Mitteilungen über die Verhandlungen des Ordentlichen Landtags im Königreiche Sachsen / 2. Kammer

2944 l> k- 82. Sitzung (Mg. Schnabel.) (L) Man darf sich nicht wundern, wenn unter sulchen Um ständen die in Frage kommenden Gemeinden energisch gegen Einführung des Rollbockverkehrs protestieren. Man weist mit Recht darauf hin, daß, namentlich nach dem in dem benachbarten Saupersdorf sich trotz der Er schwernisse der Schmalspur eine ziemlich bedeutende Steinindustrie entwickelt hat, die Eisenbahnverkehrsverhäl- nisse als so primitiv bezeichnet werden müssen, daß sie dringend einer Modernisierung bedürfen. Als Heil mittel kann aber der Rollbockverkehr keineswegs in Frage kommen, schon wegen der ziemlich bedeutenden toten Last, die in Gestalt der Rollwagen mitgeschleppt wer den muß. Wenn die Regierung in ihrer Erklärung zum Be richte Nr. 473 vom 3. Mai 1910 auf die Erfahrungen hinweist, die man anderweit mit dem Rollbockverkehre ge macht hat, so muß dem gegenübergehalten werden, daß schließlich doch die. Verhältnisse überall anders liegen. Es kommt unter anderem wesentlich auf Art und Um fang der zu befördernden Güter und auf eine Anzahl anderer Umstände an. Ebenso darf keineswegs ver gessen werden, daß es sich hier um nur 75 ow Spur weite handelt, anderweit aber vielfach um 100 om. Wohl erscheint der Standpunkt der Regierung, daß hier den anerkannten Mißständen mit einer Ausgabe von eu. 300000 M. begegnet werden kann, während ein Umbau bis Kirchberg 1700000 M. kosten würde, an sich gerechtfertigt. Man muß aber demgegenüber auch den Verkehrsumfang und die bisherige Ren tabilität der fraglichen Teilstrecke mit in Betracht ziehen. Die Teilstrecke Wilkau-Saupersdorf brachte in den ersten zwölf Jahren ihres Bestehens von 1882 bis 1893 durchschnittlich 3?/g Prozent, also mehr, als die Verzinsung der Staatsanleihen erforderte. Für die späteren Jahre liegt eine separate Rentabilitätsberechnung dieser Teilstrecke infolge der Fortsetzung der Linie nach Wilzschhaus und Carlsfeld nicht vor. Aber wenn man berücksichtigt, daß der gesamte Verkehr der in Betracht kommenden Stationen Cunersdorf, Kirchberg und Saupers dorf von54000 Tonnen im Jahre 1894 auf 100000 Tonnen im Jahre 1907, also binnen 13 Jahren auf annähernd das Doppelte gestiegen ist, so ist nicht nur der Schluß ge rechtfertigt, daß speziell diese Teilstrecke zu den best rentierenden im ganzen Lande gerechnet werden kann, sondern man darf daran füglich auch die Forderung knüpfen, daß angesichts der Notwendigkeit der Verbesse rung der Verkehrsverhältnisse auch wirklich Einrichtungen getroffen werden, die dauernd genügen. Auch die steuer lichen Leistungen Kirchbergs lassen es ge rechtfertigt erscheinen, daß man den von dort ausge- , am 6. Mai 1912 sprochenen Wünschen gegenüber sich nicht ablehnend verhält. Das Staatseinkommensteuersoll betrug im Jahre 1879 16256 M., im Jahre 1907 aber 87280 M-, ist also in dieser Zeit um nicht weniger als 437 Prozent gestiegen. Seit 1907 ist nun allerdings leider mehr oder weniger ein Stillstand eingetreten. Die dort an sässige Tuchindustrie kann sich infolge verschiedener Um stände, wozu auch die ungenügenden Bahnverhältnisse das ihrige beigetragen haben, nicht weiter entwickeln, und alle Anstrengungen, andere Industriezweige heranzuziehen, scheiterten regelmäßig an den unzulänglichen Eisenbahn verhältnissen. Jetzt endlich sollen sie gebessert werden, und es hat meines Erachtens der Staat die Pflicht, auch gründlich zu helfen! Den gegenwärtigen Zustand möchte sich mit einem Rocke vergleichen, der im Laufe der Jahre zu eng geworden ist und wo durch Aufsetzen eines Fleckes nachgeholfen werden soll. Hier tut aber gründ liche Abhilfe not, sonst wird es eben nur Flickwerk bleiben. Wie sehr übrigens die dortigen Interessenten davon überzeugt sind, daß nur Normalspur dauernde Abhilfe schaffen kann, beweist der Umstand, daß sämtliche ein gegangenen Petitionen darauf hinauslaufen, man wolle sich lieber noch mit dem gegenwärtigen Zustande einige Zeit behelfen, nur möchten durch Einführung des Rollbock verkehrs die berechtigten Wünsche nicht wieder Laleuäas kraoous vertagt werden. Ich gestatte mir des halb, folgenden Antrag zu stellen: „Die Kammer wolle beschließen, 1. die in Kap. 16 Tit. 34 des ordentlichen Staats haushalts - Etats für 1912/13 geforderten 297000 M. abzulehnen und 2. die Königl. Staatsregierung zu ersuchen, den Ständen eine Vorlage auf Umbau der Schmal spurbahnstrecke Wilkau-Kirchberg zugehen zu lassen und die in Kap. 16 Tit. 34 für 1912/13 angeforderten 297000 M. als erste Rate für diesen Umbau einzustellen? Ich bitte Sie, diesem Anträge zuzustimmen, nicht nur zum Vorteil der beteiligten Gemeinden, sondern damit zugleich im Interesse des ganzen Landes. (Bravo!) Präsident: Ich bitte mir den Antrag schriftlich aus. Meine Herren! Sie alle haben gewünscht, daß wir zu Pfingsten schließen. Deswegen müssen wir uns mit großen Tagesordnungen abfinden und sie so schnell als möglich erledigen. Wir haben jetzt 7-10 Uhr und dabei noch 17 Punkte auf der Tagesordnung. Von den 17 Re ferenten abgesehen, haben sich bis jetzt noch 20 Redner