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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.03.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-17
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030317025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903031702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903031702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-03
- Tag1903-03-17
- Monat1903-03
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Vezug-.Prei- k» H« Ha»pt,Lp«dttio» «d« de», A»«aabO- Pille» «d,«yolt; »tertkliahcklch 3.—. bei pvetmaliger tägliche, g»k«ll»oa tu« Ha»« 3.76. Durch dt« Poft brzvgeo fül DevÜch- la»d ». Oesterreich vlrrt-ljabrllch «.60, für dt« übrig«, Stücke, la al gettuagspreKUft«. Le-aktto« »ad Lrvrdiüoar Bvhannt-gass, 8. Famjpwche, 16» «ud WS. Filtal«uP«dM»»e», Ulkked Haha, v»chhaadlg„ llowttsitüttstr.ö^ L. »dschch Kath«Me»st* Ich ». K»»lg«ol. 7« Hmwl-Filiale Vresd«: Eteehle»« Stmß, 6- sffaachneche, »«1 l Ar. 17IL. Abend-Ansgave. UkWiger Tageblatt Anzeiger. Haavi Filiale Serlia: Carl Dmlcker, Herzgl. Bay,. Hosbvchharcklg,, Lützowstraßr 10 Fernsprecher Ami VI Nr «303» Amtsblatt des Äönigkichen Land- und des Äönigtichen Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Nnzergen.PrelS die Sgefpattene PetttzeUe LS Reklame» unter dem RedaktionsstAch (ügefpalteu) 76 vvi den FamUtennach- Achten lS gespalten) 60 Tabellarischer und sttffernsatz entsprechend höher. — Bebühren für Nachweisungen und Offertenannahme Sü H (excl. Porto). Ertra-Beilagen qesalzkX '«r mit der Morgen-Au«aa''e, ahne Zostbeiärderung «l 30.—. nit ßoftbesördernng X 70.—. Amlahmeschluß kür ?ii;eigea: Abe»d-A«ckgabe: «ornrittag- 10 Uhr. Morgea-Lasgaber Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen stad stet« an di« Expedition zn richte». Di« Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» adead» 7 Uhr. Druck nud Berlag von E. Polz tu Leipzig. Nr. 138. Dienötag den 17. März 1903. 97. Jahrgang. politische Tagesschau. - Leipzig, 17. März. Ueich»ta> und «ommisstonea. Schon wiederholt haben wir darauf binqewiesen, daß der Mangel an Pflichteifer, den leider die Mehrheit der Mil» alieder des Reichstag« bekundet, nickt nur durch häufige Beschlußunfähigkeit des Hauses sich bemerkbar macht, sondern auch an den Arbeiten der Kommissionen zutage lrilt. Bis her hat da« Plenum es wodlwei«lich vermieden, einer der Kommissionen einen direkten Vorwurf wegen zu langsamer oder z« wenig gründlicher Tätigkeit zu macken; war rin Kommisstonsbeschluß über da« Knie gebrochen, so begnügte man sich mit seiner Zurückverweisung. Gestern aber sab sich der Präsident doch genötigt, an die Kommissionen eine Mahnung zu richten, die einen Tadel in sich barg. Es fehlte an Beratuugsstoff und in die Schuld an diesem Mangel teilten sich mit der Budgeikommission die Krankenkassen» und die Phosphor-Kommission. An alle drei richtete sich daher die Mahnung de« Präsidenten, ihr« Arbeiten zu beschleunigen. Naiürlich wurden Odrenzeugen dieser Mahn ung nur solche Abgeordnete, die im Plenum und in den Koni- Missionen gewöhnlich uno so auch gestern ihre Schuldigkeit taten; die Säumigen werden von der Rüge erst nach» träglick etwas erfahren, wie Kirchenschwänzer, die abends in der Kneipe hören, daß ihnen der Psarrer den Pelz aus der Ferne gewaschen hat. Die Mahnung des Präsidenten wild daher auch nicht viel wirken; am allerwenigsten dann, wenn richtig ist, was dem „Hann. Kurier* ge schrieben wird: „Mit der größten Bequemlichkeit könnte der Reichstag, wenn er nur wollte, sein ganzes Pensum, ein schließlich PdoSphorgesetz und Krankenkassennooelle, bi» zum 3. April aufardeiten. Aber er will eben nicht, denn e« gibt zu viele Volksvertreter, welche die Dauer der Tagung über Ostern hinaus wünschen, um für Wahllisten im Besitze ihrer Freikarten zu bleiben.* — Bei dem gestern herrschenden Stoffmangel war es eigentlich noch zu begrüßen, daß bei der Beratung der Novelle zur Seemannsordnung, die lediglich die Verbesserung eine» nachweislichen Druckfehlers in tz 52 de« am 1. April in Kraft tretenden Gesetzes bezweck,, die Sozialdemokraten den Versuch machten, eine vollständige Revision dieses Ge setze- zu erzwingen. Dieser Versuch mißlang zwar, half aber doch die Stunden auSfüllen. Für den Rest sorgten noch unerledigte Petitionen, von denen eine auf die Haftung der Straßenbahnen und Auto- Mobilbesitzer für Beschädigungen bezügliche dem Reichskanzler ,,^ur Berücksichtigung", eine auf den Schutz der Arbeite rinnen bezügliche „rur Erwägung^, eine auf medr zinische Eingriff« bezügliche gleichfalls zur Erwägung, eine den Verkehr mit Heilmitteln betreffende „alS Material" und eine gegen den Ausverkaufsjchwindel gerichtete „zur Berücksichtigung" überwiesen wurde. Der heutige Tag bleibt für die Kommissionen, d. h. für die spärlichen Häusi.ln Ge treuer, welche die Kommissionsardelten verrichten müsien, frei. Tie polnische Sprache vor Gericht. Da« Obrrlande«grrickt ,a Posen bat unlängst einen die polnische Sprache vor Gericht betreffenden, ickon kurz er wähnten Brickluß gefaßt, der in den polnischen LanbtSteilen aroße« Aufiehen erregt und von der groß polnischen Pieffe bereit« ausgenutzt wird. Zu den beliebten Kampfesmitletn des Nationalpolentums gehört es, die Kenntnis der deutschen Sprache vor den Behörden abzuleugnen und diese dadurch zu nötigen, mit ihnen unter Zubülsenabme eines Dolmetsche polnisch zu verbandeln. Die Gerichte haben bisher vielfach, wenn sie annahmen, daß Angeklagte oder Zeugen ihre Kennt nis der deutschen Sprache wahrheit-widrig verneinten, darin «ine Ungebühr erblickt und gegen die betreffenden Personen eine Strafe aus tz I7S de- Gerich Sverfasiung-gesetzeS fest gesetzt. Ein Gericht in Posen haue einen Zeugen, der die Fragen nach seiner Person, seinem Alter u>w. deuttch beant wortet uno den Eid deutsch geleistet batte, auch erst rin Iabr vor teiner Zeugenvernehmung vom Militär entlassen war, in eine Ungebührstrafe genommen, weil er sich geweigert hatte, e« zu versuchen, seine Z^ugenauStage in deutlicher Sprache zu machen. Da» OberlandeSgericht bat ans Beschwerde des Zeugen een Strafbeschluß aufgehoben, weil es angenommen ha», daß bei dem Beichwerdeiührer eine böswillig« Ableugnung lever Kenntnis teS Deuttchen nickt anzunedmen sei. Man müsse davon auSgeben, daß der Beschwei deführer als Zeuge nach gesetz licher Vorschrift 68 Slia'prozeßoibnung) zu veranlassen war, das, waS ihm vom Gegenstände seiner Veinehmung bekannt war, im Zusammenhänge anzugeben; zu einer der artigen zusammenhängenden Auslassung zur Sache konnte ein geringeres Maß der Kenntnis der eeulicken Sp>ache, das den Zeugen befähigte, deutick Vorgesp>ocheneS, wie die Eidesfoimel, nachzusprechen und einzelne Fragen, wie die nach Namen und Alter, deutsch zu beantworten, nickt genügen. Es bedurfte vielmehr dazu der Fähigkeit zu zusammenhängender Erzäh lung oder Schilderung des Vorgangs in deutscher Sprache. Sei aber der Zeuge zu solcher Darstellung der deutschen Sprache nickt ausreichend mächtig geweien, so hätte er auch zu einem Versuche, wie unter Androhung der Ordnungs- Itrase geschehen, nicht angehalten werden können; denn e- bestehe kein Geletz, das dem Zeugen in diesem Falle einen solchen (nothwendig erfolglosen) Veriuch zur Pflicht machte. Wir sülchten milder „Voss Zig.*,baß diese unsersEiachlens nicht un bedenkliche Entscheidung den Gerichten ihre Tätigkeit wesentlich er schweren weide. Das nicht nur sehr unbequeme und die Abwicklung der Geschäfte verzögernde, sondern auch für die richtige Aus fassung der Sachlage und die zutreffende Entscheidung sehr gefährliche Verhandeln mit dem Dolmetscher wird über hand nehmen, wenn jeder Pole weiß, baß er e- auf einen Versuch, deutsch zu sprechen, nicht erst anlommen zu lassen braucht. Das OberlandeSgerickk sagt zwar: „war der Zeuge... der deutschen Sprache nicht aus reichend mächtig, so durfte er zu einem Veriuch nicht ange hallen Werden*, und man könnte fragen: Wenn er aber nun der deutschen Sprache ausreichend mächtig war, WaS dann? Und wie soll bas Gericht anders feststellen, ob der Zeuge der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, als wenn es einen Veriuch anordnet, im Zusammenhänge zu sprechen? Aber diese Bedenken kommen der getroffenen Entscheidung gegenüber nicht in Betracht. Diese Eniickeidung «st auch so allgemein gehalten, raß sie dem Gerichte die Mög lichkeit, von Kall zu Fall zu prüfen, ob der zu Ver nehmende der deutschen Sprache hinreichend mächtig ist, sehr beschränkt. Sie wird deshalb der großpolnischen Agitation sehr willkommen sein, der den Deuttchen aber und besonders bei den Behörden die Sehnsucht nach einem AmtSsprachengesetze und einer Aenverung des GerichlS- versassungSgestkes vermehren. An der deutichen Sprachgrenze brionber« erscheint »in solche« Gesetz unbedingt eisorberlich, um dem Umsichgreifen der polniicken Sprache Einhalt zu tun. Gäbe r« für alle Verhandlungen mit den Behölden eine Vor schrift, wonach der der deutschen Sprache nicht Mächtige eine Gebühr für den Dolmetscher zu entrichten bat, dann würden bald viele Leute deutsch sprechen und verstehen, die jetzt nur deS Polnischen mächtig sein wollen. Deutsche Gendarmerie in Makedonien. Das „Bureau Reuter" meldet aus Konstantinopel, russisckerseiis sei man unangenehm berührt, Werl die türkische Regierung nur deutsche Gendarmerie für den Dienst in Makedonien anwerbe. Auch Deutschland selbst betrachte dir Verwendung deutscher Gendarmen, mit Ausschluß solcher anderer Staaten, keineswegs mit besonderem Wohlwollen. Wir können, schreibt hierzu die „Post" dem „Bureau Reuter", die beruhigende Mitteilung machen, daß über die Frage der Verwendung deutscher Gendarmerie in Makedonien von vornherein zwocken den Ver tretern Deutschland- und denen der Reformmächte am Goldenen Horn die vollständigste Uebereinstimmung be standen ba«. Der deunche und der russische Botschafter hatten längst, noch ehe in englischen Blättern von einer russischen Beschwerde wegen Verwendung deutscher Beamten geiprochen wurde, ihre Ansichten über diesen Punkt ausgetauscht und waren zu dem Ergebnis gelangt, daß e« zweckmäßig sei, wenn die Pforte das Perlonal der in Makedonien neu anzustellenden Gendarmerie aus Beamten der neutralen Siaaten auSwähle. D>e Veiwendung von bereits in türkischen Diensten stehenden fremden Offizieren in Makedonien ist naturgemäß anders zu beurteilen, und deutscherseits könnte man sie, wie schon öfters festgestellt, für unbedenklich erachten, sofern die beiden Resormmäckte damit einverstanden sind. In diesem Sinne ist die ganze Angelegenheit von vornherein behandelt worden. Eine auStchließlicke Verwendung deutscher Beamten ist überhaupt nie in Frage gekommen, wie denn die Psorte auch die schwedische Regierung um Ueberlassung von Offizieren zur Reorganisation der Gendar merie ersucht bat, ebensowenig ist aber auch eine Beschwerde von russischer Seile erhoben worbea. Der Handelsvertrag »wischen der Türkei und Griechenland. Die Stellung, die die griechische Regierung in dem letzten Jahre drr makedonischen Frage gegenüber gezeigt hat und die Haltung deS griechischen Elementes in der Tüikei haben nicht nur Ordensverleihungen an den König, den Kron prinzen und Delyannis zur Folge gehabt, sondern, wie gemeldet, dem Lande etwas Wichtigeres eingetragen: den Abschluß des Handelsvertrages mit dem Nachbarstaat. Wie bekannt, war die Regelung des Handelsvertrages von den Großmächten den beiden Nachbarstaaten überlassen worden, ebenso wie die Regelung der Konsularverbält isse. Letztere mußten wiederum durch die Mächte als Schieds richter geregelt werden, Uber die erstern wurde seither ver handelt, und zwar durch besondere Abgeordnete Griechen lands, dann durch die Gesandtschaft in Konstantinopel, wo bas Verdienst dafür dem verstorbenen Maviocordato und dem jetzigen Geschäftsträger Raum zuzuschreiben ist. In dem neuen Vertrage, der nach der Ankunft de- neuen griechischen Gesandten in Konstantinopel, G'hpariS, unterzeichnet werden wird, erhält Griechenland die Stelle eines meistbegünstigten Staates. Der Vertrag umfaßt zehn Artikel, «n denen alles über die Einfuhrzölle, die Küstenschiffadrt, die Fischerei, Sckwammfiickerei und gegenseitige Unterstützung zur Unter drückung der Pascherei zu Wasser und zu Lande geregrlt ist. Die Dauer des Handelsvertrages wurde auf 18 Jahre fest gelegt. Die durch den Handelsvertrag vorgesehene Aufhebung des Verbotes der Schwammfischerei an den Küsten Nord- afrckas ist ein großer Erfolg, und eS wäre für die armen Leut«, die mit dieser gefährlichen Arbeit ihr Brot verdienen, zu wünschen, daß drr Vertrag recht bald unterzeichnet würde, wa» ja bei den jetzigen ausgezeichnete» Beziehungen der beiden Nachbarstaaten auch zu erwarten ist. Deutsches Reich. 6.8. Berlin, 17. März. (Der Kolonialprofessor.) Mit drr iw Reichstag angenommenen Resolution, betreffend die Errichtung einer Professur für Kolonialrecht in Berlin dürfte diese wichtige Angelegenheit aus dem Reiche der Er wägung in da« der Tatlachen übrrgefüdrl sein, denn die U»terricht«verwaliung wird diese Kolonialprofessur einrichten. In allen Kolonialkreisen herrscht darüber große Freude und Genugtuung. Man hat aber selbst- veiständlich den dringenden Wunsch, daß diese wich'ige Professur einem Manne übertragen werde, der unsere Ko lonien und die Sitten und Gebräuche ihrer Bevölkerung aus eigener Anschauung kennt. Wir sieben ja nicht mehr am Anfang unserer Kolonialpolirik: zahlreiche Männer von Talkraft und Energie haben sich in den Kolonien um gesehen und in ihnen reiche Erfahrungen gesammelt; diesen Kreisen sollte daher der Kolomalprofessor ent nommen werden und nicht solchen, die nur aus Büchern und Berichten Ostafrika und unsere übrigen Kolonien kennen. Wir verkennen ja nicht die großen Verdienste, die der klerikale Prinz Arenberg sich um unsere Kolonial sache erworben hat, wrr begrüßen eS auch, daß sein Einfluß in den Kreisen seiner Parteigenossen im Wachsen ist. Ader bedauern würden wir es, wenn dieser Einfluß so weit reichte, daß mit der Prosessur ein Mann beglückt würde, dessen Ver dienste einzig darin bestehen, von der Frrundschaftösonne deS Prinzen beschienen zu sein. Bei der Wahl der Beamten sür unsere Kolonien hat man ja früher leider viele Fehler ge macht; aber diese waren wenigstens zum Teil enischulbbar, weil die Erfahrung ebenso fehlte, wie das rechte Material. Jetzt gibt es solche Entschuldigungsgründe nicht mehr, und so würbe eS an jever Rechtfertigung fehlen, wenn die Stelle eines Kolonialprosefsors mit einem Manne besetzt würde, der aus Mangel an eigner Kenntnis gezwungen wäre, auf alte Theorien neue zu bauen. * Berlin, 16. März. (Gegen die Jesuiten.) In München wirb demnächst auf Veranlassung deS Evan gelischen Bundes eine Protestkundgebung gegen die Aufhebung von § 2 des Jesuitengesetzes abgebalten, bei der der Vorsitzende de« Evangeliichen Bunde« in Bayern, Pfarrer Fikentscher auS Fürth, die Gefahren des Jesuitismus sür den rrligiöien Frieden beleuchten wirb. Professor Boethling aus Karlsruhe wird Vie Jcsuitenfrage vom geschichtlichen und kulturgeschichtlichen Standpunkt aus besprechen. Justizrat Krau hold wird die Versammlung begrüßen und über die bayerischen Ver hältnisse einige interessante Mitteilungen machen. — Im größten Saale Nördlingens fand eine Versammlung des Zweigvereins deS Evangelischen Bunde« für Nördlingen und das Ries statt. Pfarrer Fikentscher sprach über „Die Zeichen der Zeit im Lichte des Protestantismus" und be handelte besonder» die Jeiuitengefahr. Seme zündenden Worte fanden lebhafteste Zustimmung bei den überaus Feuilleton. y Miß Kachel Zaltonn. Roman von Florence Marryat. Nachdruck verbeten. Achtes Kapitel. Der Herzog von Eraig-Morrt« verachtete die gesell schaftlichen Formen ebenso sehr, wie die wechselnden Äleidermoden. Er hatte die höchst unangenehme Gewohn heit, sein« Bekannte«» zu allen Tageszeiten zu besuchen: morgens, wenn sie kaum ausgestünden waren, und abends, wenn sie sich schon zur Ruhe begeben batten, und es kam ihm nicht darauf an, den ganz««« Haushalt auszustöbern., Lady Motdaunt wurde ziemlich aufgeregt, als sie beim Frühstück am Morgen nach den» Feuer in Eatherstone ihr« Tochter auSrufen hörte: „Mama! Der Herzog kommt! Ich sah seinen Hut über dem Blumenbrett; den kann man nicht verkennen." -LtebrS Kind, der Herzog? Unmöglich! Ls ist ja noch nicht zehn Uhr!" „Ach Mutter, das letzte Mal kam er um elf Uhr abends, gerade al« du detn heißes Fußbad nehmen wolltest." „Ja, Roste, tch kann ihn nicht empfangen. Er mutz warten, bis euer Vater berunterkommt. Sage Marie, -aß sie ihn in dey Drawtng-Room führt." Hier blieb Tein« Gnaden feinen Gedanken überlasten, biS Sir Henry ihm im Morgrnrock und Pantoffeln frisch auS dem Bade entgSaenkam. „Mein lieber Herzog, es tut mir leid, daß ich St« warten lastenmußte; aberSie haben so arkadische Stunden inne, daß Sie mich entschuldigen müssen. Ich bin gestern sehr spät zu Bett gekommen und eben erst ausgestanden." „Das tut nicht«, Str Henry. Ich muß über etwa« Wichtige« mit Ahnen reden und habe gern gewartet. Haben Gt« von dem Feuer gehört, da« gestern abend in Eather stone auSkam?" „Feuer? O Gott, netn! Doch hoffentlich nicht im Haufe?" »In den Ställen, und glücklicherweise ist nur rin Teil davon »»«gebrannt. Aber ich mutz von meiner Enkelin mit Ihnen reden, Sir Henry. Sie sind ihr Onkel und V^muA», und st« »«nimmt sich so, daß Sie rtnschreittn „Verzeihen Sie einen Augenblick, Euer Gnaden. Ich war meiner Nichte Vormund, bin es aber, dem letzten Willen Ihres Sohnes gemäß, nicht mehr. Ich habe nicht mehr Recht, gegen ihre Handlungen einzuschreitcn, als mein Diener, und jedenfalls sehr viel weniger, als Sie selbst. Ich hoffe jedoch, es handelt sich nicht um etwas Ernsthaftes." „Ich halte «S sür sehr ernst, Sir Henry; für außer ordentlich ernst. Rachel lebt in Eatherstone unter keinem anderen Schutz, al« dem einer gleichalterigen Dame, der sie den Daumen ausdrückt. Und sie hat einen Künstler im Hause, Sir, einen jungen Mann, der sich tagsüber im Hause aufhält, um allerlei Trödelkram für ihren Dra- wing-Room zu malen, und sie benimmt sich gegen ihn, daß eS eine wahre Schande ist." „Euer Gnaden erschrecken mich!" sagte Str Henry Mordaunt. „Bitte, brücken Sie sich deutlicher aus. WaS hat Rachel getan?" „Nun, gestern abend war ihr gewöhnlicher Salon, und als Feuerlärm erscholl, gingen die anwesenden Herren natürlich hinaus, nm danach zu sehen. Rachel hätte bet ihren weiblichen Gästen bleiben müssen; aber sie bestand darauf, uns zu begleiten. Der Stall stattd zum Teil in Flammen und war von Rauch erfüllt, und die Dienerschaft überlegte, was man zum Löschen tun könnte. Da plötz lich erscheint der Künstlerbursch« und stürzt sich hinein und bringt die Pferde heraus. So weit ist la kein Unrecht dabei. Der junge Mann ist wahrscheinlich mehr an der gleichen aewöhnt als die anderen Herren und zeigte sich wirklich sehr brauchbar. Aber mein« Enkelin war damit nicht zufrieden. Sie mußte ihm natürlich in ihrer leichten Kleidung nachstürzen und so laut seinen Namen rufen, daß ganz Rvchampton es gehört haben muß, und dann über wältigte sie der Rauch und er trug sie auf seinen Armen hrrau«. Und al« alles vorbei und ba« Feuer gelöscht war, machte sie so viel Wesens mit ihm, als ob er einer von den Sudanhelden gewesen wäre. Beim Zeus, Str, mir wurde ganz übel bet ihren Veranstaltungen! St« führt» ihn in den Drawing-Room, so schmutzig und ver räuchert, wir er war, und stellt« ihn ihren Gästen vor . .» Und al« ich sortging, Str Henry, machten ihm die Metber alle den Hof, daß «S nicht zum Ansehen war!" rief der Herzog und stieß heftig seinen Stock auf den Boden. „Da muß em Ende haben! Ich besteh« darauf, datz dem et« Ende gemacht werden muß." „Wie denken Euer Gnaden, ein Ende machen zu können?" „Das Mädchen darf nicht länger allein leben, Sir Henry. Sie muß mit Ihnen und Lady Mordaunt zu- kämmen leben oder Sie müssen eine passende Duenna suchen, die in Eatherstone die Zügel in die Hand nimmt. So dürfen die Dinge nicht weiter gehen. Es ist eine Schande sür die Familie und schädigt unfern Namen. Glauben Sie mir. es wird noch ein furchtbarer Skandal daraus entstehen?' Sir Henry stützte den Kopf nachdenklich mit der Hand. Er hatte ja di« gleiche Anschauung über die Sache und hatte schon die gleichen Befürchtungen ausgesprochen. Aber Rachel war das Kind seiner Schwester, und er wollte sie nicht zu rasch verdammen. „Nun?" rief der Herzog ungeduldig. „Die Worte Euer Gnaden haben mich sehr peinlich be rührt", sagte er endlich, „umsomehr, als ich deren Wahr heit zugeben muß. Mrs. Eranley scheint mir äußerst un- geignet für Rachel zu sein. Erstens ist sie zu jung und -weitens zu wenig gesetzt. Miß Montrie war viel paffen der für die Stellung, aber Sie wissen la, wi« c« war. Rachel entließ sie auS keinem anderen Grunde, als weil sie sich zu sehr um ihre Privatangelegenheiten bekümmerte. Sie will durchaus keinen Rat haben und empfindet alle« al« Spionage. Wir sind machtlos, Euer Gnaden, ganz machtlos." „Machtlos? Unsinn! Bei einem Mädchen von drei undzwanzig Jahren! Wir müssen sie -um Nachgeben bringen." „Daun muß ich von Ihnen lernen, wie man baS macht, Herzog, denn ich weiß es nicht", erwiderte der Baroner. „Nach dein Willen ihres Vaters ist Rachel vollkommen ihre eigene Herrin. Da« wissen Sie so gut, wie ich, und ebenso, daß sic keiner Ucberredung zugänglich ist und einen so festen Willen und ein so stolze« Wesen besitzt, wie eS mir noch nie vorgckommcn ist. Wenn sie sich etwas vorge nommen bat, dann bringt niemand sie davon ab." „Dann müssen wir also dabet stehen und zusehen, wi« sie ihr Vermögen verschleudert, dürfen eS nicht wagen, ihr Vorstellungen zu machen, und werden schließlich er leben, daß sie mit diesem Maler auf und davon geht?" „Gott im Himmel! Euer Gnaden können das doch nicht im Ernste denken. Sie reden von Ihrer Enkelin und meiner Nichte!" „Ich schere mich den Kuckuck darum, wessen Enkelin oder Nichte sie ist, Sir Henry. Sie ist einfach ein eigen sinniger Trotzkopf, und wenn wir nicht cinschrcitcn, dann blamiert sie sich noch gänzlich nm dieses Mannes willen." „Mein lieber Herzog, entschuldigen Sie; aber welchen Grund haben Sie für eine solche Annahme? Ray schwärmt für die Kunst, ja, sie ist ganz toll darauf, das gebe ich zu, aber sie wird sich nie herbetlassen, andere Gefühle gegen diesen Mr. Salier zu hegen." „Der Henker hole die Kunst! Sie hätten sehen sollen, wie sie gestern hinter ihm her war und ihm Komplimente machte. Sie dachte dabei nicht viel an Kunst, darauf lasse ich mich selber hängen." „Aber alle anderen Damen sind jetzt so albern in die Künstler vernarrt", behauptete Sir Henry, „es ist die Verrücktheit unseres Jahrhunderts. Ich glaube nicht, datz Ray sich auf mehr einließe; dazu ist sie zu stolz und kalt. Hat sie doch in dieser Saison Lord Vivian abgewtesen." „Ich weiß eS. Aber sie ist gerade ein Mädchen, das einen Edelmann abweist und einen Viktualienhändler heiratet. WaS ist dieser Salter eigentlich für ein Mann, Sir Henry?" fragte der Herzog, ihn unter seinen buschigen Augenbrauen hervor anstarrend. „Ich weiß nichts weiter, al« daß er ein aufstrebender junger Künstler ist, von dessen Bildern schon viel ge sprochen wird. Einem ou ckit zufolge wird er demnächst K. werben. Bon seiner Familie und seiner Vergangen- heit weiß ich nicht das Geringste." „Ich möchte etwas über ihn herausbringen", sagte Seine Gnaden nachdenklich. „Wenn ich nur jemand wüßte, der das für uns tun könnte? Wenn man dem Mädchen betbringen könnte, bah er sich vom Ackerknecht oder Kesselflicker in die Höhe gebracht hat, dann würbe sie etnsehen, datz sie in ihrer Intimität mit ihm zu wett ge- gangen ist, oder wenn er nur rote« Haar hätte oder schielte, dann würde ich ruhiger sein." „Ist er denn hübsch? Ich habe ihn nie gesehen", be- merkte Sir Henry. „Er hat eine weibliche Art von Schönheit: große Augen, eine feine Nase und dergleichen mehr, gerade die Art von Gesicht, auf welche die Mädchen hinetnfallen. Wenn wir blotz hinter seine Vergangenheit kommen könnten!" „Euer Gnaden machen sich und mir wirklich unnütze Sorgei" rief der Baronet, stand auf und ging ungeduldig im Zimmer umher. „Ich kann e« entschieden nicht fassen, daß meine Nichte sich mit einem Manne von Mr. Salter« Stellung weiter abgeben könnte, al« um ihn zu prot-
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