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Mittheilungen über die Verhandlungen des Landtags. I. Kamm«. 3S. Dresden, den 8. Januar 1846. Sieben und dreißigste öffentliche Sitzung der ersten Kammer am 5. Januar 1846. Inhalt: Vortrag aus der Registrande. (Dabei Besprechung, das Petl- tionSwesen und einen Antrag des Bürgermeisters Weh ner, so wie eine merkwürdige Taufhandlung betr.)—Die Biedermann' sche Schrift: „Gegenwart und Zukunft" betr. — Berathung des Berichts der zur Begutachtung des Ent wurfs einer Wechselordnung niedergesetzten Deputa tion der ersten Kammer. (Allgemeine Berathung. — Besondere Berathung §§. 1—5.) Die Sitzung, an welcher acht und dreißig Kammer mitglieder, so wie der Staatsminister v. Könneritz und der König!. Commissar v. Einert Antheil nehmen, beginnt um 10^ Uhr mit Verlesung deS vom Secretair v. Biedermann aufgenommenen Protokolls, welches auf die Frage des Präsi denten sofort von der Kammer genehmigt und vom v.v. Am mon und vom Fürsten Schönburg mit vollzogen wird. Hierauf folgt der Vortrag aus der Registrande, wie nachstehend: 1. (Nr. 225.) Petition der Gemeindevorstände zu Nesch witz und 18 anderer Gemeinden, die Beibehaltung der bisheri gen Form bei Vereidung und Verpflichtung der Geistlichen und Schullehrer betr., gleichlautend wie Nr. 202 der Haupt- registrande. Präsident v. Carlo Witz: Diese Petition ist ganz gleich lautend mit einer großen Anzahl von Petitionen, welche wir an die außerordentliche Deputation zur Begutachtung -er kirchlichen Fragen verwiesen haben. Sie gehört ebenfalls dahin, und ich frage die Kammer: ob sie dieselbe dahin ver weisen will? Bürgermeister Wehner: Herr Präsident, ich muß mir ein paar Worte erlauben. Die Herren werden sich vielleicht erinnern, daß in der zweiten Kammer sehr viel über den Peti tionsunfug gesprochen und namentlich herausgehoben worden ist, daß die Unterschriften der Petitionen durch Bekanntma- I. 3S. chungen und Einladungen zusammengetrieben würden. Daß gerade durch solche Bekanntmachungen und Einladungen etwas Unrechtes geschehe, will ich nicht behaupten. Wie will man eine Petition mit mehrern Unterschriften anders zusammen bringen, als dadurch, daß man den Interessenten auf eine ver nünftige und gemessene Art bekannt macht: hier liegt eine Petition; wer sie unterschreiben will, mag sie einsehen und, wenn er sich überzeugt hat, sie unterzeichnen. Ueber die Pe titionen,, welche heute zur Sprache kommen und aus der Lau sitz herrühren, ist aber in öffentlichen Blättem ein solches Ur- theil gefällt worden, daß ich mich allerdings bewogen finde, die geehrte Kammer darauf aufmerksam zu machen. ES ist in öffentlichen Blättern herausgehoben worden, erstens: eS wären sogar von Landtagsabgeordneten zur Sammlung von Unterschriften Emissäre ausgesendet und gegen §. 53 der Land gemeindeordnung die Leute durch den Nachtwächter zusammen getrieben worden; es sei ihnen dabei zweitens vorgespiegelt worden, die Religion und Kirche seien in Gefahr, man wolle sie katholisch machen; drittens man habe sogarPersonen katho lischer Confessio» zur Unterschrift der Petition veranlaßt; vier tens man wolle der Regierung nicht mehr gehorchen und den alten Glauben nehmen, und die Petition diene dazu, um ent gegenzuwirken; fünftens man habe Droh- und Mahnbriefe geschrieben an Familien, welche nicht hätten unterzeichnen wollen; sechstens in dem Dorfe Leichnam sei den Leuten sogar aufgegeben worden, in drei Stunden zu unterschreiben oder neukatholisch zu werden; siebentens man habe die Leute zur Un terschrift bei Strafe vorfordern lassen, auch sei so das Gesinde bedroht worden. Die Sache hat dadurch ein noch schlimmeres Ansehen erlangt, daß mehrere Gemeindevorstände sich ver wahrt haben gegen die Petition, und die Kreisdirection zu Bautzen hat sich veranlaßt gefunden, gegen dergleichen Um triebe eine Verwarnung zu erlassen. Meine Herren! Das sind besonders, da Landtagsabgeordnete dahineingezogen wer den, Beschuldigungen, die nicht unberührt gelassen werden können. Ich gestatte mir daher folgende Anträge: 1) daß die betreffenden Blätter der Deputation zugewiesen, 2) daß sie ausgelegt und 3) daß sie an die zweite Kammer gebracht werden. Die Gründe für meine Anträge sind folgende: Erstens, wir haben diese Petition der betreffenden De putation resp. zur Prüfung und nach Befinden Beach tung zugewiesen, und ich weiß nicht, ob die Depu tation selbst sich nicht bewogen finden würde, nähere 1