Das Wanderfahren. Unsere verfeinerte Kultur mit ihren bis in das Un endliche gesteigerten Ansprüchen an die geistige Arbeits kraft des Menschen zwängt diesen fest ein in das Räder werk des täglichen Berufes, und mag dieser Beruf dem Träger noch so lieb sein, er wird ihn mit der Zeit ab- stumpfen, ihm die Schaffensfreudigkeit rauben und ihn zu einer nervösen Arbeitsmaschine machen. Die meisten der modernen Krankheiten, die Nervenplagen und Ver dauungsstörungen sind nichts anderes, als der Ausdruck eines weniger muskelthätigen, mehr die Nerven und den Geist anspannenden Lebens. Soll aber der Körper gesund und widerstandsfähig bleiben, so muss den aus der ein seitigen Berufsthätigkeit erwachsenden Schäden vorgebeugt werden. Als eines der vorzüglichsten Heilmittel nun ist das Radfahren zu betrachten, und vor allem sind es die Wanderfahrten, welche dem Körper Frische, Kraft und Gesundheit verleihen; denn durch die energische und andauernde Bewegung, wie sie das Radfahren mit sich bringt, kann der Stoffwechsel, auf welchem das ganze organische Leben beruht, normal erhalten werden. Die Hautthätigkeit wird angeregt, der Blutumlauf befördert, Herz und Lungen werden wohlthätig angestrengt, auch die Verdauungsorgane arbeiten energischer als sonst, was sich durch regeres Bedürfnis nach Nahrungsaufnahme kundgiebt. Dazu kommt, dass die Natur dem Wanderfahrer eine unerschöpfliche Quelle wahren und reinen Genusses ist, der sein Gemüt erheitert und sein Herz erquickt. Der Mensch war ja nahezu daran, von der Natur, dem ewig frischen Jungbrunnen, losgelöst zu sein. Die Poesie des „Wanderns“, die unsere schönsten Volkslieder durch weht, schien in der Wirklichkeit verloren gegangen zu