Das Trigonon „Weißt Du, was ein Dreieck ist?" In ihm ein Ideal des „Lauteren, Nüchternen, Genauen“ gegenüber einer ungenügenden Wirklichkeit se hend, beantwortet Max Frisch seine Frage. „Unentrinnbar wie ein Schicksal: es gibt nur eine einzige Figur aus den drei Teilen . . . und das Scheinbare un absehbarer Möglichkeiten . . . zerfällt wie ein Wahn vor diesen drei Strichen." Es ist ein „Wissen, das stimmt.“ Es ist eine „Figur, die sich mit dem Namen deckt". Keine Dazwischenkunft gesell schaftlicher Verkehrungen. Wie kann das Dreieck zum Vehikel li terarischer Protestation werden? Heißt es nicht, diese einfache Figur überfor dern? Das Dreieck hat in seiner mehr- tausendjährigen Geschichte höchst progressiv fungiert: Pflug, Keil, schiefe Ebene, Bau von Behausungen, Über spannung beliebig weiter Räume, Be herrschung von Kräften durch deren Umwandlung und Teilung. Erkenntnis und Anwendung der Eigenschaften des Dreiecks beim Her ausarbeiten des Menschen aus seiner unmittelbaren Naturabhängigkeit, der „Aneignung der Natur von seiten des Individuums" (Karl Marx). Thaies entdeckt aus den Ähnlich keitsbeziehungen von Dreiecken deren Qualität, den Standort des Menschen im Raum zu bestimmen. Pythagoras erkennt Zusammenhänge von Zahl und Dreieck und leitet daraus Gesetzmäßigkeiten einer musikalischen Harmonielehre ab. Archytes von Tarent sieht im Dreieck eine Weise menschlicher Erkenntnis. Nikolaus von Cusa formuliert dialek tische Beziehungen: Das Dreieck ist Ausdruck der Einheit und Vielfalt der Dinge. Spinoza dient das Dreieck zur Ver anschaulichung der Notwendigkeit in der Natur. Auf Grund seiner Alltagserfahrun gen verbindet der Mensch mit dem Dreieck bestimmte Vorstellungen, Emo tionen und Wertungen. Das Dreieck als Zeichen, Signal, Symbol erhält allge meine gesellschaftliche Verbindlichkeit: Verkehrszeichen, mystische Sterndeu tungen, das Auge Gottes, Symbol der Dreieinigkeit, die Roten schlagen die Weißen. Aktuelle Bedeutung und historische Sn n 1 Dimension des Dreiecks zwingen uns, geometrische Grundformen in ihrer Klarheit und konstruktiven Relevanz bei der Gestaltung von Dingen nicht leichtfertig preiszugeben, sondern über sie nachzudenken, sie auf ihre Ver wendbarkeit zu prüfen. Hein Köster 43 44