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1930 II. K. 60. Sitzung, (Abgeordneter Günther.) gehabt haben, daß das Finanzkomitee des Senats be schlossen hat, die besonders neuen, schikanösen Zoll bestimmungen zu streichen, nämlich: 1- den Flaagenzoll zugunsten der amerikanischen Schiffahrt in Höhe von 5 Prozent; 2. die für die gehörig beglaubigten" Be amten (äul^ lkAalissä oktiosr8) der Vereinigten Staaten vorgesehene Ermächtigung, im Streitfälle Einsicht in alle Bücher und Dokumente der Exporteure und Im porteure zu verlangen; 3. schließlich die Dumping- Klausel. Leider hat der Senat als Ersatz hierfür gleichzeitig neue Vorschriften beschlossen, die für den gesamten Einfuhrhandel nicht minder bedrohlich sind." Meine Herreni Sie sehen, auf der einen Seite hat man die sogenannten erschwerenden Vorschriften, weil man von europäischen Staaten bedrängt worden war, aufgehoben, aber an Stelle der beseitigten hat man neue Vorschriften geschaffen, die ebenfalls nichts anderes bezwecken, als die Warenausfuhr aus Deutschland und anderen Staaten, wenn es den Herren Amerikanern in den Kram paßt, unterbinden zu können. Das ist eilt Vorgehen, das die schärfste Mißbilligung herausfordert und gegen das unsere verbündeten Regierungen nach wie vor den schärfsten Protest bei der Regierung der Vereinigten Staaten ein legen müssen. Derartige Maßnahmen zeigen uns den herausfordernden Übermut amerikanischer Handelspolitik, der schließlich Treu und Glauben im internationalen (L) Güteraustausche schwer erschüttern muß. Ob daran die neueste Zollrevision der Vereinigten Staaten etwas ändern wird, das muß selbstverständlich erst noch abge wartet werden. Aber nach den Erfahrungen, die vor liegen, besteht erheblicher Zweifel, ob die amerikanischen Zollverwaltungen von ihrem schikanösen Vorgehen in nächster Zeit Abstand nehmen werden. Durch den Frankfurter Frieden von 1871 ist unser Verhältnis zu Frankreich durch die Meistbegünstigungsklausel geregelt. In Frankreich wurde darüber sehr viel Unzufriedenheit geäußert. Man meint dort, daß die Spezialisierung des deutschen Zolltarifs von 1902 keinen anderen Zweck verfolge, als daß Deutschland sich den durch die Meistbegünstigungs klausel gesicherten gegenseitigen Vorteilen zu entziehen suche. Mit anderen Worten, man behauptet in Frankreich, man hätte die Spezialisierung im deutschen Zolltarif so eingerichtet, daß die französische Ausfuhr nach Deutsch land mit hohen Zollsätzen bedacht werden könne. Deutscher seits dagegen wird behauptet, daß dies nicht zutreffe, daß die französische Auffassung in alle Wege irrig sei. Die Spezialisierung sei durch die große Verzweigung der In dustrie nötig gewesen. Meine Herren! Auch in Frankreich begegnet man gewissen schikanösen Behandlungen der deutschen Waren am 12. März 1914 einfuhr. Ich verweise auf die Taraverordnung vom (v) 27. August 1911. Danach sollte an Stelle der bisherigen Nettoverzollung eine Bruttoverzollung unter Gewährung von 5 Prozent Tara und mit genauer Untersuchung der Waren treten. Durch Verordnung vom 14. Juli 1912 ist düse französische Taraverordnung abgeändert worden. Es kann also Taragewicht auch stichprobenweise fcstgestellt werden. Man hört aus Frankreich ferner die Absicht, schärfere Maßnahmen für die Herkunft deutscher Warem anzuordnen. Wenn damit etwa die Absicht verknüpft ist, die deutsche Wareneinfuhr nach Frankreich zu er schweren, so möchte ich die Bitte aussprechen, daß die verbündeten Regierungen nichts verabsäumen, mit ent sprechenden Gegenmaßnahmen zu antworten. Während der Ära der Caprivischen Handelsverträge vom 1. Februar l892 bis zum 28. Februar 1906, also 14 Jahre und l Monat, hat sich die deutsche Volkswirt schaft umfassend entwickelt. Wenn ich diese Entwicklung auch nicht ausschließlich auf die Wirkung der Caprivischen Verträge zurückführen will — es mögen auch andere Ursachen dabei mitgespielt haben —, so ist doch kein Zweifel, daß während der Geltung der Caprivischen Ver träge die deutsche Volkswirtschaft einen großen Aufschwung genommen hat. (Sehr richtig!) Die industrie- und handeltreibende Bevölkerung nahm bedeutend zu, eine Folge der durch die Caprivischen Ver träge vermehrten Arbeitsgelegenheit. (Sehr richtig! bei der Fortschrittlichen Volkspartei.) Ich möchte noch weiter darauf Hinweisen, daß die Zahl der in Handel und Industrie Beschäftigten im Jahre 1895 46 Prozent und im Jahre 1907 5b Prozent betrug. Die jetzt geltenden Handelsverträge, die sogenannten Bülowverträge, sind für unsere Industrie ungünstiger. Sie haben die Auswanderung der deutschen Industrie, wenigstens eines Teiles der deutschen Industrie, nach dem Auslande begünstigt. (Sehr richtig! bei der Fortschrittlichen Volkspartei.) Ich brauche bei uns in Sachsen nur auf die Posamenten industrie zu verweisen, die eine starke Konkurrenz in Böhmen bekommen hat, und auf die Spitzen- und Stickerei industrie des Vogtlandes und des sächsischen Erzgebirges, die durch eine in Böhmen auflebende Konkurrenzindustrie schwer bedrängt worden ist. (Sehr richtig! bei der Fortschrittlichen Volkspartei.) Wenn auch, meine Herren, dem Rückgänge der deut schen Ausfuhr im Jahre 1908 ein Aufsteigen folgte, so darf doch nicht unbeachtet bleiben, daß, wenn die deutsche