Dicke Mauern - geöffnete Türen Angela Jekosch, Camagüey* „Und weil die kubanische Straße schwatzhaft, indiskret und spottlustig ist, werden im kubanischen Haus die Mittel zu seiner Abschirmung und zum größtmöglichsten Schutz der Ungestört heit seiner Bewohner vervielfacht. Das traditionelle kreolische Haus ist - am sichtbarsten in der Provinz — ein rings um sein Halbdunkel geschlossenes Haus . . . Aus der mit Nägeln beschla genen Eingangstür schaut nur das vom Türklopfer gerufene Gesicht heraus. Selten stehen die Fenster zur Straßen seite offen oder auch nur angelehnt. Und um noch besser Abstand zu be wahren, präsentiert sich in der kubani schen Architektur das Fenstergitter mit einer unglaublichen Vielfalt."' 1 Die über 450 Jahre andauernde Aus plünderung des Landes, erst durch Eu ropa, vermittelt über Spanien, danach durch die USA, hatte für Kuba eine in sich gegensätzliche Struktur urbanen Lebens zur Folge: Den ausgemergel ten, völlig unterentwickelten ländlichen Regionen standen wenige, sich je nach Reichtum der dort ansässigen Koloni satoren unterscheidende Städte gegen über. Erst um 1900 begannen Banken und Finanzkapital, ihre Spuren in den Stadtstrukturen zu hinterlassen und je de nichtkommerziell ausgerichtete Öf fentlichkeit zu untergraben. Mit dem Sieg der Revolution 1959 war auch die Neugestaltung städtischen und ländlichen Lebens als revolutio näre Aufgabe gestellt. Auf dem Lande fehlten öffentliche Bauten völlig, da die Latifundistas den vorherrschenden Zuckerrohranbau von den Städten aus dirigierten. Traditionen dörflichen Le bens waren zudem mit der Ausrottung der Ureinwohner abgeschnitten wor den. So empfanden die Bauern mo derne Technik und den Bau von Schu len, Krankenhäusern, Versorgungsein richtungen usw. als Wunder aus einer anderen Welt. 2 In den Großstädten, besonders ausge prägt in Havanna, hatte sich die Tren nung von öffentlichen Räumen, die kommerziellen, touristischen, admini strativen und repräsentativen Zwecken dienen, und ärmlichsten, strukturell und baulich vernachlässigten Wohn vierteln gerade vollzogen. Etwas anders stellt sich das Problem des öffentlichen Lebens in den tradi tionellen Stadtkernen dar. Historisch Die Neugestaltung von Öffentlichkeit nur sehr langsam und begrenzt ge- im architektonischen Raum mußte da wachsen, sind sie Resultat jahrhunder- her in doppelter Weise analysiert und telanger Anpassung ihrer Bewohner diskutiert werden. Zum einen gaben an jeweilige spezifische natürliche und Tendenzen des „Zerfalls von Dffent- soziale Bedingungen. Als Zentren der Iichkeit" 3 alarmierende Zeichen, indem mittleren und kleinen Bourgeoisie so- Luxus- und Touristenzentren ganze wie mehr oder weniger reicher Lati- Straßenzüge und Plätze entvölkerten, fundistas etablierte sich hier eine pro- Um dagegenzuwirken, wurde zunächst vinzielle Öffentlichkeit, die die große die existierende Bausubstanz umfunk- Mehrheit der Bevölkerung ausschloß. tioniert und umverteilt, ehemalige Lu- i 41