lieber Oeffentlichkeit bei den ständischen Verhandlungen. (Dorttag eines Mitgliedes des weiten ritterschaftlichen Ausschusses am 21. Juni gehalten.) 'Ich gestatte mir, meine verehrten Herren Mitstände, um die Erlaubm'ß zu ersuchen, über einige Gegenstände mich erklären zu dürfen, die, in Bezug auf Verfassung und Nationalwohl, mir als sehr wich tig erscheinen, und sich daher zu einer reiflichen und ernsten Würdigung eignen dürften. Zuerst beginne ich mit einigen Betrachtungen über die Oeffentlichkeit der ständischen Verhandlungen. Meines Erachtens ist diese so unerläßlich, so eingreifend in das Wesen des ganzen konstitutionel len Staatenlebens, daß ich nicht einzusehen vermag, wie Eins füglich ohne das Andere bestehen kann. Auch scheint man in allen Ländern, wo Repräsentativ-Verfassungen eingeführt worden sind, davon überzeugt zu sein, wenigstens ist mir unter den neueren Constitutionen keine von einigem Umfang und Bedeutung be kannt, wo nicht die Oeffentlichkeit als wesentlicher Bcstandtheil derselben aufgestellt worden wäre. Selbst im Königreich Hannover, wo man bisher wenig Empfänglichkeit für neue Normen in der Staats-Verfas sung bewies, ist sie anjetzt eingeführt worden. Die Gründe, welche dagegen angeführt werden können, dürsten bei unbefangener Bettachtung nur als ungenügend erscheinen, besonders wenn man die, welche dafür sprechen, in genaue Erwägung zieht. Denn daß die Mehrheit der Stände oder der Anwesenden sich leicht zu sehr durch das Rednertalent eines oder des andern Deputaten zu falschen Ansichten möchte hinreißen lassen, ist wohl, so wie die ständischen Verhältnisse sich anjetzt bilden, zu bezweifeln. Eben so wenig ist es wahrscheinlich, daß Einige nur aus bloßer Eitelkeit, Gleisnerei oder Böswilligkeit sich bemühen sollten, nach dem Beifalle der Tribunen zu stre ben, gleichviel, ob durch Wahrheit oder Trug, ob durch Gründlichkeit oder Sophismen, denn das Trügeri sche, dem öffentlichen Wohl Schädliche in ihrem Vortrage, würde bald durch andre tüchtigere Vertreter der Natron siegreich bekämpft werden. Auch gestaltet sich jetzt die Oeffentlichkeit der Verhandlungen ganz an ders als in ehemaligen Freistaaten, wo ost gefährliche, durch Leidenschaften irre geleitete oder durch Beste chungen gewonnene Redner zu dem Volke sprachen, und indem sie seinen Lieblingsideen, seinem Haß und seiner Unzufriedenheit schmeichelten, es zu Verbrechen und Empörung aufreizten. Jetzt aber ist das Ver- hältniß zwischen dem Redner und den Zuhörern sehr verschieden von jenem, denn unter den Zuhörern auf der Tribüne wird die Mehrheit bald genug aus wahrer Theilnahme für vaterländische Angelegenheiten, nicht aber nur aus Neugierde oder Parteigeist herbeigezogen werden, und sich dann ein intelligentes Publikum bilden, welches nicht durch rednerische Phantasmagorien zu tauschen ist. Ueberhaupt muß das Interesse an Allem, was das Vaterland betrifft, sehr an Allgemeinheit gewinnen, sobald ein regerer Gemeinsinn, ent fernt von Kastengeist und Engherzigkeit sich in unserm so interessanten kleinen Vaterland verbreiten wird, und dazu tragt nichts mehr bei als Oeffentlichkeit. (Beschluß folgt.) Leipzig, gedruckt bei B. E. Teubner-