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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.06.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-06-03
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960603024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896060302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896060302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-06
- Tag1896-06-03
- Monat1896-06
- Jahr1896
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Die Morgen-An-gabe erscheint um '/,7 Uhr. di» Abend-Ausgabe Wochentag» um 5 Uhr. Kedaction und Expedition: AvhanneSgaffe 8. DirUxpeoition ist Wochentags unuuterbrochea geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Dito Klemms Sortim. (Alfred Hahn). Universitätsstraße 3 (Paulinunt), Laut« Lösche, Kathannenstr. 14, Part, und Königsplatz 7. BezrrgS-PreiS in der Hauptexpedttion oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4.50, bei tweimalioer täglicher Zustellung in« Hau» 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel>ädrlich X 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandienduug in« Ausland: monatlich 7.50. Abend-Ausgabe. ripMtr TaMM Anzeiger. ÄmtsöMt des Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes «nd Nalizei-Amtes der Ltadt Leipzig. die 6 gespaltene Petitzeile ^0 Pfg. Reclamen unter dem Redactivnsstrich ^ge spalten) bO^H, vor den Famtli»nnachrichten (6 gespalten) 40^. 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Und ein politisch höchst bedenklicher Versuch, denn „wie die Bundesstaaten und deren Landesregierungen verfassungsgemäß verpachtet sind, die Zuständigkeit des Reichenaus das Sorgsamste zu respectiren und sich auch nicht den Schein eines Eingriffes in dieselbe zu gestatten, so gebieten auch Recht und Slaatsklugheit dem Reichstage, die Grenzen der den Bundesstaaten verbliebenen Zustän digkeiten und Gerechtsame mit derselben Treue zu wahren und zu achten". Wir sind auch für sorglichste Respectirung der (Zompetenzen von Reich und Einzel staaten, sehen uns aber außer Stande, diese Stempelgeschichte so tragisch zu nehmen, wie es hier merkwürdigerweise gerade die preußische Regierung thut. Ob die Stempelfreiheit der Eheverträge zweckmäßig ist, lassen wir im Augenblick dahin gestellt. Der Beschluß der ReichStagScommission ist aber unter socialen Gesichtspunkten gefaßt, denen gegenüber, mag man sie gelten lassen oder nicht, die Berliner Stempel schmerzen „unendlich klein" erscheinen. Daß es übrigens nicht Verfassungsbedenken sind, die den „Berliner Pol. Nachr." ihre Klage erpreßt, geht aus der vorangeschickten Be merkung des officiösen Organs hervor. Es wird da u. A. über die Rücksichtslosigkeit geklagt, die einen Stempel beseitige, „unbekümmert darum, ob die Landcsfinanzen den Ausfall tragen können oder ob sie dafür anderwärts Ersatz suchen müssen"^. Diese Drohung mit neuen Steuern dürfte so lange keinen Eindruck machen, als Herr Or. Miquel nicht verräth, wie viel der Ehevertragsstempel jährlich in Preußen einbringt. Trotz der immer heißer werdenden Tage und trotz der Fülle von Ausgaben, die der Reichstag noch zu lösen hat, wird er um die abermalige Berathung des CentrumSantrages aus Anshkbung des JesuitengcsctzeS nicht herum kommen. Wie nämlich das „Echo der Gegenwart" mittheilt, hat der zweite Vicepräsident des Reichstags, Spahn, auf der vor einigen Tagen in Aachen begangenen Jubelfeier der Eentrumspartei mitgetheilt, daß das (Zentrum nach dem Wiederzusammen tritt des Reichstags jenen Antrag wieder einbringen werde. Da nun in der Tagung von 1884/95 dieser Antrag mit 168 gegen 115 Stimmen angenommen worden ist, so wird die Mehrheit des Hauses auch dafür sorgen, daß daS (Zentrum seinen Willen durchsetzt und der Antrag bald auf die Tagesordnung kommt. Er wird, da die Stimmenver hältnisse seit jener Tagung sich nicht wesentlich verschoben haben, abermals angenommen werden. Um einen Versuch, wie der Reichstag zu der Frage sich stellt, kann es sich also für daS (Zentrum nicht handeln, sondern lediglich um einen er neuten Druck auf die verbündeten Regierungen, die bisher eine Antwort auf den die Aufhebung des Jesuiten- gesetzeS fordernden Beschluß des Hauses schuldig geblieben sind. Wahrscheinlich will ihnen das (Zentrum fühl bar machen, daß das Centrum das Schicksal des Bürgerlichen Gesetzbuches in der Hand hält und also bei guter Stimmung erhalten werden muß. Man darf daher aus die Haltung gespannt sein, welche die Vertreter des Bundesraths zu dem Anträge einnehmen werden. Vielleicht hüllen sie sich in undurchdringliches Schweigen. Daß die hessische Regierung an ihrer ablehnenden Haltung festhalten wird, geht aus der Erklärung hervor, die Minister Finger bei der gestrigen Berathung der zweiten Kammer über den Antrag Wasserburg, die Regierung um Befürwortung des die Aufhebung des Jesuitengesetzes fordernden ReichstagSbeschluffes im Bundesrathe zu ersuchen, abgab. Er erklärte, wie die „Franks. Ztg." mittheilt: Die von dem Aba. Wasserburg aufgeworfene Frage sei abge droschen. Er müsse Wasserburg antworten, es sei nicht üblich, >m Voraus Mittheilung über die Instruction der Bundesralqsgesandten zu machen, allein die hessische Regierung könne ihre Ver treter nicht anders als gegen dir Aufhebung des Jesuitengesetzes instruiren, da diese ja durch das hessische Ordensgesetz bedingt sei. Bei dem vorliegenden Antrag handle es sich weniger um Bewilligung des Rechtsgrsühls der Antrag- steller, als darum, von Zeit zu Zeit auffrischenden Stoff in die Masse zn werfen (BravoI), obgleich man wisse, daß derartige An träge von keinem Erfolg begleitet sein könnten. Daß protestantische Körperschaften eine gewisse Scheu vor den Jesuiten haben, erkläre sich aus der G e sch i ch te dieses Ordens. Bor 24 Jahren sei die Jesuitenfrage im Reichstage unter Zustimmung des ganzen Volkes dauernd gelöst worden; glänzend habe man dargethan, daß dieser Orden die Negation des Reiche? und der Staatsgewalt darstellt. Die Jesuiten seien eine Macht, die zurückgekehrt, gefährlich werden könne. Man könnte aus dieser Erklärung sogar schließen, daß Herr Finger glaube, der Bnndesrath halte in seiner Mehrheit die Jesuitenfrage für „ dauernd gelöst". Aber wer mag in unserer Zeit mit Zuversicht von dauernden Lösungen wichtiger Fragen der inneren Reichs politik reden? Einer Musterleistung blindwülhigen ParliculariSmuS darf sich der bayerische klerikale Landtagsabgeordnete Geiger rühmen. Er war beauftragt, als Correferent neben dem Liberalen Stobäus der Kammer über Anträge auf Ab änderung des Vereinsgesetzes zu berichten. Stobäus befür wortete selbstverständlich die Beseitigung deS Verbotes der Verbindung der Vereine unter einander, Herr Geiger beantragte aber,' nur den bayerischen Vereinen zu gestatten, mit einander in Verbindung zu treten. Vom Standpunkte des theoretischen Particularismus ist die letztere Einschränkung ja sehr begreiflich, aber in der Praxis würde sie keine Partei ungünstiger stellen, als das bayerische Centrum. Es wird zur Zeit nur von den Bauernbündlern bedrängt, und diese greifen nichts am heimischen Centrum leidenschaftlicher an als seine Ver bindungen mit der Centrumspartei des Reichstages, weil sie, die fast jeder Fühlung außerhalb Bayerns entbehren, die Stärke des Rückhaltes kennen, den ihr Gegner an den außer- bayeriscken Beziehungen hat. Nun aber besteht in keinem Bundesstaat und bei keiner Partei ein Zweifel, daß die Be ziehungen der politischen Vereinigungen unter der Herrschaft des Verbotes der Verbindung untereinander nicht so gepflogen werden können, wie es im Interesse des Ganzen und der Theile wünschenswerth ist. Die particularistische Leier de« Herrn Geiger hat also einen Ton hervorgebracht, der von seinen eigenen, im Uebrigen auch particularistischen Genossen als ein Mißton empfunden werden wird. Die Einverleibung der Insel Madagaskar in Frankreich, welche von der Regierung bei den KamtNern beantragt ist und ohne Zweifel von diesen genehmigt werden wird, erscheint gleichbedeutend mit dem festen Entschluß der Pariser Politik, die an der Südostküste Afrikas gewonnene coloniale Position nach Möglichkeit auszunützen. Ins besondere gewinnt Frankreich, indem eS daS Protektorat über Madagaskar in Annexion umwandelt, die volle Freiheit seiner politischen und wirthschaftlichen Action zurück, und die Commentare, mit denen daS Vorgehen der Regierung in den tonangebenden Preßorganrn begleitet werden, lassen deutlich erkennen, daß mit der Annexion Madagaskar« in erster Reihe England getroffen werden soll. England unterhält mit Madagaskar Beziehungen, die den jetzigen Herren der Insel aus mehr als einem Grunde unbequem sind. Den Franzosen er scheint jeder auf der Insel wirkende englische Missionar oder Geschäftsmann als eine Art Spion, dessen Thäligkeit ins geheim auf Durchkreuzung der französischen Interessen gerichtet ist. Unter dem Regime des Protektorates war Frankreich an die von der früheren Herrschaft der Howas übernommenen Verträge Madagaskars mit anderen Staaten, insbesondere mit England gebunden. Das kommt in Wegfall, sobald Madagaskar völkerrechtlich an das französische Staatswesen angegliedert sein wird. Erst dann kann Frankreich mit ihm unbequemen auswärtigen Elementen daselbst reine Bahn machen und sich auf der Insel häuslich ein richten. Es liegt Grund zu der Annahme vor, daß Frankreich ungesäumt daran gehen wird, Madagaskar zu einer (Zitadelle seiner colonialen und maritimen Politik im Indischen Ocean zu machen. Die Insel hat zu den Zwecken der Kriegsmarine trefflich geeignete Häfen und kann bei zweckentsprechendem Verfahren zum strategisch beherrschenden Punkte der ge- sammten oceanischen Gewässer von Ostafrika bis zum Sunda- Archipel sich entwickeln. Der König von Italien bat, wie uns der Draht meldet, an den Kaiser Franz Josef ein Danktelegramm für die in der Thronrede erneuten Beweise herzlicher Freundschaft und Sympathie gesandt. Auch der Minister de« Auswärtigen Herzog von Sermoneta beauftragte den italienischen Botschafter in Wien Grafen Nigra, dem Kaiser Franz Josef bei seiner Rückkehr nach Wien, sowie der gemeinsamen Re gierung den Dank der italienischen Regierung au-zu- sprecben, und der „Fanfulla" schließt mit dem Hinweis, daß diese freundschaftlichen Kundgebungen de« Kaisers Franz Josef diejenigen Kaiser Wilhelm'« bei besten jüngster An wesenheit in Venedig ergänzen. In der That kann Italien den mächtigen Rückhalt, welchen e« in einer Zeit schweren nationalen Unglücks an den beiden übrigen Dreibundmächten gefunden bat — auch Deutschland ist ja nach dem Tag von Adua nur enger an seine Seite gerückt —, nickt hoch genug anschlagen. Den deutschen und österreichischen Sympathiekundgebungen ist es zu danken, daß das Prestige Italien- keine Einbuße erlitten hat, obwohl daS Ministerium Ruoini nichts unterläßt, was demselben Abbruch thnn kann. Aber auch hier giebt eS eine Grenze, die unge straft nicht überschritten werden darf,und di Rudini scheint leider dabei, den Fuß über dieselbe zu setzen. Die Waffenehre Italiens hält man für gerettet, weil es Baldistera gelungen ist, daS Fort Adrigat ohne Schwertstreich zu entsetzen, aber wir haben schon s. Z. uns aus den zweifellos berechtigten Standpunkt gestellt, daß, so lange noch rin Italiener in der Gefangenschaft Menelik« schmachtet, von einer Wieder herstellung des militairischen Ansehen- de« Königreichs nicht zu reden ist. Nach der Entsetzung Adrigat« begann sofort der Rückzug der Italiener und die Rückbeförderung großer Truppentheile nach dem Mutterland, statt daß man Baldistera Gelegenheit gegeben hätte, dieaußerordentlich günstige Position — — geschaffen durch die Lockerung der Bande zwischen Menelik und den abessinischen RaS, sowie durch einen Äufruhr im Reich des Königs der Könige — au-zunutzen, dem Negus einen vernichtenden Schlag beizubringen und die Gefangenen zu befreien. Nickt- von alle dem geschah. Man glaubte mit gütlichen Verhandlungen bei Menelik zum Ziele zu kommen, von denen man voraussehen mußte, daß sie scheitern würden, wie sie denn thatsächlich gescheitert sind. Das ist ein uner hörter Beweis der Unfähigkeit der italienischen Regierung, daS Prestige des Königsreichs auf die Dauer aufrecht zu er halten, eine Schwäche, welche der Todfeind der nationalen Einbeit und Macht Italiens, Leo XIII., sich klugerweise nicht hat entgehen lasten, um sich al« den Hüter der Interessen des Reiches aufzuspielen und urbi et orbi zu zeigen, daß daS Herz Italiens im Vatikan schlägt. Bekanntlich hat der Papst ein Schreiben an Menelik gerichtet, in welchem er diesen um die Freigabe der Gefangenen bittet, und wie ver lautet, ist Aussicht vorhanden, daß diese Bitte von Erfolg gekrönt sein wird. Gestern kam die Sache in der italienischen Deputirtenkammer zur Sprache, worüber uns folgende Mel dung zugeht: * Rom, 2. Juni. (Deputirtenkammer.) Gegen Ende der heutigen Sitzung erklärte der Ministerpräsident di Rudtni in Be antwortung der Anfragen der Abgeordneten Prinetti, Cappelli und Anderer über das Eintreten des Papstes zu Gunsten der italienischen Gefangenen bei Menelik, er glaube, daß der Papst bei diesem Schritte dem tiefen Gefühle der Christlichkeit und Mensch lichkeit, sowie dem Gefühle der Zuneigung gegen das große italienische Vaterland gefolgt sei. (Bravo! Lebhafte Zustimmung.) Naturgemäß entspreche dieser Gesinnung des Papstes ein lebendiges DankbarkeitSgrfühl der italie nischen Regierung. (Stürmischer Beifall.) Die Interpellanten erklären sich durch diese Antwort deS Minister« für befriedigt. Ter Deputirte Bovio führt aus, daß er eint solche Initiative, von wem sie auch ausgehen möge, nicht mißbilligen könne, aber an dem Tage, welcher dem Andenken Garibaldi's gewidmet sei (Beifall), hätte sich der Staat nicht durch die Anregung Anderer zuvorkommen lassen sollen. Der italienische Staat dürfe nicht vergessen, daß er in Rom den Gedanken der weltlichen Herrschaft vertrete. Der Ministerpräsident di Rudint erwidert, er habe der Dankbarkeit gegen Denjenigen Ausdruck gegeben, dessen Vorsatz es gewesen sei, Gute» zu thun, aber er werde niemals einem Anderen solche An regung überlassen, welche ausschließlich (I) dem Staate zukomme. Hieraus wurde die Sitzung aufgehoben. Zweifellos spricht au« dem Abgeordneten Bovio das nationale Gewissen und die au- dem Verlauf der italienischen Geschichte zu absoluter Gewißheit erhärtete Urberzrugung, daß der Papst für Italien nicht- thut aus dem bloßen „Ge- fllbl der Christlichkeit und Menschlichkeit", nichts mit der Absicht, die Größe de» italienischen Vaterlandes zu stärken, sondern daß eS ihm nur darum zu thun ist, der weltlichen Herrschaft der Dynastie de« Hause« Savoyen Concurrenz und, wenn möglich, ein Ende zu machen. Darüber scheint Rudini noch kein Licht aufgrgangen zu sein, der nicht einmal einsieht^ daß die Befreiung der italienischen Gefangenen ausschließlich Sache des italienischen Staate- ist. Sollte tbat- sächlich Menelik die gefangenen Italiener an den Papst aus liefern, welch' neuer Beweis für dir Liebe de« Gefangenen deS Vatikan- für „sein" Italien, für die Macht der päpst lichen Macht auf weltlichem Gebiet und für die Schwäche der weltlichen Macht innerhalb ihrer eigenen Sphäre I Die Tochter des Millionärs. L7j Roman aus dem Englischen von L. Brrnseld. Machdruck verbot««.) Sir Victor Greville hatte auf einige Tage einen Au-flug nach Genua gemacht, aber angeordnet, daß seine bequemen Zimmer im Hotel „Beau Rivage" bi« zu seiner Rückkehr für ihn anfbrwahrt würden. Als er nach drei Tagen von seinem Ausflug zurilckkebrte, wurde er sehr unangenehm über rascht! Seine Sachen waren auS dem schönen großen Zimmer im ersten Stock des Hotel-, von wo auS man eine herrliche Aussicht auf die See und die Berge batte, entfernt und nach einem kleinen weniger bequemen Hinterzimmer gebracht worden, welche« keine andere Aussicht, als die in einen kleinen viereckigen Hof batte. Aus'S Höchste entrüstet, ließ Victor sich den Wirth des Hotel« rufen. Dieser floß von Entsckuldigunaen über und suchte sich, so gut eS ging, zu vertbeidigen. Er sei trostlos, erklärte er, aber wa« hätte er thun können! Der Herr Graf war gestern angekommen und hatten da« größte und luftigste Schlafzimmer im ganzen Hotel für eine kranke Dame be fohlen, welche am nächsten Tage eintreffen sollte! Der Graf hatte Quartier für sieben bis acht Personen bestellt und auf diese Weise einen großen Theil de« Hause- mit Beschlag be legt! „Engländer — aber ungeheuer reich!" fügte Monsieur Georget ehrerbietig hinzu. Wenn Sir Greville doch nur so liebenswürdig sein wollte, sich für einige Nächte mit dem Hinteren Schlafzimmer zu behelfen, dann würde schon Rath werden, Monsieur Georget würde ihm daun ein anderes Zimmer mit der Aussicht auf die Berge und die See zur Verfügung stellen können. „Nur wenige Tage, Sir Gre ville!" fügte der Wirth bittend hinzu. Victor grollte noch eine Zeit lang, fügte sich dann aber in da- Unvermeidliche. „Wie heißt denn eigentlich dieser Wunderbare Graf, Monsieur Georget, dem e« erlaubt ist, in dieser Weise über Ihre Gäste und Ihr HauS zu verfügen?" fragte Victor, als der Wirth im Begriff war, ihn zu verlassen. „Der Graf von Sanfoine — und eine Dame!" Victor Greville schien da« Herz stille zu stehen. Wer ander« konnte dies« Dam« s«in, al« sein« Gemahlin — BeatrixI Freilich hatte er von einer Heirath Beatrix' und deS Grafen von Sanfoine in den englischen Zeitungen nicht« gelesen, auch nicht geglaubt, daß diese Verbindung so bald stattfinden würde. Dock warum nicht! E« lagen ja durchau« keine Gründe vor, die Heirath lange hinausznschieben. Victor ging aus und machte, um allein sein zu können, einen Spaziergang am Strande. Nur ein Gedanke bewegte sein Herz: Beatrix war derbeirathet! Er nahm es als gewiß an, daß sie es sei, welche im Hotel „Beau Rivage" erwartet wurde und ihre Flitterwochen dort zuzubringrn gedachte. I» seiner Verwirrung und seinem Kummer vergaß er ganz, daß der Wirth gesagt hatte, der Graf sei bereits an gekommen und daß die erwartete Dame als eine Kranke be zeichnet worden war. Die Thatsache, daß Beatrix verheirathet sei — welche er ohne Weiteres als feststehend angesehen hatte — beherrschte sein ganzes Gemüth, und er war unfähig, einen anderen Gedanken zu fassen. „Ich muß morgen abreisen!" sagte er zu sich selber. „Ick bin unfähig, ihr gegenüber zu treten und sie im vollen Glück ihres jungen Ebelebens zu sehen. Das würde mehr sein, als ich ertragen könnte:" Tief aufseufzenv begab er sich endlich zur Ruhe, doch der ersehnte Schlaf blieb seinen Augen fern. Unruhig warf er sich auf seinem Lager hin und her, immer wieder voller Verzweiflung wiederholend, daß nun Alles — Alle- vorbei seil XXIII. Die erste Person, auf welche Dictör'S Blicke am folgenden Morgen, al« er die Treppe hinabstieg, fielen, war ein Tepeschenbote, der im Vorflur de« Hause- stand. Ver schiedene sehr aufgeregte Kellner und Angestellte de« Hause- sprachen eifrig auf ihn ein. „Kann die Depesche wohl für Sie sein, gnädiger Herr?" fragte der Oberkellner, al- er Victor erblickte und trat eifrig auf ihn zu, ,,der Mann ist schon in verschiedenen Hotel« gewesen, doch ist der Adressat nirgends aufrufinden, man kann nur annebmen, daß die Adresse falsch ist!'? Victor nahm die Depesche und studirte auf da« Sorg fältigste die Aufschrift. Endlich la« er folgende« außer gewöhnliche Wort heraus: «8ervi<zutorgrevel I" Nachdem er einige Augenblicke überlegt batte, kam er zu der Ueberzengung, daß diese unklare Aufschrift seinen eigenen Namen vorstellen sollte. Eine nähere Adresse war gar nicht angegeben, außer dem wunderlich entstellten Namen stand nur noch „Mentone" auf derselben. Victor hielt sich daher für berechtigt, die Depesche zu offnen, wa« er nach einigem Zögern und nochmaligem Durch studieren des Namens auch that. Zu seiner höchsten Ueber- raschung war das Telegramm von Mr«. Seudamore aus Monte Carlo und lautete wie folgt: „Ersuche dringend hierher zu kommen. Angelegenheit von höchster Wichtigkeit. Werde auf dem Bahnhof sein, um den Zug 11 Uhr 45 Minuten zu erwarten. Jane Seudamore!" Wa« blieb Victor anders übrig, als der Aufforderung nachzukommen? Einen Augenblick überlegte er, was er thun sollte, er erwog, daß wegen dieses Ausflug«« nach Monte Carlo seine Abreise von Mentone bis zum folgenden Tage aufgeschoben werden mußte, da er genöthigt war, unverzüglich abzureisen, wenn er zu der in der Depesche angegebenen Zeit in Monte Carlo eintressen wollte; er konnte nicht ein mal mehr vorher seine Koffer packen. Allerding« durfte er diese so dringende Aufforderung nicht unberücksichtigt lassen, obzwar er fürchtete, wenn er erst morgen abrriste, mit der jungen Gräfin von Sanfoine zusammen zu treffen, die heute Abend hier erwartet wurde. Er sagte sich, daß dir«, so unangenehm eS auch sein mochte, unter den obwaltenden Umstanden natürlich nicht in Betracht kommen könnt»; e« traf sich sehr unglücklich, und er hätte wohl gewünscht, «in so peinliches Wiedersehen zu vermeiden. Im Grunde seines Herzens regte sich aber, ohne daß er sich dir- selbst zu gestehen mochte, ein Etwa-, das ihn den Zufall, der seine Abreise nach Rom noch um einig« Tage verzögerte, nicht so sehr beklagen ließ. Vielleicht hegte er, sich selbst unbewußt, ein geheime« Verlangen, sie, die er nun für ewig verloren hatte, wenn auch nur noch einmal wirdrrzusrhenl Noch einmal seine Augen auf dem Antlitz derjenigen, die er so innig liebte, ruhen zu lassen! Doch wie dem auch sein mochte, er wollte sich die« nickt zugesteben! Wäre er wirklich so ängstlich besorgt gewesen, ein Zusammentreffen mit Beatrix zu ver meiden, wie er sich einzuredrn suchte, so hätte er ja nur Auftrag zu geben brauchen, ihm sein Gepäck nackrufchicken. Konnte er doch von Monte Carlo so gut nack Nom ge langen, wie von Menton«, und «in zuverlässiger Kellner, dem er seine Sachen anvertrauen durfte, würde sich auch gesunden haben. Doch nicht« von alledem aesckab. Victor sagte nur, daß er am nächsten Tag« von Mont« Carlo zurückkrhren werd« und trat dann seinen Weg nach dem Bahnhofe an, um dem Ruse Mr«. Seudamore « Folge zu leisten. Auf dem Wege dorthin fragte er sich verwundert, was Mrs. Seudamore ihm wohl mittheilen wolle und wie sie zu seiner Adresse gelangt sein könne. Letztere Frage war nicht schwer ru beantworten, vir Fremdenlisten der Hotels pflegten gewöhnlich in den Zeitungen veröffentlicht zu werden, und ohne Zweifel batte Jane seinen Aufenthaltsort durch dieselben erfahren. Als der Zug auf dem Bahnbofe von Monte Carlo einlief, fand Victor Mrs. Seudamore in der Ankunftshalle seiner wartend. Ein tiefes Mitleid bemächtigte sich Victor'S bei ibrem Anblick. Sie war entschieden besser gekleidet al« bei ihrer ersten Begegnung in Monte Carlo und Victor glaubte, aus dieser äußerlichen Veränderung, welche mit ihr vorgegangen war, schließen zu dürfen, daß ihre pekuniäre Lage sich gebessert habe; doch mußte er zu seinem tiefsten Bedauern wabrnebmen, vaß sie andererseits noch ebenso «lend und unglücklich zu sein schien, al« vorher. Man konnte sich schwerlich «twa« Traurigere« vorstellen als dieses bleiche Gesicht mit den tiefliegenden Augen und dem schmerzvollen Zug um den Mund. Al- Victor auf Jane zutrat, lächelte sie matt und dankte ihm, daß er gekommen sei. Darauf verließen sie den Bahn Hof, gingen aber, wie in schweigender Uebereinstimmung nicht nach der Stadt zu, sondern schlugen einen ruhigeren Weg rin, brr mehr in« Freie binau« führte. „Und nun, MrS. Seudamore", sagte Victor, al- sie dem BabnbofStrubel entronnen waren und er bemerkte, »aß sie eS ihm überließ, da- Gespräch zu eröffnen, „nun müss«a Sie mir zuerst sagen» was ich für Sie thun kann!" „Ack, Sir Victor, da- ist sehr wenig, ich habe eigentlich nur nach Ihnen gesandt, weil ich r« für meine Pflicht hielt, Sie von der betreffenden Dache in Krnntniß zu setzen." Dann seufzte sie und verfiel von Neuem in Stillschweigen. „Wie gebt «S Ihnen?" fragte Birtor nach einer kleinen Pause höflich, und nach einigem Zögern fügte er hinzu — „und wir geht e« Ihrem Gatten?" „L>, sprechen wir nicht von ihm", erwiderte die arme Jane traurig. „Sir haben gewiß davon gekört — solche Sachen sprechen sich ja bald herum — daß sich da- Blatt gewendet, und Philipp in den letzten zehn Tagen ungeheure Summen gewonnen hat." „Ah — wirklich! Nein, ich muß gtstehrn, daß mir nichts
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