Vorbesprechung über die Deutungsfrage der Holbein’schen Madonna uni Riicksiclil auf die Ilaiidzeichimiig Nr. 65. des Baseler Museum von W. Th. t'echner. Bekanntlich bestehen Zweifel, ob das Kind der Holbein- schen Madonna (in Dresden und Darmstadt *) als Christkind und nicht vielmehr als krankes oder gestorbenes Kind der unten knieenden Familie Meier, oder gar als Seele einer verstorbenen Frau aus dieser lamilie, zu betrachten sei. Ich werde diese Frage in Zusammenhang mit manchen ändern Fragen, die sich um sie als um ihren Mittelpunkt gruppiren, in einer besondern Schrift monographisch behandeln und gebe hier nur vorweg eine Zusammenstellung aus einigen Abschnitten derselben, bestimmt einerseits, den Haupteinwand zu heben, womit man jene, bis zu gewissen Grenzen sehr berechtigten, Zweifel seither niederzu schlagen gesucht hat, andererseits meine definitive Ansicht über die Frage vorläufig zu erklären, mit der Absicht, theils zur Ver vollständigung der Unterlagen, welche zu dieser Ansicht ge hören, anzuregen, theils weiteren oder geschärfteren Einwänden dagegen, als man hier schon berücksichtigt finden wird, für künftige Berücksichtigung Raum zu geben. Der Haupteinwand gegen die Ansichten, welche dem Christ kinde in den Armen unserer Madonna widersprechen, ist der, dass ein menschliches Kind statt eines Christkindes in den Armen einer Madonna überhaupt etwas weder je Vorgekommenes noch mit dam Geiste altkatholischer Kunst Verträgliches sei. 1) Dass von der schlechthin sogenannten Holbein’schen Madonna zwei Exem plare existiren, beide von Holbein’s Hand, wovon das in Darmstadt befindliche als das früher gemalte anzusehen ist, während das in Dresden im Verhältniss einer zweiten, in einigen Hinsichten abgeänderten, Auflage von demselben Autor dazu steht, darf ich, insbesondere nach der gründlichen Untersuchung des Herrn Dr. v. Zahn in diesem Archiv, als bekannt voraussetzen. Archiv f. d. zeiclm. Künste. XII. 18G0. i