Delete Search...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.10.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-10-26
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951026026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895102602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895102602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-10
- Tag1895-10-26
- Monat1895-10
- Jahr1895
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
BezugS'PreiS kn der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten AuS- aapestellen gb geholt: pierteljährlich.^4,50, bei zweimaliger tSglicher Zustellung ins aus .^l 5.50. Durch die Post bezogen für rutschlgnd und Oesterreich, vierteljährlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandiendgng ins Ausland: monatlich 7.50. Abend-Ausgabe. Di« Morgen-Ausgabe erscheint um '/«? Uhr. di» Abrnd-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Redaktion und Erpeditiou: Zotzannesgasie 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: ktt» Klemm« E-rttm., UniversitütSstraße 1, «i» Lösche. » Hahn». Ls« . Kntharinenslr. 14, pari. und KönigSplatz 7. rimiacrIaMM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- vnd Geschäftsverkehr. Anzeigen-Pret- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter dem Redaktionsstrich (4ge- spalten) 50.4, vor den Familiennackrtcht«» (8gespalten) 40/4. Grössere Schriften laut unsirem Preis- verzeichniß. Labellanscher und Jifferniatz nach höherem Daris. «ortra-Veilnac» (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poslbesörderung M—, mit Poslbesörderung 70.—. Ännahmeschlnß für Äuzeitzen-. Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Für die Montag-Morgen-Ausgabe: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 520. Sonnabend den 26. October 1895. 89. Jahrgang. Die Schlußsteinlegung des Reichsgerichts-Gebäudes. Leipzig. 26. October. Die Feststraße. Die Straßen, welche die Majestäten aus ihrer Fahrt vom Dresdner Bahnhof bis zum Reichsgerichögehäude zu passiven Hallen, waren in der That in eine einzige prangende, Herz und Auge erfreuende Frststraße umgewandelt. Tie streng einheitlich durchgesührle Sckmiickung derselbe» gab ihr eine imposante Wirkung. Weithin schimmernde farbige Wimpel und Flaggen im Verein mit dem in seiner Wirkung nie versagenden Taunenschmuck gaben den Grundtvn zu dem vielfarbigen Gemälde der 2lussch»iückung der Feststraße. Beim Austritt aus dem mit Palmen, Topfgewächsen, Festons und Flaggen reichverzierten Bahnhofsportat grüßten von der Promenade her die ersten hohen, mit Taunenguirtande» umwundenen Masten mit ihren Wimpeln in den Stadtfarben die Monarchen. Halb mast«», deren rolhweißer Anstrich durch die sich an ihnen hinauf- rankenden grünen Guirlanden halb verdeckt wurde, in kurzen Abständen von einander errichtet und durch Tannen-Guir- landen, deren Bogen sich in der Mitte verstärkten, verbunden, rahmten die beiden Seiten der Bahnhofsstraße ein. Lange Schleifen in den sächsischen, deutschen und in den Stadtfarben fielen von ihren Spitzen hernieder. Bei den Straßenkreuzungen traten hohe flaggeiizeschmückte Masten an ihre Stelle. Wäh rend auf diesem Straßenzuge rechts die hohen Bäume der Schwanenteich - Anlagen mit ihrem bunten Herbstlaub die Straßenausschmücknng ergänzten, schimmerten an de» hohen Gebäuden zur Linken farbige FestonS, Flaggen und Fahnen, schleifengeschinückte Guirlanden dein Auge entgegen. Einen besonderen Schmuck hatte das Postgebäude am Augustusplatz angelegt. Ucber dem Hauplportal, fast bis zum Frontgiebel reichend, war ein mächtiges Banner angebracht, aus dessen goldfarbenem Grunde der Reichsadler in mäch tigen Dimensionen hervortrat, während Uber demselben in einem Medaillon daS Wappen unserer Stadt den Blick erfreute. Fahnenarrangements über dem Haupt eingange und an den Ecken der Hauptfront, sowie von Fenster ru Fenster sich ziehende Guirlanden vollendeten de» geschmackvollen künstlerischen Ausputz des PostgebäudeS, aus dessen Dacke die Fahnen in den Reichsfarben mit dem charakteristischen Posthorn im Mittelfelde im leisen Winde flatterten. Und nun öffnet sich dem dem Mittelwege auf dem AugustuSplatze sich zuwendeude» Blicke eine wundervolle Perspective. Je neun mächtige Obelisken erbeben sich zur Reckten und Linken, stankirt von Postamenten mit in Blau-Noth-Gvld gehaltenen antiken Vase», aus denen Palmen ihre feinbeblättertcn Zweige emporstrcckcn. Immer wieder sucht der Blick die Obelisken auf. Auf grauem Sockel baut sich der anscheinend von Kugeln getragene Schaft deö Obelisken auf. Das gelb abgesetzte Weiß derselben tritt durch den grünen Tannenschmuck, durch die an den Frontseiten an gebrachten bronzirlen römischen Schilder, die ein Fahnen- Arrangement umgiebt, nur noch kräftiger hervor. Das in Roth und Gelb gehaltene Capitäl trägt einen Blumenkorb in den gleichen Farben. Ihr Inhalt, myrtenähnliche Gewächse, krönt das Ganze in eigenartiger, wirk samer Weise. Urnen, Postamente und Obelisken sind durch mächtige Tannenguirlanven mit einander verbunden und stellen so eine wahrhaft imposante via ti-iumpbalis vor, die dem Schöpfer ihres Entwurfes, unserem städtischen Bau- director Herrn Licht, die vollste Ehre macht und ihm die Anerkennung der Zehntausende eintrug, welche das hier Ge schaffene bewunderten. Den Abschluß dieser Obelisken Straße bildet der mächtige Triumphbogen vor dem Eingang« zur Geil» maischen Straße. Auf einem mächtigen, Pfeilern nackgebilde- ten, Unterbau erbebt sich graciös und leicht in weiter Spannung der durchbrochene Rundbogen, dessen grüne Tannendeeorativn auf weißem Grunde von herrlichster Wirkung ist. Gewaltige Flaggenmasten flankiren de» Bogen, dessen Mitte aus beiden Seiten ein plastisch in Stuck ausgeführtes, blau und golden bemaltes Stadtwappen ziert. Und nun empfängt den vor wärtsdringenden Blick in der Grimmaische» Straße ein wahres Farbenmeer, kein HauS ist ungeschmückt! Ueberall das kräftige Grün yer Tanne in Guirlanden der verschiedensten Art, gehoben durch bunleFestons, durchTeppiche, welche Balcynbrüstungen ver kleiden, durch das bunte Allerlei der modernen Decorations- kunst und überragt von Fahnen und Fähnchen, von Flaggen und Fahnen — ein Gesamiiubild gewährend, welches das Herz höher schlagen ließ. Zwei jener mächtigen Obelisken, die wir aus dem Angustusplatze bewunderten, und in gleicher Art wie jene verziert und ausgeschmückt, erheben sich vor dem Nasch markte. Das alte ehrwürdige Nathhaus unserer Stadt hat sei» einfaches Grau grün umkränzt. Die Loggien über dem Haupteingang sind mit blaugclben Festons verziert, überall grüßen Fahnen von seinem Dache herab. Das gleiche Bild aus dem Markte. Ueber die menschendurchfluthete PeterS- straße wölbt sich fast ein Dach von Fahnen; aus Hunderten von Fenstern, von jedem Giebel herab leuchten die blau-gelben, grün-weißen und schwarz-weiß-rothen Farben. Imposant nimmt sich die neue Thomasgasse aus. Rechts der Pracht bau deS BismarckhauseS, das die Schönheit seiner Architektur mehr wirken läßt, als seinen Festausputz. Zur Linken das herrlich decvrirte Steckner'sche Gebäude. In der Höhe des ersten Stockes umgeben Banner mit den Wappen der Bundesstaaten das gesammte Gebäude. Aus den Fenstern der zweiten Etage hängen mächtige Fahnen hernieder, und Flaggen-Arrangement-, kunstvoll hergestellt, zieren den oberen Theil des Gebäudes. Sinnig hat man dem Neubau an der Ecke der Thomasgaffe und der Klostergasse den Charakter deS Unfertigen genommen. Das noch im Rohbau befindliche Parterre ist durch Tannen und schwarzweißrothe Festons zu einer Reihe von Loggien umzewandelt, die in ihrer gcichick! n Herstellung de» Beifall albr Paffanten finden. Und nun treten wieder, wenn wir auf den TbomaS- tirchhof einbiegen, die hohen Flaggenmasten in ihre Rechte. Mit gelbem Kies bestreut, präsenlirt sich der Platz mit Len reich- geschmückten Häusern zur Rechten und dem ehrwürdigen siaggcn- verzierken Kirchenbau zur Linken festlich und vornehm. Dieselbe Art der Ausschmückung, die vom Bahnhof an so frisch und anziehend wirkte, zeigt sich auf der Promenade von Tbomas- kirchhof bis zum Eingang der Harkvrtstraße. Hier hat ein lücklicher Gedanke zur Linken der Straße ein Pendant zu den eiden rostrageschniückten Brücken-Obelisken geschaffen. Völlig getreu diesen nachgebildet, mit alleiniger Weglassung der die Laternen tragenden Schiffsschnäbel, erhebt sich der dritte Obelisk, den Eingang zu dem Reichsgerichts-Platze würdig zierend. Dieser selbst ist aus seiner Ostseite herrlich mit Halbmasten und Tannengrün geschmückt. In gleichem bunlen Schmuck zeigt sich die lange Front des Landgerichtsgebäudes, und nach Süden hin schließen Hobe, guirlandenumwundene Masten mit schwarz-weiß-rothen Wimpeln den Platz ab. Der schimmernde Palast unseres höchsten Gerichtes, der heute durch die Hand des Kaisers seine Weihe erhält, zeigt nur Flaggenschmuck. Zwischen den beiden Kaiserthürmen Hoch oben über dem Giebelfelde flattert die Fahne in den Reichs färben, kleinere Flaggenmasten rings auf dem Simö des Monumentalbaues zeigen die Farben der Bundesstaaten. Auch jene Straßen, durch die die Majestäten ihre» Weg zur Rückfahrt nehmen, sino natürlich nickt ohne Schmuck ge blieben. In der Wächterslraße, am Königsplatz, auf der lang sich hinziehenden Windmühlenstraße erheben sich wieder die Masten mit ihrem Tannen- und Flaggenschmuck. Auch hier zeigen fast alle Häuser reiche Zierde. — Eine sinnige Huldigung zeigt am „Bayerischen Hof" eine über die Straße sich ziehende Guirlande, ein aus Weißen Blumen und Lorbeer bergestellteS Schild tragend, daS ein /V und >V mit einer Kaiser krone in der Mitte darstellt. Viele Straßen, welche nicht in die via triuwplmlis einbezogen waren, waren nicht ohne Schmuck geblieben. Manche Gebäude zeigten ihn sogar i» ganz hervorragender Weise, so z, B. das Gebäude der Firma Pölich am Eingang der PeterSstraße. In ganz wundervoller und geschmackvoller Weise paßt sich bier die Decoration den architektonischen Linien des Prachtbaues an, angestaunt und bewundert von den ungezählten Schaaren, die vorüberpassirten. Ankunft der hohen Rcichsbeaniten. Mittels eines Sonderzuges von 14 Achsen trafen heute Vormittag 9 Uhr 45 Minuten die an der Feier der Schlußsteinlegung des Reichsgerichts betheiligte» BundeSralhsmilglieder, Chefs der Neichsämter und Reichstagsabgeordneten auf dem Berliner Bahnhöfe hier ein. Es waren mit der Begleitung insgesammt dreißig Herren, die mit dem Sonderzuge hier ankamen. Tie Mehr zahl derselben haben wir in einer vorläufigen Notiz in der Morgennummnr bereits genannt. Zu erwähnen sind noch die Herren Staats- und Justizminisler Schönstedt, Eisen- bahniiiinister Thielen, bayer. Bundesbevollmächtigter Gras von Lcrchenfeld, Staatsrath Hallwachs, Bürgermeister vr. Versmann (Hamburg), Senator Pauli (Bremen), großberzoglich badischer außerordentlicher Gesandter Jage- mann, Vicepräsident Spahn und Rcichstagsabgeordneter Or. Meyer. Die Herren bestiegen unmittelbar nach der Ankunft die ihnen vom Neichsgerichtspräsidenten zur Ver fügung gestellten Wagen und fuhren nach dem Reichsgericht. Die Ankunft oes Königs und des Ksiiseis. -8- Der königliche Extrazug lies pünktlich 1 t Uhr 20 Min. im Dresdner Babnhosc ein. Ihm entstiegen zunächst Seine Majestät der König Albert, Se. königliche Hoheit der Prinz Georg und Se. Hoheit der Prinz Albert von Sachsen- AltenburH. welcher sich in Dahlen den hohen Reisenden angeschloste» hatte. Im Gefolge deS Königs befanden sich Oberstallmeister Generallieutenant a. D. von Ehren sie in, Generaladjutant Generallieutcnant von Tr eil sch ke, sowie die beiden Flügeladjutanten Major von Criegern und Major von Larisch. Den Prinzen Georg begleitete dessen persönlicher Adjutant Rittmeister Krug von Nidda. Ans dem Bahnbofe fand großer Empfang statt, an welchem folgende Herren Theil nabmen: Reichsgerichtspräsidenl von Oehlschläger, Excellenz; Generallieulenank von Hodenberg, Excellenz; Oberreichsanwalt Tessendorf^ Oberpostdirector Geh. Oberpostrath Waller; Kreishauptmann von Ehrenstein; Wirkt. Geh. Rath Graf von Könneritz auf Lossa, Excellenz; Landgerichtspräsident Priber; Oberstaatsanwalt Oberjustizrath Hentschel; Oberbürger meister Dr. Georgi; Rector der Universität Geh Medicinalrath Professor vr. Flechsig; Polizeidircclc, B ret schn e i d e r; Geb. RegierungSrath Amtshauptmanl vr. Platz mann; Amtsgerichts-Präsident Oberjuslizrals Schmidt; Kreissteuerrath vr. Hofs mann; Generalmajor vonLoeben; Generalmajor von Hausen; Oberst Polen; Superintendent Geh. Kirckenratb l). Pank; Stadtverordneten- vorstcber Justizrath vr. Schill; Bezirksschulinspector Schul ratb vr. Hempel; Bezirksschulinspector vr. Kühn; Major von Kospolh; Hauptmann Leuckart von Weißdorf und Haupkmaiin von Bennigsen, Platzmajor von Leipzig. Der König begrüßte die erschienenen Herren mit herzlichen Worten, insbesondere unterhielt er sich mit Polizeidireetor Bre t s ch n e id e r, dem er mündlich noch Glückwünsche zu seiner Errettung aus Lebensgefahr aussprach. Auch Prinz Georg fügte Glückwünsche hinzu. Hieraus über brachte der zum Ordonnanzdienst beim König be fehligte Hauptmann Bucker I. vom 134. Infanterie regiment den Frontrapport. Als Se. Majestät das Fürslen- zimmer betrat, präsentirte die vor dem Bahnbofe aufgestellte, von Hauptmann Dickhoff befehligte Ehrencompagnie. Dem königlichen Sonderzug folgte ^12 Uhr der aus fünf Salonwagen gebildete Sonderzug Sr. Majestät des Kaisers. Zur Begrüßung traten auf den reich mit Blatt pflanzen und Fahnenarranaements geschmückten Perron nur Se. Majestät der König, Prinz Georg und Prinz Albert von Sacksen-Allenburg. Der Kaiser, der gleichwie König Albert große Generals- uniform trug, eilte sofort, nachdem der Wagen hielt, auf den König zu und beide Monarchen umarmten einander drei Mal in der herzlichsten Weise. Hierauf erfolgte die Vorstellung der im beiderseitigen Gefolge befindlichen Herren. In der Begleitung des Kaisers trafen ein die drei Cabinetschess General der Infanterie, Generaladjutant von Hahnke, Wirkl. Geh. Rath vr. von Lucanus und Contreadmiral Frei herr von Senden-Bidran, Admiral L la suite Sr. Majestät des Kaisers, ferner der Oberhof- und Hausmarschall Graf zu Eulenburg, der Generaladjutant Generallieutenaut von Plessen, die beiden Flügeladjutanten Oberst von Moltke und Major von Moltke, sowie der kaiserliche Leibarzt vr. Leut hold. Beide Monarchen, die. als sie aus dem Fürstenzimmer berauSl raten, mit begeisterten jubelnden H-'chn'f-,, '-eg'-ns,» wurden, schritten hieraus in Begleitung des Prinzen Georg die Ehrencompagnie ab, worauf diese in Seclions- colonnen vor den Allerhöchsten Herrschaften desilirte. Es war ein prächtiges militairisckeS Bild, das sich hier in Gegenwart der Ofsiciere der Garnison vor den Augen der obersten Kriegsherrn abspielte. Der Ebren- compagnie schloß sich im Vorbeimarsch die von Rittmeister Brückner vom 19. Husarenregiment befehligte Husaren- Escorte an. Dann bestiegen die Monarchen den für sie bereit gehaltenen Wagen und unter abermaligen brausenden Jubel rufen der vieltausendköpfigen Menge begann der Einzug in die Stadt. Ter Einzug des Kaisers und des Königs. Ungeheure Menschenmasseu hielten die Feststraße zu beiden Seiten besetzt. Die Fenster, Balcone, die Mauervorsprünge, die Promenadenbäume — Alles ward benutzt, um einen Blick auf die einzicbenden Monarchen zu gewinnen. Auf dem Augustusplatz entwickelte sich noch in der letzten Viertelstunde ein schwunghafter Schwere Kämpfe. Roman ans dem «rohen Kriege. 48j Von Earl Tanera. Nachdruck verboten. lffortsrtznna.) „Donnerwetter, wenn ich mich in die Lage der armen sranzöstschen Ofsiciere und Soldaten denke, muß ich sie doch aufrichtig bedauern. Für wen sie sich hier eigentlich schlagen, wissen sie ja gar nicht. Sie sind sich ja noch nicht einmal klar, welche Regierung ihres Landes die berechtigte ist. Viele werden nur mit Widerwillen ihr Blut für eine Republik einsetzen, die ihnen im Grund ihrer Seele im höchsten Grade unsympathisch ist." „DaS glaube ich auch. Aber die Meisten beabsichtigen wohl nur, ihren militairischen Ruf, der unter uuseren Schlägen so sehr gelitten hat, Wiederherrustellen." „Na, viel Ruhm ist im Kampfe mit einer so gemeinen Bande auch nicht zu holen." Man wurde durch ein neues Anwachsen deS Schlacht- getöseS unterbrochen. Die CommunarbS wichen wahrschein lich vor einem all,remeinrn Sturm der Versailler in östlicher Richtung zurück. Dadurch tauchte die Möglichkeit auf, daß sie über die Umfassung von Paris heraus und gegen die deutschen Linien geworfen würden. Es verfloß aber ein weiterer Tag, ohne daß die deutschen Truppen gezwungen waren, cinziigreisen. Am 28. Mai Vormittags gelang eS endlich den Versaillern, die letzten Conimunard» auf den Buttes Ehaumont z» umfassen und durch einen allgemeinen Sturmangriff völlig niederzuwerfen. Damit hatte die Com mune anfgehört zu existiren, denn ihre Anhänger waren er schossen, erschlagen, verbrannt oder gefangen. Nach der Vernichtung der Commune durften die Truppen wieder weitere Cantonnirungen belieben. Nunmehr dachte man von Neuem rnergisck an den Heimmarsch. Da traf rin Befehl ein, der dem Obrrlieutenant Horn einen tiefen Schmerz bereitete. „Bon dem bayerischen Armrecorp« von der Tann bleibt die 2. Division in Frankreich zurück, um zugleich mit drei preußischen Divisionen solang verschiedene französische Departe ment» als Pfand besetzt zu halten, bis die Zahlung der Kriegsentschädigung von 5 Milliarden erfolgt ist." Das machte einen schweren Schlag durch all seine Pläne. Er halte eS sich schon in so leuchtenden Farben auSgemalt und immer wieder vor Augen geführt, daß er sofort nach dem feierlichen Einmarsch in die Heimath um Urlaub bitten und zum zweiten Male nach Hamburg reisen wollte, um diesmal mit ganz anderen Aussichten auf einen glücklichen Erfolg vor den Vater Renatens zu treten und von ihm sein höchstes Glück zu erbitten. Nun sollte daS auf Jahre verschoben werden! Im Anfang wußte er sich gar nicht zu fassen. Es half aber alles Raisynniren nichts. Dazu mußte er bald noch gute Miene machen, wollte er nicht von seinen Kameraden ausgelacht werden. Anfangs hatten sich wohl Manche über die Verzögerung des Rückmarsches eärgert, denn wer nun fast ein Jahr im Feindesland verweilt alte, durfte sich mit Recht nach der Heimath sehnen. Schnell aber beruhigten sich die Gemüther, als man in Erfahrung brachte, welch' vortheilhaftcS Leben in materieller Beziehung und welche interessante Zeit den in Frankreich verbleibenden Truppen, besonders den jungen Officieren, bevorstand. Sie er hielten so reiche Zulagen, daß sie aus die brillanteste Weise leben, schöne Reisen unternehmen und trotzdem sich noch Ersparungen machen konnten. Dann sollten sie einen großen, ihnen noch unbekannten Theil Frankreichs sehen, schöne Städte kennen lernen und reiche Gelegenheit haben, ihren geistigen Blick zu erweitern. Dies Alles bot aber Horn, in dessen Herzen sich jetzt, wo die vielfachen Aufregungen deS Kriege» ihn nicht mehr erfüllten, die Liebe von Tag zu Tage stärker regte, keinen Ersatz. Er hätte gern mit einem Kameraden der Depot- abtheilung getauscht, wenn er bei seinem Bataillon gewesen wäre. Aber sich aus solchen Privatrücksichlen von der be vorzugten Stellung eine» OrdonnanzofficierS zurückzumelden, würde ihm wohl sehr verübelt woroen sein und widerstrebte auch seinem soldatischen Denken. Da traf eines Tages ein Dienstschreiben au» München ein, in welchem seitens der königlichen Kriegsakademie an alle jene Herren, welche sich vor dem Kriege im ersten und zweiten CotuS befanden, die Anfrage gestellt wurde, ob sic sich auch zum dritten CötuS melden wollten. Selbst verständlich ergriff Horn diese Gelegenheit zur Heimkehr mit tausend Freuden. Al- er sich 3 Wochen später bei seinem General abmeldete, meinte dieser, eS gehöre doch ein großer Eifer sür dir militairischen Studien dazu, eine so schöne Stellung wie die eines Ordonnanzofsiciers bei der OccupationSarmee auf zugeben, um sich abermals in München auf vie Schulbank zu setzen. Der Oberlieutenant wurde in hohem Grade verlegen. Er war aber zu ehrlich, um seinen General bei der falschen Meinung zu lassen. „Es ist nicht allein der Eifer für das Stueium, der mich zur Rückkehr nach München veranlaßt. Ich will es nur ge stehen, daß auch mein Herz mich in hohem Grade nach Deutschland zieht. Ich beabstchtige mich um die Hand einer Hamburgerin zu bewerben." „Ei sieh mal einer den Duckmäuser an! Davon haben Sie ja noch gar nichts verlauten lassen." „ES war »och keine Gelegenheit dazu, Herr General." „DaS mag sein. Nun, ich wünsche Ihnen alles Gute sowohl in der Akademie als auch auf Ihren Privatwcgeu. Leben Sie wohl." Hierauf verabschiedete Horn sich auch von den übrigen erren des Stabes und ritt dann zu seinem Jägerbataillo». ie Trennung von demselben wurde ihm nicht jchwer, weil fast das ganze Bataillon ein anderes geworden war. Von den Officieren, die vor einem Jahre den Ausmarsch mit- gemacht hatten, gab eS nur noch drei. Die anderen lagen bei Sedan und auf den Schlachtfeldern an der Loire be graben oder lebten verwundet in Deutschland. Auck von den Mannschaften befanden sich nur noch die jüngsten Jahrgänge bei der Truppe. Man hatte nämlich alle jungen während deS Krieges beim Depot auSgcbildetrn Jäger im Laufe deö Juli zum Feldbataillo» entsendet und dafür die älteren Leute in die Heimath entlasten. So traf er bereits die Unter- officiere Waldstätter, Heeg und Erlenbauer nicht mehr an, und auch die Jäger Niederer und Aubele fehlten. Am 25. August l871 kam Horn mit seinem treuen Witzel berger in Lt.g»y an, das noch immer die Kopsstation der unter deutscher Leitung stehenden Eisenbahn nach Nancy und Straßburg bildete. Die beiden Pferde wurden rasch verladen, und eine halbe Stunde später fuhr man in glücklichster Stimmung dem deutschen Vaterland entgegen. Horn batte bi» zum l. October, an dem er sich in der Kriegsakademie melden mußte, Urlaub erbalte» und beabsicktigte zuerst in München seine Mutter zu begrüßen, sick in Allem neu a»S- zurüstra und dann so rasch wie möglich nach Hamburg zu reisen, um dort sein höchstes Glück zu erobern. 25. Am 28. August kam Oberlieutnant Horn wieder in München an. Er batte auch diesmal vorauStelegrapbirt, weil seine Mutter Ueberraschungen nicht liebte. Sie stand in der Bahn hofshalle auf der gleichen Stelle, wie vor beinahe einem Jahre. Aber wie ganz anders sah sie aus! Ihr Gesicht strahlte, und unruhig wandte sie sich bald hierhin, bald dort hin, um an den Tragsäulen vorbei hinauszusehen, ob denn der Zug noch nicht einfabre. Dann besprach sie zum so und so vielten Male mit Kati HUeS, was zu tbun jei, um die Ankunft des zurückkebrenden Heiken recht feierlich zu gestalten. Endlich warfen die leuchtenden Laternen der Locomotive ihren Schein voraus, ein schriller Pfiff verkündete die Ankunft LeS Zuges, und jetzt hielt er in der Halle. Das war ein anderes Aussteigen, wie als Verwundeter. Mit einem Satz sprang der junge Officier auS dem Wagen und fiel seiner Mutter um den Hals. Im Tone des höchsten Glückes jubelte sie: „Mein theuerer, geliebter Sohn!" Sie umarmten und küßten sich wiederholt; die Mutter konnte sich gar nicht an dem geliebten Sohne satt sehen, und als Horn in den Pferdewagen kletterte, um das Ausladen seiner Pferde zu überwachen, kam sie getreulich mit, um sich nur nicht einen Augenblick von ihrem Liebling trennen zu müssen. Endlich fuhr man nach Hause. Kati war vorausgegangen, um noch einmal Alles nach- zuseben. Wie war Horn erstaunt und erfreut, als er schon von der Straße au« alle Fenster der Wohnung seiner Mutter feierlich illuminirt sah. „Ei wie hübsch! Aber was werden denn die Nachbarn sagen?" „Die sollen sich mit mir freuen. Wir haben die ganze Stadt illuminirt, als die erste Division ihren feierlichen Einzug kielt; also kann ich auch meine Wohnung zum Einzug meines EohncS feierlich erleuchten." „Tausend Dank, liebes, gutes Mütterchen. Du verwöhnst mich zu sehr." „Ich bi» ja so überaus glücklich. Dick wieder zu haben." Sie erstiegen die Treppe. Guirlande reihte sich an Guirlande, und die Wobnungstbür war in eine Art von Triumpbpforte verwandelt, deren Spitze ein hübscher in Silberschrift aus blau hergestelller Willtommengruß bildete. Wirklich gerührt dankte Horn seiner guten Mutter und der treuen Kati. ..Komm nur erst in Dein Zimmer!"
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview