— 16 — Nach altem Glauben stand das neugeborene Kind, das der Storch aus einer hohlen Weide bringt, in seinen ersten Lebenstagen unter dem Einflüsse böser Geister, die bei allen Wechselfällen im mensch lichen Leben lauern, um Schaden und Unglück zuzufügen. Deshalb nahm man die^ Taufe immer vor dem 9. Tage vor, um so bald wie möglich das Kind den bösen Mächten zu entreissen. Seit etwa 40 Jahren schiebt man die Taufe um Wochen hinaus und lässt sie wegen des darauffolgenden Taufschmauses gewöhnlich in der vierten Nachmittagsstunde an Dienstagen oder Donnerstagen, welche läge von jeher als Glückstage gelten, vornehmen. Nur wenn kein Taufschmaus folgt oder wenn der Täufling krank ist, tauft man auch an Sonntagen nach dem Vormittagsgottesdienste. Obwohl das Wochen bett die Mutter nicht ans Haus bindet, wohnen die Eltern der Tauf- handlung nicht bei. Ohne erst im Taufhause gewesen zu sein, ver sammeln sich die Paten in der Schule, wohin auch die Hebamme mit dem Kinde kommt. Von hier aus zieht man in geordnetem Zu ge, dem die Hebamme voranschreitet, die früher verschleiert ging und einen langen schwarzen Mantel trug, auf bestimmtem Wege zur Kirche. Nach vollzogener Taufhandlung, während der jeder Pate und jede Patin das über den Täufling ausgebreitete Westertuch erfasst und den Täufling auf den Arm bekommt, stecken die Paten die je nach Stand und Reichtum mehr oder minder schweren Patenbriefe in das Wickelbett: dann geht oder fährt man ins Tauf haus, wo der Tauf- schinaus zunächst mit Kaffeetrinkeu seinen Anfang nimmt. Ehe ich aber den Verlaut eines Taufschmauses beschreibe, womit zugleich der Verlauf aller übrigen Feste gekennzeichnet ist, müssen war die Bekanntschalt mit der Hauptperson bei allen ländlichen Festen, dem Bitter, machen, von dessen Freisein der Tag der Feier nicht selten bestimmt wird. Dieser, früher durch eine besondere Tracht aus gezeichnet. in den (30er Jahren noch durch lange Bänder nebst einem Sträusschen am Hute und einen langen Stab gekennzeichnet, ist schon Tage laug vor der Feier im Festhause beschäftigt. Er Jadet die Gäste ein, bäckt, den Kuchen, den er auch aufträgt, ist beim Schlachten be hilflich. ordnet (las Festlokal, empfängt die Gäste, die er auch bedient, weist ihnen die Plätze an. betet zu Anfang und zum Schlüsse der Mahlzeit und übermittelt in längere)' oder kürzerer Ansprache den Gästen für ihr Erscheinen und die Geschenke den Dank der Gast geber, die bei Festlichkeiten nicht geizen, sonst aber fest am Eigen- tume halten. Trotz der gebotenen Menge haben die Speisen nichts an (Rite eingebiisst. Wahre Berge von Kuchen, oft zählte ich bis zu ff() Sorten, stehen auf den 'rischen. Langsam, aber stetig schwinden die Berge, wie auch dem Kaffee fleissig zngesprochen ward. Der Bauer trinkt gern ein „Schälchen“, das er, wenn der Durst gestillt ist, umstürzt. Das Katfeetrinken, das sich oft bis zum Abend hinzieht, hebt man nach Belieben auf. Während desselben gehen an schönen Tagen die Männer auf die Felder, die Frauen in die Ställe, in den Blumengarten oder sie besuchen die Nachbarn, Verwandten und Be kannten. Nach der Rückkehr der Gäste beginnt das Kartenspiel, woran sich nicht selten die Frauen, natürlich unter sich, beteiligen.