früheren — wohl jeden falls eine Begleiterscheinung der beispiellosen Dürre des Sommers, die mit den sonstigen Calamitäten dieser abnormen Zeit einigermaßen auSsöhncn kann. Deutsch land ist seit bcni Erlöschen der vorjährigen Hamburger Epidemie vollkommen seuchenfrei, denn der eine vor wenigen Wochen in Hamburg vorgekommcne Einzclfall kann wesen seiner Jsolirthcit nickt ernstlich mehr in Frage kommen. Äon Wichtigkeit ist eS, darauf zu achten, daß die Bevölkerung möglichst unempfänglich für etwaige Cbvlerakeime bleibe. Darum kann man cS auch nur mit Genugthuung begrüßen, wen» jetzt die Behörden der größeren Provinzial-, namentlich auch der Hafenstädte mehr und mehr dem Beispiele des Berliner Polizeipräsidiums folgen und dahin wirken, daß die Slraßenverkäufer resp. AuSschänker von Mineral wässern diese Getränke fernerhin nur in einem der Trink- waffertempcratnr ciitsvrechendcn Wärmegrade von 10 Grad CelsiuS abgeben. Hoffentlich sinket dieses Vorgehen auch in den PrivalhauShaltuiigen angcbrachtcrniaßcn Nachahmung^ Daß der Genuß eiskalter Getränke während der heißen Jahreszeit zu ernsteren Verdauungsbeschwerden führt, ist allbekannt, ebenso, daß jede Störung der VcrdauungSorgane in choleravcrdächtigen Zcitläufen zur Ecucke prädisponirt. Tie Folgerung auö beiden sollte auch den Gleichgiltigsten zu entsprechender Lebenshaltung bekehren. * Berlin, 11. Juli. Von anscheinend ofsiciöser Seite wird mehreren Blättern geschrieben: „Einzelne Berliner Blätter hatten sich von angeblich glaub würdiger Seite melden lassen, auf den Bahnzug, der den russischen Thronsolger auf seiner Reise nach England an die preußische Grenze bringen sollte, sei nahe bei Dünaburg ein nihilistischer Anschlag verübt worden; die Verbrecher hätten die Schienen ausgerisse», der Bahnwärter sei verschwunden und ftur durch die vorausiahrende Sicherheilsmajchine sei größeres Unheil ver hütet worden. Trotz dieser ins Einzelne gehenden Angaben ist die ganze Erzählung erfunden. Wie wir von bestunterrichleier Seite er- fahren, ist nichts weiter wahr, als daß der Zug des Thronfolgers wegen eines Schadens an der Maschine »ine kurze Verspätung er litten hat. ES ist nicht die erste Nachricht dieser Art, di« nach Berlin geschoben und von da, wo man sie kaum beachtet, an gewisse englische Blätter telegraphirt wurde, und eS scheint, als ob System darin sei, Berlin als den Lrt erscheinen zu laiie», von wo solche tendenziöse und verstimmende Nihilisten» Nachrichten auegchen. Deutsche Blätter sollten sich besser vorsehen und hierbei keine Hilfsdienste leisten." Wir batten von der Sensationsnachricht, ebenso wenig wie von mancher ankeren Notiz genommen. V Berlin, 11. Juli. (Telegramm.) Der BundeSratl, crtheilte i» seiner heutigen Plenarsitzung dem Nachtrags- Etat zum RcichSbauShalt für 1893—94 seine Zustim mung und überwies den Antrag Badens zur Linderung der Fultermittelnotb, sowie die Vorlage für Elsaß- Lothringen über die Erhöhung der Steuer für Weine aus Feigen, Johannisbrot und Tamarinden an die zuständigen Ausschüsse. — Für die fünfte Plenarsitzung des Reichstags am Donnerstag ist folgende Tagesordnung festgesetzt worden: 1) Interpellation dcö Mitgliedes des Reichstages vr. Osann, betreffend die Fulternoth, 2) Interpellation deS Mitgliedes deS Reichstag- Bebet, belr. angebliche Aeußerungen deS Polizeipräsidenten Fei chter in Stragburg i. E. gegen elsaß-lotbringische Staatsangehörige; 3) Bcrarbunq des dringlichen Antrages dcS Abgeordneten Auer und Genossen wegen Einstellung deS gegen das Mit glied des Reichstags Herbert beim Amts- bez. Landgericht zu Stettin schwebenden Strafverfahren-; 4) die zweite Be- ratbung deS Entwurf« eine-Gesetzes, betreffend die Friedens- Präsenzstärke des deutschen Heeres. ^ Berlin, 11. Juli. (Telegramm.) Der ^Staats anzeigcr" veröffentlicht den Erlaß des La» dwirl Hs chaftS- minlsters, der sämmtliche königliche Regierungen, aus genommen die in Aurich und in Sigmaringen, ermächtigt, die Preise der forstlichen Nebennutzungeil, söweit kiese Preise mit Rücksicht aus die Futtermittel- und Streunoth zu hoch sein sollten, sür daS lausende ElalSjahr selbstständig herabzusetzen. <» Berlin, tl. Juli. (Telegramm.) In einer längeren Polemik wendet sich die »Nord d. Al lg. Ztg." heute gegen die „Germania", die in einer Artikelserie die Behauptung res Grafen Caprivi in den letzten ReichSIagStebatten, daß die demokratische Richtung im Centruni zunehme »nd daß man die Umwandlung des CentrumS a»S einer conservativ-kirchlichen in eine demokratisch-politische Partei zu erwarten habe, zu widerlegen sucht. Aus einer Reihe von Rede» der CentrumSfübrer glaubt die „Norkb. Allg. Zkg." den Beweis erbringen zu können, daß die Worte Caprivi'S gereckt seien und baß die „Germania" den Eindruck drr Worte deS Grasen nicht durch den Versuch adschwäcken könne, Lurch eine Polemik da» Echo seiner Reken im Cenlrum zu verwischen.
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