Mitteilungen über die Verhandlungen des Ordentlichen Landtags im Königreiche Sachsen / 2. Kammer

II. K. 80. Sitzung, am 2. Juli 1917 2501 (Abgeordneter Günther.) war, daß irgendein Konkurrenzunternehmen dem Staate gegenüber sich hätte niederlassen können, es wäre unter solchen Umständen von Hause aus ein totgeborenes Kind gewesen. Meine Herren! Das über den Erwerb des Ver mögens der Braunkohlen-Aktiengesellschaft Herkules bei gebrachte Sachverständigengutachten geht über die Tat sachen, die ich eben erwähnte, hinweg oder beachtet sie ungenügend; da- Gutachten ist nach unserer Überzeugung nach dieser Richtung hin wenigstens ganz belanglos. Bei der von mir geschilderten Sachlage ist es nicht zu verstehen, wie man die Aktien über ihren wahren Wert hinaus bezahlen konnte. Die veränderten Ver hältnisse, namentlich die andersgeartete Kohlen- verwertung, konnte sonach für das Herkules werk gar nicht in Betracht kommen, denn dieses hat auf Grund des Vertrages vom 21. Juni 1909 Kohlen in unbegrenzter Menge für die Elektrizi tätserzeugung der Oberlausitz an den Staat zu liefern. Das war eine vertraglich festgesetzte Verpflichtung, die noch erzwungen werden konnte durch eine weitere Stipulierung des Vertrages und die gesicherti st durch die Sicher ungs Hypothek von 500000 M., auf die ich bereits hingewiesen habe. M Die etatrechtliche Seite ist es, die uns zu unseren Bedenken führte, die bis heute lebhaft geblieben sind. Wenn man bedenkt, daß der Vertrag — wenn ich recht unterrichtet bin —, den die Königliche Staatsregierung hier abgeschlossen hat und der uns heute beschäftigt, bereits am 26. Oktober 1916 zum Abschluß gekommen ist, so wäre es der Königlichen Staatsregierung ein leichtes gewesen, sich im folgenden Monate, im Novem ber 1916, mit dem Landtage darüber zu verständigen. (Sehr richtig!) Herr Abgeordneter Gleisberg wies in seinem Berichte auf den Preis für den Hektar der Kohlenfelder in der Lausitz hin und meinte, daß nach der vorgeschlagenen Fördcr- abgabe, wie sie in dem Kohlendekrete Nr. 42 angeführt wird, das Hektar Kohlenfeld sich schließlich, wenn das Feld abgebaut ist, auf 18000 M. stellen würde, dagegen der jetzt mit etwa 7000 M. angelegte Preis als angemessen angesehen werden könnte. Demgegenüber muß ich feststellen, daß das nicht die Ansicht der Finanzdeputation ö gewesen ist; eine solche Ansicht kann geäußert worden sein. Es ist mir aber nicht bekannt, daß die Deputation einen Beschluß darüber herbeigeführt hätte. Jedenfalls, meine Herren, ist es sehr gewagt, derartige Schlußfolgerungen zu ziehen, denn wenn die Königliche Staatsregierung die Förder abgabe, auf die wir später noch ausführlich zu sprechen (0) kommen werden — sie steht heute nicht auf der Tages ordnung — von vornherein viel zu hoch im Dekret Nr. 42 vorschlägt, dann allerdings kann man sehr gut behaupten: der Preis für den Hektar Kohlenfeld, der unter 18000 M. liegt, ist, wenn die Förderabgabe dafür in Frage kommt, angemessen. Das kann man dann sehr gut sagen. Hätte man aber wegen der Förderabgabe vorher eine Besprechung und Fühlungnahme der Fraktionen nach irgendeiner Rich tung hin durchgeführt, dann wäre man vielleicht zu einem ganz anderen Resultate gekommen und hätte nicht diese hohe Förderabgabe vorgeschlagen, die zu einer ungeheuren Bewertung der Braunkohlenfelder führen muß. (Sehr richtig! in der Mitte.) Wenn der Herr Abgeordnete Nitzschke (Leutzsch) Bedenken trug, daß die Privattätigkeit eine weitere Einschränkung erfahre, so teilen wir diese Bedenken durchaus. Wir haben schon bei anderen Gelegenheiten darauf hingewiesen, daß es Aufgabe der Regierung sein müsse, alles aufzubieten, daß, wenn nicht schon während des Krieges, aber nach Friedensschluß alles getan werden muß, um die Privat tätigkeit in ihrem vollen Umfange wie vor dem Kriege wieder aufleben zu lassen. Nun liegt die Sache hier aller dings etwas anders. ES handelt sich hier um eine Ver- gasungsanlage mit Gewinnung von Nebenprodukten aus (v) der Braunkohle, aus Kohle, die zum größeren Teile schon im Besitz des Staates ist. Der Zukauf des Herkules werkes bringt einen Zuwachs, wie ich vorhin schon er wähnte, von rund 19,3 Millionen Mark Braunkohlen. Das ist gegenüber dem schon vorhandenen Kohlenbesitz des StaateS eine verhältnismäßig kleine Menge. Vielleicht wäre die Sache anders verlaufen, wenn der Landtag im November vorigen Jahres oder noch früher vor Abschluß des Ankaufes des Herknleswerkes zusammengekommen und gefragt worden wäre, wenn hier eine eingehende Beratung, wie es nach der Verfassung vorgeschrieben ist, statt gefunden hätte, (Sehr richtig! in der Mitte.) ob man nicht den Bedenken, die aus der nationalliberalen Fraktion herauskommen, die vielleicht auch noch in anderen Fraktionen vorliegen, etwas mehr Rechnung hätte tragen müssen. DaS ist jedenfalls nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Nachdem die Dinge aber so weit ge diehen sind und nachdem dieser Erwerb durchgeführt ist, ohne daß vorher die Zustimmung des Landtages ein geholt worden ist, haben wir schon in der Deputation uns über die hohe Bedeutung einer derartigen Vergasungsanstalt zustimmend ausgesprochen. Wip 372*