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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.08.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-08-11
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970811013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897081101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897081101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-08
- Tag1897-08-11
- Monat1897-08
- Jahr1897
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DezugS-PreiS k« der Hauptexpeditlon oder den km Stadt» bezirk und den Bororten errichteten Au«» yavestellen ad geholt: vierteljährlich ^l4.öO, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus ./e ö.50. Durch die Post bezogen sür Deutschland und Oesterreich: rierteliährlich 8.—. Directe tägliche Kreuzbaildiendung ins Ausland: monatlich 7.S0. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr. die Abend-AuSgabe Wochentags um L Uhr. ——o«»c—— Ne-action und Erve-ition: AohnnneSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Otto Klemm's Sortim. (Alfred Hahn), Universitätssrrahe 3 (Paulinum), Louis Lösche. Kathorlnenstr. ri, pari, und Lünig-plätz 7- Morgen-Ausgabe. KWM.TagMM Anzeiger. Amtsblatt des Aönigkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. D5. Mittwoch den 1l. August 1897. AnzeigenPreiS die 6 gespaltene Petitzeile rv Pfg. Reklamen unter dem RrdactiouSstrich (4 g» spalten) üO^z, vor den Familiennachrichter (6gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- vrrzeichniß. Tabellarischer und Zifferasatz nach höherem Taris. Extra-vetkagen (gefalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbefördermrg 80.—, mit Postbeiörderung ^l 70.—. Annahmeschluß sür Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Lleivzi^ 81. Jahrgang. Der CarteUgedanke in Preußen. 52 Inmitten der parteipolitischen Verwirrung die uns um» giebt, muß es als eine erfreuliche Erscheinung begrüßt werden, daß wenigstens die s äch fisch e n Confer valive» sich von der Bewerbung der „Kreuzztg." um ein Bündniß mit dem Ultra- niontanisniuS unangenehm berührt zeigen. Der „Leipziger Zeitung" sind die Gunstbettler sogar so fatal, daß sie auS einer stürmischen Liebeserklärung des Berliner Blattes eine „directe Lossagung" vom Centrum macht. Durch solche Umkeh rung der Thatsachen kann man aber höchstens einige Leser täuschen, unbequeme Dinge schafft man damit nicht auS der Welt. Der Wunsch nach einem Bund mit dem Centrum tritt sehr deutlich hervor, die „Kreuzztg." bezeichnete auch schon die Morgengabe, die man im conservaliven Hause für die Umworbene bereit hält: ein Schulgesetz, wie das Zedlitz'sche, das sür die katholische Geistlichkeit, nicht aber sür die evangelische, eine ungeheuere thatsächliche Machtzunahme nach sich gezogen hätte. Aus dieser bargebotenen Rose eine Nessel zu machen, wird vermuthlich selbst der „Leipziger Zeitung" zu schwer fallen, und sie dürfte sich wahrscheinlich damit Helsen, daß sie das Anerbieten der „Kreuzztg." mit Stillschweigen übergeht. Das gleiche Verhalten ist ein Gebot der Nothwendig- keit sür die „Schles. Ztg.", die „von nationalliberaler Seite" auseinandersetzeu läßt, was Herr v. Miquel neulich procla- mirt habe, sei im Grunde nichts Anderes als der alte Cartellgedanke und dessen Verwirklichung sei keineswegs aussichtslos. Daß Herr v. Miquel eigentlich gar nichts proclamirt, daß es an einem „Programm" noch schle, muß freilich die „Schles. Ztg." selbst einräumcn. Cs bedürfte aber zur Zeit weder der Wiederaufnahme conser- vativen Drängens nach einem klerikalen Schulgesetz, noch des Mangels eines Regierungsprogramms, um das Zurückgreisen auf das Cartell in Preußen als unmöglich erscheinen zu lassen. Hierin müssen wir der „Kreuzztg." zustimmen, deren gruud- lätzlichc Abneigung gegen einen Zusammenschluß der nationalen OrcnungSparleicn man uns im Uebrigeu nicht wird nachsagen wollen. TaS Berliner Blatt weist auf daS Fehlen einer gemeinsamen Wahlparole hin und bezeichnet die Klotten- verslärknug als zu einer solchen nicht geeignet. Wir stoßen da zunächst auf ein inlercssantesZugestänbniß: „Die „Kreuzztg." ist gewiß für die Vermehrung der Marine emgelreten, sogar kräftiger, als vielleicht Manchem unserer Freunde lieb war." Es war ja schon bekannt, daß die conservative Partei in der Beurlheilnng von Marinefragen nicht eines Sinnes ist, aber es ist bisher noch niemals aus dem Lager heraus zugegeben woroen. Zur Sache selbst wird bemerkt: „Ist bas (die Floltenfrage) wirklich eine Wahlparole, die mit gleicher Kraft auf die Kreise, an die wir Conservaliven uns wenden müssen, wirkt wie eine Heeresvorlage? Das glaubt wohl Niemand unter uns." Das ist gewiß eine sehr wichtige Meinungs und wohl auch Willenskundgebung der konservativen Partei. Der tieferen Bedeutung nachzugeben, fühlen wir uns nicht aufgelegt, eS genügt, die Richtigkeit der Auffassung zu be zeugen, daß die Flottenangelegenheit nicht in den Mittelpunkt deS nächsten Wahlkampfes zu bringen sein wird. Sie wird freilich eine große Rolle spielen, aber, wie ihre bisherige Be handlung leider befürchten läßt, mehr als Hebel der radikalen Agitation denn als Sammelpunkt der nationalen Elemente. Den wird eine politische Frage allein vermöge der ibr inne wohnenden Bedeutung überhaupt nicht bilden können, in Deutschland wenigstens nicht. E« bedürfte einer Regierung, die zu führen und in den zum Zusammenwirken berufenen Parteien die Extremen niederzuhallen versteht. Wie cS damit bei unS bestellt ist, braucht nicht mehr erörtert zu werden. Ein Cartell ist in Preußen also auch ausgeschlossen, weil da« radikale Agrarierthum die Führung der kon servativen Partei übernommen und bis zu den Wahlen behalten wird. Mancher guten, wirklich konservativen Seele, die sich zur Stunde darüber täuschen läßt, werden die Augen zu spät ausgeben. Es gehört allerdings eine fast unverantwortliche Gutherzigkeit dazu, nicht schon jetzt zu sehen, wie die Dinge liegen. Man braucht gar nicht an Herrn von Ploetz und seine eben wieder alle socialdemokratische Leistungen übertrumpfende Hetzpresse zu denken. Die „Kreuzztg", das führende Organ, ist deutlich genug, sie macht bereits gegen den noch gar nicht ins Amt getretenen künftigen ReickSschatzsecretair Frhr. v. Tkielinann, der natürlich kein grundsätzlicher Anhänger des Zollkrieg- Systems ist, Stimmung, und droht ihm sehr verständlich mit einer mindestens ebenso schlechten Behandlung, wie sie den Herren von Marschall und von Boetticher von Seiten der von Herrn von Ploetz abhängigen konservativen Parteileitung zu Theil geworden ist. Dieses von dem Ueberwuchern des extremen, in seiner Agitation grundstürzenden Agrariertbums gebildete Hinderniß einer Verwirklichung des Cartellgedankens in Preußen läßt die „nationalliberale" Zuschrift der „Schles. Ztg." -unerwähnt. Sie begnügt sich, auf die Bemühung der „Köln. Ztg." um ein freisinnig-klerikal-nationalliberales Cartell hinzuweisen. Die „skurrilen Einfälle" dieses Blattes werden aber gleichzeitig als bedeutungslos gekennzeichnet und daS mit vollem Recht. Es gehört sehr viel Urtheilslosigkeit oder böser Wille dazu, hinter dem Treiben der „Köln. Ztg." die nationalliberale Partei zu suchen. Auch nicht eine „Gruppe", ja wir dürfen sagen, nicht ein einziger Mann in der nationalliberalen Fraktion, der Theil an den Unbesonnen heiten des rheinischen Blattes hätte. Vom Centrum trennt die nationalliberale Partei eine Welt, das ist so offenkundig, i daß der Gegensatz, trotz der „Kölnischen Zeitung", gar I nicht ausdrücklich versichert zu werden braucht. Die „Köln. Zeitung" vertritt neuerdings aber auch eine aus gesprochen agrarfeindliche Politik und befleißigt sich dabei eines Tones, der kaum mehr von dem der „Frankfurter Zeitung", die soeben von den Agrariern als einer „Bande" gesprochen hat, zu unterscheiden ist. Diese Erscheinung muß den Wunsch nach der Auszeichnung einer Grenzlinie rege machen; es ist wohl auch nur der parlamentarischen Ferien- und Reisezeit zuzuschreiben, daß eine solche im Parteiorgan nicht erfolgt ist. Das Wahlprogramm der badischen tlationaUiberalen. Tas Wahlprogramm der nationalliberalen Partei Badens hat folgenden Wortlaut: Wir werden als unabhängige und selbstständige liberal politische Partei alle Maßregeln der Regierung lediglich nach ihrer sachlichen Berechtigung prüfen, das Wohl des Vater landes und die Interessen des gejammten Volkes zur obersten Richtschnur unseres Handelns machen. Wir werden die nationalen Errungenschaften einer großen Zeit stets hochhalten, für die Aufrechterhaltung der Machtstellung des deutschen Reichs mit Entschiedenheit eintreten. Wir streben nicht nur die Erhaltung der verfassungsmäßigen Rechte des Volkes, sondern auch den weiteren Ausbau unserer Ver- fassungseinrichtungen an. Insbesondere sind wir bereit, dazu mltzuwirken, daß das bisher bestehende indirekte Wahlrecht zum Landtag durch ein angemessen gestaltetes direktes ersetzt wird. Die Gleichberechtigung aller Bekenntnisse erachten wir als einen Haupt grundsatz liberaler Politik und werden demselben stets treu bleiben. Wir werden alle kirchlichen Herrschufksgelüste mit Energie bekämpfen; die im Interesse des konfessionellen Friedens nothwendigen Hoheit s.- rechte des Staates über die Kirche in vollem Umfange auf rechterhalten. Wir wollen unseren Volksschulen Len Charakter staatlicher und konfessionell gemischter Anstalten erhalten und werden jedem Versuche der Kirche, auf diesem Gebiete eine Herrschaft zu er- ringen, rückhaltlos entgegentreten. Wir werden bemüht jein, den aus dem nächsten Landtag zu berathenden Aussührungsgejetzen zu dem Bürgerlichen Gesetzbuch sür das deutsche Reich eine Gestalt zu geben, welche der Eigenart unseres Landes angemessen"ist, und wollen aus denjenigen Gebieten, auf welchen die Landesgejetzgrbung freien Spielraum besitzt, bewährte Einrichtungen unserer engeren Heimath auch fernerhin erhalten. Wir leben in einer Zeit, in welcher die wirthschaftlichen Interessen stark in den Vordergrund treten. Allen diesen Fragen werden wir die aufmerksamste Sorgfalt zuwrnden und bestrebt sein, Landwirthschast, Industrie, Gewerbe und Handel nach jeder Rich tung hin zu fördern und zu unterstützen. Die Erhaltung eines kräftigen und leistungsfähigen Mittelstandes gehört zu den allerwichtigsten Aufgaben der Gegenwart. Dec Mittelstand in den Städten und aus dem Lande bildet die wesentliche Grundlage für ein gesundes staatliches und wirlhschaftliches Leben. Wir erachten es daher für eine der vornehmsten Pflichten unserer Partei, sür die Erhaltung dieses Mittelstandes, für die nachhaltigste Unterstützung I desselben in dem schwierigen Kampfe, den er zu bestehen hat, ein-> zutreten. Wir würdigen in vollem Maße die schwierige Lage, in welcher die deutsche Landwirthschast sich befindet, und sind bereit, ür alle mit dem Gemeinwohl veceinbartcnMaßregeln einzutreten, welche geeignet erscheinen, diese Nothlage zu beseitigen und zu mildern und der Landwirthschast zu einer neuen Blinde zu verhelfen. Insbesondere ist zu erstreben, daß der heimische Getreidebau wieder ein lohnender werde. Für den Handwerkerstand hat die Reichsgesetzgebung eine neue Organisation geschaffen. Wir begrüßen dieselbe, insofern sie dem Handwerk eine geordnete Vertretung in Handwerkskammern gewährt und eine Besserung der Lehrlingsvcrhältnisse in Aussicht stellt. Tie weitere Ausgestaltung dieser Gesetzgebung bleibt zunächst der Ini tiative deS Handwerkerstandes selbst überlassen. Die wucherischen Bestrebungen und den unlauteren Wettbewerb werden wir mit Entschiedenheit bekämpfen und, falls die bisherigen Gesetze sich nicht als ausreichend erweisen sollten, auf die Erlassung neuer Bestimm ungen Bedachtnehmen. Wir werden den soliden Kausmannsstand vor der Concurrenz durch Schleudergeichäfle nach Kräften zu schützen suchen. Durch die unter unserer Mitwirkung zu Stande gekommene Ab änderung der Gewerbeordnung ist der Hausirhandel wesentlichen Beschränkungen unterworfen worden. Wir werden bemüht sein, aus eine strenge Handhabung dieser Gesetze hinzuwirken und dem Ueber- handnehmen des Gewerbebetriebs im Umherziehen durch eine stärkere Heranziehung desselben zur Gemeindebesteuerung entgegenzutreten. Die Grundgedanken unserer Socialgeseygebung wollen wir aufrecht erhalten, fordern aber aus Grund der gemachten Er fahrungen eine Verbesserung und Vereinfachung der bisherigen Ein richtungen. Wir sind bereit, sür eine weitere Fortbildung der im Interesse der arbeitenden Classen getroffenen Maßregeln einzutreten, soweit es die Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit der deutschen In dustrie und die Concurrenz mit dem Auslande möglich erscheinen läßt. Wir werden bestrebt sein, durch eine weitere Ausdehnung unserer Staats- und Privatbahnen denjenigen Landestheilen, welche bisher noch nicht im Besitze von Eisenbahnen sind, die Wohlthat solcher zu Theil werden zu lassen. Verkehrserleichterungen und Verkehrsverbilligungen auf den Eisenbahnen sind wir bereit, zu fördern und zu unterstützen, soweit dies mit. den allgemeinen Inter- essen des Landes vereinbar ist. Wir treten sür eine Reform unseres staatlichen Steuersystems ein, durch welche den Grundsätzen der Gerechtigkeit in noch höherem Maße, als bisher, Rechnung ge tragen und auch bei der Besteuerung von Grundbesitz, Gebäuden und Gewerben der Abzug der Schulden ermöglicht wird. Eine schärfere Abgrenzung der Reichs- und Staatssinanzen aus einer dauernden gesetzlichen Grundlage halten mit nach wie vor für eine unbedingte Nothwendigkeit. Deutsches Reich. * Berlin, 10. August. Wir haben bereits erwähnt, daß die „Post" die Ermordung Canovas' in Zusammenhang mit der Ablehnung der preußischen Vereinsgesetz novelle brachte. Die „Post" schreibt nämlich: „Jetzt folgt aus ein Votum der (nationalliberalen) Partei, nach welchem Versammlungen auch dann nicht geschlossen werden dürfen, wenn darin anarchistische, auf den Umsturz Les Staates gerichtete Bestrebungen in einer die öffentliche Sicherheit und ins besondere die Sicherheit des Staates gefährdenden Weise zu Tage Feuilleton. O diese Hitze! Medicinische Plauderei von vr. Hermann Bürger. Nachdruck «<rb»ten. „Gut, daß ich Sie gerade treffe, Herr Doctor! Sagen Sie mir blos, was lhut man gegen diese unerträgliche Hitze?" „Nichts, mein Verehrtester." „Hm! Das Recept ist zwar billiger, als eS sonst bei Ihnen der Fall ist, aber diese Antwort ist doch nur ein mäßiger Scherz." „Durchaus nickt. Ich befinde mich mit dieser Antwort sogar in vollster wissenschaftlicher Uebereinstiinmung mit einem berühmten Wiener Professor. Vor einigen Jahren veranstaltete nämlich ein enquete-wüthigeS Wiener Blatt eine Rundfrage bei allen dortigen medicinischen Größen, was man gegen die enorme Hitze thun solle, worauf ein ganz Großer den Bescheid gab, man solle den ganzen Tag sehr leicht gekleidet in einem möglichst kühlen Zimmer in liegender Stellung verbringen und sich möglichst wenig bewegen. Er vergaß nur hinzuzu fügen, daß jeder Mensch die moralische Verpflichtung hat, als Rentier zur Welt zu kommen. „Sehen Sie, es ist doch nur ein Scherz. Außerdem giebt'S gar keine kühlen Zimmer. In den Zimmern ist'S, namentlich NachtS, noch unerträglicher." „Nun, das liegt häufig an schlechter Eintbeilung; oft bleiben die Fenster viel zu viel geöffnet. Früh sollen die Zimmer gelüftet werten. Aber wirklich gelüftet, nickt nur Fenster geöffnet, sondern Fenster und alle Thüren zugleich. Wenn Sie sich vor Zug fürckten, gehen Sie hinaus; legen Sie aber vorher auf lose Papiere Briefbeschwerer! Um neun Uhr werden die Fenster geschlossen, die Zimmer durch Jalousien oder Vorhänge ein wenig verdunkelt, aber nicht dunkel gemacht. Von sechs Uhr AbenbS an werden die Fenster wieder geöffnet. Wenn Sie bei offenem Fenster schlafen — und das ist im Sommer nickt dringend genug zu empfehlen — so müssen Sie vor allen Dingen die oberen Fensterflügel öffnen, nickt nur die unteren. Daß die von allen guten Deutschen so innig geliebten Federbetten strenz zu verbannen sind, ist selbstverständlich. Leichte Wolldecken und bloße Matratze!" „Thun wir Alles, Herr Doctor, hilft aber Alle» nicht«. Wir wälzen un« doch Nackt- ruhelos auf unseren bloßen Matratzen umher, so heiß bleibt da- Zimmer." „Ja, ja, kann mir'« denken. Sie kennen ja mein Stecken pferd von den Hauswänden, die voller Tücke nächtlicherweile des Tage« ausgespricherte Sonnenhitze (im Frühling die Winterkält«) au-strablen. Da« ist natürlich in Zimmern, die nach Süden oder Westen gehen, am schlimmsten. Ihr Schlaf zimmer liegt wohl so?" „Aber Herr Doctor, wir wählten ja gerade auf Jbren Rath da« größte, hellste, sonnigste Zimmer zum Schlaf zimmer." „Sehr richtig. Aber Sie vergessen, daß wir nur höchsten« drei Monate lang diese unerträgliche Hitze haben. E« ist merkwürdig, wie wenig Menschen auf die so naheliegende Idee kommen, ihr Schlafzimmer für die Monate zu verlegen. Sie werden oft hören, daß Jemand erzählt, er habe es vor Hitze im Schlafzimmer nicht ausgehalten und habe sich endlich im Salon oder sonstwo auf« Sopha gelegt. Aber auf die Idee einer völligen Umquartierung verfällt Niemand. Wegen einer kleinen Tanzgesellschaft ist jede Hausfrau erbötig, die ganze Wohnung umzustellen; aber um sich die Sommer monate lang einen gesunden Schlaf zu verschaffen, die Zimmer zu verlegen, dazu ist sie nicht zu bewegen. Und doch braucht man sich im Sommer sein Leben gar nicht durch die edle Rücksicht auf gute Bekannte und Gaste zu verbittern." „Ich will'« mal meiner Frau Vorschlägen, aber ich fürchte, sie wird sich schwer dazu bewegen lassen." „Sagen Sie ihr nur, eine Prinzessin, oder noch bester, eine geheime Commerzienräthin hat diese Mode eingeführt, vielleicht siegt dann in ibr der weibliche Nachahmungstrieb." „Ich will mit aller Energie darauf hinarbeilen, obwohl ick gar keiner rechten Energie mehr fähig bin. Ich komme immer ganz aufgelöst nach Hause. Ich glaube. Nächsten kriege ich einen Hitzschlag." „Na, na, nur nicht bange sein, davor dürften Sie ziemlich sicher sein. Sehen Sie einmal, wir haben für den Hitzscklag zwei Hauptursachen, die häufig beide Zusammenwirken. Die eine ist die directe fortgesetzte Bestrahlung des Kopse- durck die glühenden Sonnenstrahlen, davor sind Sie durch Ihren breiten Schlapphut gut geschützt, und wenn Sie auch auf der Straße den Hut gelegentlich ein paar Minuten ab nehmen, um der oberen Kopfpartie frische Lust zuzuführen, so brauchen Sie noch nicht gleich zu befürchten, daß Sie den Hitzschlag davon bekommen. So schnell gebt's nickt mit der Insolation. Aber darauf können Sie zweck mäßigerweise Ihr Augenmerk richien, daß Ihre Kinder vernünftiße Kopfbedeckungen tragen. Denn die Kinder, die sich jetzt im Freien aufhalten und dabei mit Vorliebe stunden lang auf den sonnigsten Stellen verweilen, müssen nicht nur vor der direkten Kopfbestrahlung geschützt werden, sondern auch vor nicht gering zu schätzenden Gefahren, die den Augen der Kinder durch da« grelle Sonnenlicht erwachsen. De-Halb kaufen Sie also für Ihren Jungen eine leichte Mütze mit einem nicht zu kurzen Stirnschirm und für Ihre zwei Mädel Strohbüte mit ganz breiter Krämpe, sogenannte Florentiner. DaS ist zwar, wie ich glaube, augenblicklich nicht sehr modern, aber Mode und Hygieine waren ja stet« Antipoden. Doch um noch einmal aus den Hitzschlag zuriickzukommen, vor den. Sie sich angeblich so fürchten. Die zweite Hauptursachc ist die durch übermäßige« Schwitzen herbeigesübrte enorme Wasterentziehung deS Blute«, durch die da« Blut allmählich dem von schweren Cbolerakranken ähnlich wird. Das ge schieht besonder« bei sehr langen Märschen, auf denen es keine Möglichkeit, Flüssigkeit zu sich zu nehmen, giebt, und namentlich dann, wenn man sckwere« Gepäck zu schleppen bat. Dazu kommt dann womöglich noch bei militairiscken Märschen die gefürchtete Colounenlust und beengende Kleidung. Die fortgesetzten Versuche beim Militair, den steifen Uniform kragen abzusckafftu, entspringen ja keineswegs ästhetischen Rücksichten, sondern sollen nur die Leistungsfähigkeit der Mannschaften auf Märschen erhöhen. Aber sehen Sie, da- Alles fällt bei Ihnen weg. Sie machen keine forcirten Märsche, Sie tragen kein schweres Gepäck, Sie lassen vor allen Dingen nie zu lange Zeit verstreichen, bis Sie Ihrem verehrten Corpus die nöthige Flüssigkeitsmenge und vielleicht darüber hinaus zusühren. Also brauchen Sie weiter keine Angst zu haben. Höchsten« wäre noch zu erwägen, ob Sie nicht " „Aber, Herr Doctor, was machen Sie denn? Sic würgen mich ja! Warum fahren Sie mir denn mit der Hand in den Kragen?" „Schon gut! Ich wollte mich nur handgreiflich davon überzeugen, Laß Sie zum Theil selbst daran schuld sind, wenn Sie es vor Hitze nickt auShalten. Ihr Kragen und Oberhemd sind um mindestens zwei oder gar drei Cenlimeter zu eng. Tas wird mir noch stets ein Räthsel bleiben, warum unter tausend Herren noch nickt einer sich dazu entschließt, im Sommer um den Hals herum ein bis zwei Cenlimeter weiter zu gehen. Und doch wird jeder, der sich den Luxus gestatten kann, im Sommer weitere Wäsche zu tragen als im Winter, daran einen ganz erheblichen Vortheil in der heißesten Jahreszeit verspüren. Und wenn gar, wie bei Ihnen, sich der Kragenknopf so fest in den Hals eindrückr, so bringt das aus jetzt nickt näher zu erörternden Gründen gleichfalls eine Gefahr für die Sebtüchtigkcit der Augen." „Schön, ich will mir'S merken, Herr Doctor. Aber sehr menschenfreundlich finde ich es von Ihnen, daß Sie eS aus drücklich gutheißen, daß ich mir selbst häufig Stärkung zu- fübre. Sie sagten dock, Laß man möglichst viel Bier und Wein trinken soll, um sich vor dem Hitzschlag zu schützen." „Alter Freund, das habe ick nickt gesagt. Da könnte denn doch der Nutzen, den die Flüssigkeit-Zuführung bringt, durch den Schaben reichlich ausgewogen werden, den der edle Alkohol stiftet. Wenn Sie sich durchaus vor der innerlicken Anwendung des Wassers graulen und auch den Mineral wässern keinen Geschmack abgewinnen, so trinken Sie wenigsten- jetzt bei der Hitze nur die leichten, zi mlich alkoholfreien Biere, Braunbier, Doppelbier, Grätzer, Berliner Weiße. Davon können Sie unbesorgt einen ziemlichen Posten vertilgen, ehe Sie al- kohlensaurer Ballon in die Lust fliegen." „Also lauter obergährig: Biere? Das ist nicht schön von Ihnen. Aber Sie sprachen da soeben von der innerlichen Anwendung des WasserS; das gehört nun noch zu meinen ständigen Somnierärgern, daß auch die äußerliche Anwendung de« Wassers, da« kalte Baden, Schwimmen, ja selbst das kalte Douchen nur eine momentane Erfrischung giebt." „Die größte Erfrischung werden Sie verspüren, wenn Sie sich daraus beschränken, zu Hause einige kalte Douchen zu nehmen und sich hinterher ohne erheblichen Kleiderauf- wanv noch ein halbe- Stündchen in Jbrem kllblsten Zimmer aufbalten. Wer freilich kein eigenes Badezimmer hat, ist übel dran. Dann kann man die erfrisckende Wirkung des kalten Bake« nur dadurch verlängern, daß man sich zum Baben oder Schwimmen Reseroewäsche mitnimmt. Denn sobald man selbst nach dem erfrischendsten Bade wieder in alle Wäsche schlüpfen muß, die man auf dem Wege zum Bade benutzt hat, ist die ganze Wirkung im Moment ver flogen. UebrigenS fange ich allmählich an, mich mit dem Babesystem der Japaner zu befreunden. In Japan nimmt man auch im Sommer warme Bäder, und zwar nach unseren Begriffen sehr warme Bäder, von 32 Grad Cel sius und darüber. Sitzt man etwa eine Viertelstunde in einem derartigen Bade und nimmt zum Schluß eine Kopf- Touche von Zimmertemperatur, aber beileibe keine ganz kalte Touche, so verspürt man wirklich nach dem Bade ein« Erfrischung, die mehrere Stunden lang anhält." „Dann will ich's auck einmal versuchen, Herr Doctor, und Ihnen im schlimmsten Fall als japanisches Versuchskaninchen dienen. Aber da Sie mir heule schon so viel Rede und Antwort gestanden haben, hätte ich noch eine Frage an Sie. Ist daS Essen von rohem Obst, Kirschen, Erdbeeren, Johannis beeren u. s. w. wirklich so ungesund und gefährlich, wie Viele behaupten?" „Ungesund? Gefährlich? Ganz im Gegentheil! ES müßte viel mehr Obst gegessen werden, im Sommer sowohl, wie im Winter. Gerade die oberen Zehntausend und der gesammte solide Mittelstand essen im Verhältniß zu den Vege- tabilien viel zu viel Fleischkost. Das Obst ist nicht nur an genehm von Geschmack, sondern auch der Gesundheit und der Verdauung zuträglich. Wollen Sie Ihr Gewissen aber ganz ausdrücklich beruhigen, so lassen Sie das Obst, La- Sie oder die Ihrigen genießen, immer erst sauber in fließendem Wasser abspülen." „Ganz Recht! Sie sagen: der Verdauung zuträglich. Aber das ist es ja eben, vielleicht zu sehr zuträglich. Sie wissen, was ich meine. Und im Sommer . . . ." „Aber ick bitte Sie, lieber Herr, wozu sich stets sein Leben durch Furcht vor Bacillen, oder in diesem Falle vielleicht vor Amöben verbittern? Selbst wenn die von Ihnen gefürchtete Wirkung eintreten sollte, ist eS auch noch nickt so gefährlich. Bei einem leichten Anfall von Ver dauungsstörung kann ich Ihnen ein sehr bewährtes und — Sie haben mich vorhin wegen meiner theuren Recepte an gezapft — außerordentlich billiges Recept geben: einen halben ober eventuell einen ganzen Tag fasten, das hilft fast immer. Bei stärkeren Anfälle» müssen Sie natürlich ärztliche Hilfe requiriren. Meine Adresse ist Ihnen ja bekannt." „Leiber!" „Lieber Freund, Sie freuen sich ja doch, wenn ich komme. Aber jetzt, denke ich, haben wir bei der Hitze lange genug hier gestanden; kommen Sie mit hinüber, eine Pilsener trinken?" „Aber, Herr Doctor, Pilsener?! das ist doch kein ober- gährigeS Bier?" „Lassen Sie gut sein! Wenn ich meinen Patienten ober- gäbrige« Bier empfehle, so weiß ich, daß sie trotzdem noch genügend andere- Bier von schwererem Kaliber vertilgen, aber dann wenigstens hoffentlich mit Maß. Aber ein Pilsener wird un« nicht umbringen!" „Ich glaube auch nicht. Also loS, Herr Doctor, die Hitze ist wirklich unerträglich!"
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