IO Nürnbergs Kunst und Geschichte. Mauthhalle. Von dort lief der Graben vor den später entstandenen Zeughäusern — Kornmarkt — hin, zum Teil, an dem Färbersbriickchen und dem Nadlers graben, noch heute zu Tage hegend, zum weissen Turm. Dieses interessante Überbleibsel hat auch noch das Vorthor, mit den flankierenden, halbrunden Türmen sich erhalten, ln nordöstlicher Richtung führte die Mauer hinter dem erst 1671 erbauten Waizenbräuhaus (jetzt westlicher Teil der Tucherbrauerei) zum Unschlittplatz, und setzte dort über die Pegnitz in ihren zwei Armen. Die nördliche Überbrückung „am Henkersteg“, eine der malerischsten Partien des alten Nürnberg, mit ihren beiden Türmen, in deren einem, dem kleineren, sich späterhin die Henkerswohnung befand, während der grössere, der Wasser turm hiess, ist erhalten. Von hier zog die Stadtmauer, in nicht mehr genau lestzustellender Linie, zum heutigen Weintraubengässlein, hinter der Karlstrasse über den Weinmarkt zur Füll, wo sich ein dem neuen Thor entsprechendes, älteres, schon im 14. Jahrhundert wieder eingelegtes Thor befand. Entlang den westlichen Hinterhäusern der Albrecht Dürerstrasse kam dann die Mauer beim noch erhaltenen, und in die neue Befestigung übernommenen, freilich im 16. Jahrhundert stark erneuerten Tiergärtnerthorturm zum Ausgang. Aber nicht lange sollte diese Erweiterung genügen, schon zwanzig Jahre später war man genötigt, mit einer weiteren, diesmal für Jahrhunderte genügenden zu beginnen. Um diese ausserordentlich rasche Entwicklung zu verstehen, dürfte ein Blick auf die geschichtlichen Verhältnisse im hohen Mittelalter sich als nützlich erweisen.*) Zwei Momente waren es anfänglich, die dem raschen Auf blühen sich förderlich zeigten, die dauernde grosse Gunst der Kaiser, die sich alsbald die Burg in Alitte ihrer wichtigen Besitzung zum gern besuchten Aufent haltsort erkoren, und dadurch einen sich schnell vermehrenden Stamm von Ansiedlern und Gewerken nach sich zogen, dann die schon im 11. Jahrhundert zu hoher Wichtigkeit gelangende Wallfahrt zu den Gebeinen des sagenhaften hl. Sebald, des späteren Schutzheiligen der Stadt. Die kärgliche Gunst der natürlichen Verhältnisse, der Kampf mit Schwierigkeiten des Bodens — die Flussniederung war durchaus sumpfig — stählte die Bewohner im Kampfe mit dem Leben, die zentrale Lage liess zudem bald Nürnberg als einen günstigen Mittelpunkt des Handels nach allen Richtungen erscheinen. Auch die Macht befugnisse der Stadt erweiterten sich. Aus dem Besitz des Burggrafen, in *) In anschaulicher, knapper Weise sind die politischen Geschicke Nürnbergs geschildert in dem am Ilistorikertage 1898 von Archivrat li. MummenholT gehaltenen Vortrag „Der Reichsstadt Nürnberg geschichtlicher Entwicklungsgang“ Leipzig, Er. Meyer, und ausführlicher bis zum Jahre 1350, mit besonderer Berücksichtigung der kulturgeschichtlichen Momente in desselben Verfassers „Alt- Nürnberg“ Bamberg, Büchner 1890. In weiterem Rahmen behandeln die Geschichte Nürnbergs E. Reicke’s treffliches Buch „Geschichte der Reichsstadt Nürnberg bis zum Jahre 1S06“ Nürnberg, Raw’sche Buchhandlung 1895 und L. Rösel, „Alt-Nürnberg“, Friedr. Korn, 1893.