Einleitende Bemerkungen. Wenn auch die Schmalspurbahnen von Haus aus nur zur Befriedigung eines geringeren Verkehrsbedürfnisses einzurichten waren, so hat sich doch im Laufe der Zeit gezeigt, dass sie mitunter auch erheblich gesteigerten Ansprüchen an ihre Leistungsfähigkeit Rechnung zu tragen vermögen. Das geringere Verkehrsbedürfniss zeigt sich zur Zeit noch bei der Mehrzahl der Bahnen in Ansehung des Güterverkehrs. Wie schon im ersten Theile dieses Werkes hervorgehoben ist, entspringen die Verkehrs einnahmen der schmalspurigen Bahnen in ihrer Gesammtlieit gegenwärtig fast zu gleichen Theilen dem Personen- und Güterverkehr, während sich das Werthsverhältniss beider Ver kehrsarten für den Gesammtverkehr der sächsischen Staatsbahnen ungefähr wie 1:2 stellt. In jedem Falle ist das spezielle Verhältniss beider Verkehrsarten zu einander abhängig von dem jeweiligen Ueberwiegen des einzelnen Verkehrsbedürfnisses und daher zeitlich und örtlich wechselnd. Neue Bahnlinien ünden in der Regel, wenn sie nicht lediglich zur Abfuhr von vornherein bestimmter, an gewissen Orten vorhandener Massengüter dienen, wie dies z. B. bei den Kohlenbahnen zumeist der Fall ist, zunächst einen verhältnissmässig schwachen Güter verkehr vor, so dass öfters die Personenverkehrseinnahmen — selbst bei nur gewöhnlicher Frequenz — die Einnahmen aus dem Güterverkehr übersteigen, oder wenigstens diesen Ein nahmen sehr nahe kommen. Dies ist zwar an sich kein günstiges Verhältniss, aber eine ganz natürliche Erscheinung, denn während der Personenverkehr in der Hauptsache sofort von der neuen Bahn angezogen wird, müssen sich die gewerblichen Unternehmungen an der neu entstandenen Bahnlinie erst nach und nach auf die Benutzung des neuen Verkehrsweges und die hiermit in der Regel verbundene Produktionssteigerung einrichten. Hieraus ist es zu erklären, dass der Umfang’ des Frachtenverkehres in der Mehrzahl der Fälle erst einige Jahie nach der Eröffnung der Bahn zunimmt. Die Ertragsfähigkeit der Bahnen in abstracto hängt vorwiegend von zwei Hauptfaktoren ab: erstens von dem vorhandenen Verkehrsbedürfniss und zweitens von den Tarifen. Beide stehen insofern mit einander in ursächlichem Zusammenhänge, als niedrige Tarifsätze unter normalen Verhältnissen eine vermehrte Frequenz erzeugen, indem sie die öftere Wiederkehr des Transportbedürfnisses fördern. Dies wird beispielsweise bestätigt durch die in der neueren Zeit eingetretene Bewegung des Personenverkehrs, der durch die mannigfachen Begünstigungen, die diesem Verkehrszweige in den letzten Jahren zu Theil geworden sind, ganz ausserordentlich an Umfang gewonnen hat. Seit dem Jahre 1875, in welchem auf jeden Kopf der Bevölkerung Sachsens 6 Eisenbahnfahrten entfielen, ist dieser Durchschnitt bis zur Gegenwart trotz der inzwischen stark angewachsenen Bevölkerungszahl auf 11 Fahrten pro Jahr oder um 83 Pro zent gestiegen.