76 der bestehenden Verfassung gemäß nicht concurrirten. Noch kam hinzu, daß man von denen, welche das Vertrauen der wählenden Staatsbürger zu den Mitgliedern der zweiten Kammer berufen wird, hoffen muß, daß sie, den tz. 86. vorgeschriebenen von ihnen zu leistenden Eid beachtend, in sich Vertreter des Vol kes in seiner Gesammtheit mehr als Vertreter einzelner Stande, wenn deren Interessen von dem Ge- sammtwohl geschieden seyn sollten, erkennen werden. Da endlich auch auf dem Lande in mehreren Pro vinzen des Königreichs bedeutende Fabriken bestehen und betrieben werden, und Besitzer von Fabriken auch wählbar seyn sollen in den Dorfgemeinden; so schien in dieser Beziehung das Interesse der Fabriken und des Handels von der Vertretung durch Abgeordnete der Dorfgemeinden nicht gänzlich ausgeschlossen zu seyn. Dieses waren die Gründe, wodurch man nach vielfältiger Berathung in den städtischen Eurien sich bewogen fand, die Anträge des Jndustrievereins auf Bestimmung einer großem Zahl von Abgeordneten aus den Städten, als die Verfassungsurkunde sie bestimmt, nicht zu bevorworten. Verhandlungen der drei ritterschaftlichen Curien in der am 16. April stattge habten Plenarsitzung. (Die Zusammensetzung der zweiten Kammer betreffend.) Wenn auch der Zweck, der am 16. April veranstalteten Plenarversammlung der Ritterschaft zu nächst der war: eine- Vereinigung hinsichtlich der Zusammensetzung der ersten Kammer zu treffen; so konnte ein diesfalsiger Beschluß doch immer nur mit Rücksichtnahme auf die zweite Kammer gefaßt werden, und es mußte daher auch die Bildung dieser in Discussion kommen. Die bei dieser Gelegenheit kund gewordenen Ansichten der Majorität sind kürzlich folgende: Sowohl bei Bildung der Kammem, besonders der zweiten Kammer, als bei Prüfung der den Ständen vorgelegten, die verschiedenen Branchen der Staatsökonomie und das Abgabensystem betreffenden Gesetze, ist es wichtig und nothwendig zu erörtern und zu bestimmen, ob das Königreich Sachsen nach sei ner natürlichen Beschaffenheit, dem Streben und Vermögen der Einwohner, seiner Größe und seiner geo graphischen und politischen Lage, mehr als ein producirender, oder mehr als ein fabricirender Staat zu be trachten ist, welche Interessen die wichtigem sind, und welche diesen nachgesetzt werden müssen? Wenn das ungeteilte Sachsen bei reichen Naturschätzen und geschickter Regsamkeit seiner Bewoh ner, früher auch als Fabrikstaat vor seinen mächtigem Nachbarn hervorragte, und im Besitze eines Han delsplatzes ersten Ranges, sowohl die Materialien leicht und wohlfeil herbeizuziehen, als die Fabricate vor- theilhafr zu vertreiben vermochte, und diese Verhältnisse so günstig aus den Fabrikstand einwirkten, daß sol cher einheimisch zu werden anfing und man ihn von dem Lande unzertrennlich hielt; so hat doch die Thei- lung Sachsens, das Emporkommen der Fabriken in den Nachbarstaaten, das angenommene Prohibitivsystem derselben mit Beschränkungen aller Art, das Sinken des Leipziger Mcßhandels, besonders durch den Ver lust des nordischen Verkehrs, diese Verhältnisse ganz geändert, und cs dürfen gegenwärtig nur diejeni gen Fabriken noch als einheimisch und bleibend angesehen werden, die sich mit Verarbeitung und Verfeine rung inländischer Produkte des Bergbaues, des Ackerbaues und der Viehzucht beschäftigen, und auch diese können nur wenig noch auf auswärtigen Vertrieb rechnen. (Beschluß folgt.) Leipzig, gedruckt sei B. G. Teubner.