35 Ulrich Hübner Der Neubau der Augustusbrücke von 1910 »Möge der Allmächtige Gott die Brücke, die dem Nutzen der Allgemeinheit geweiht ist, und alle die sie betreten, in seinen gnädigen Schutz nehmen!« 1 Dieser Wunsch in der Schlusssteinurkunde der Augustusbrücke von 1910 illustriert sehr eindrucksvoll das Bewusstsein der Erbauer, dass auch ein technisch so versiertes Bauwerk wie die neue Brücke niemals vollständige Sicherheit vor den uneinschätzbaren Naturgewalten geben kann. Der Neubau der Pöppelmannschen Augustusbrücke 1907-1910 wurde vor allem aufgrund der zunehmenden Schifffahrt auf der Elbe und des verstärkten Verkehrs über die Brücke notwendig. Als älteste Verbindung zwischen dem rechtselbischen Altendres den (Neustadt) und der linkselbischen Stadtbefestigung (Altstadt) kommt und kam der Brücke ein ganz besonderer Symbolcharakter zu. Als Bestandteil der bekannten Dresd ner Silhouette und mit ihrer Mündung auf den Schlossplatz besitzt die Brücke seit jeher einen hohen ästhetischen Stellenwert. Es war daher sicher nicht einfach, ein derartiges »Identifikationsmerkmal« der Dresdner Bürger abzubrechen und neu zu errichten. Wer hätte sich dafür besser geeignet als der junge und erfolgreiche Architekt Wilhelm Kreis, der sich bereits als Student für die monumentale Errichtung lokal herausstechender und identitätsstiftender Bauwerke verdient gemacht hatte. Neben seinem ersten Preis für die Errichtung des Völkerschlachtdenkmals in Leipzig 1896 hatte er wenig später die Prototypen für die weit verbreiteten Bismarcktürme geschaffen. Er war der Erste, der den konsequenten Wandel der Denkmalsarchitektur vom Herrscherstandbild zum symbolhaften Monument vollzog. Als Kreis die Aufgabe des Neubaus annahm, musste ihm klar sein, dass er nur mit großem Geschick eine Synthese aus technisch modernen Anforderungen und dem von den Dresdnern erwarteten formalen Erinnerungswert schaffen konnte. Denn bereits 1903 hatte Hermann Klette 2 , der als Dresdner Stadtbaurat für Tiefbau gemeinsam mit Kreis den Bau der Augustusbrücke bis zu seinem Tod 1909 leitete, 3 in der Frage, inwieweit ein Wettbewerb für den Neubau ausgeschrieben werden sollte, bemerkt: »Namhafte hiesige Architekten, welche mit Dresdens Bevölkerung fühlen und empfinden, die Oert- lichkeit und Umgebung genau kennen und sich in den Geist und die Geschichte der alten Brücke vertieft haben, werden an erster Stelle berufen sein, über... Abänderungs vorschläge zu urtheilen.« 4