Die Uhrmacherkunst

VERBANDSZEITUNG DER DEUTSCHEN UHRMACHER 60. JAHRGANG / BERLIN NW 7, 5. APRIL 1935 / NUMMER 15 Unerfreuliche Entwicklungen im Uhrenhandel Von W. König Das Uhrengewerbe geniefet bei den anderen Berufs zweigen den Ruf, dafe es in seiner Leitung fortschrittlich eingestellt ist und dafe die gröfeten Anstrengungen für den Absafe von Uhren gemacht werden. Die Erziehungs arbeit, die an den Angehörigen des Uhreneinzelhandels in kaufmännischer Beziehung seit 1927 geleistet wird steht unerreicht da. ln anderen Handelszweigen überlegt man jefet die Einrichtung von Schulungen, wie wir sie seit langem besifeen, und das im Zentralverband ge sammelte Erfahrungsmaterial wird gern von den anderen Handelszweigen verwertet. Bezüglich der Gemeinschaftspropaganda kommen die Vertreter von Handelskammern und sonstigen Verbänden zum Zentralverband, um Einsicht in diese vorbildlich auf gebaute Gemeinschaftsarbeit zu nehmen. Es ist so, dafe alle diese Leistungen der Uhrmacherorgamsation von anderen Berufskreisen voll anerkannt und mit höchstem Lob bedacht werden, dafe aber in den Kreisen der Uhr macher selbst noch nicht das richtige Verständnis ver breitet ist für die Gröfee und für den Wert der hier ge leisteten Arbeit. Immerhin kann man feststellen, dafe die Arbeit Erfolg bringt und dafe vieles in den lefeten Jahren durch diese Schulung besser geworden ist. Leider müssen wir diesen Lichtseiten auch schwere Schattenseiten gegenüberstellen. Es gibt eine 9 a " z e Reihe von unerfreulichen Erscheinungen im Uhrenhandel, an deren Beseitigung mit aller Kraft gearbeitet werden mufe. Geradezu unverständlich für jeden Aufeenstehenden und unerhört für den Uhrmacher ist der Zustand, dafe grundsäfelich Nichtfachgeschäfte billiger beliefert werden als Fachgeschäfte! Wer einen Basar, eine Spiel waren- handlung, ein Lederwarengeschäft eröffnet, erhalt un aufgefordert von Uhrenfabriken und Uhrenhandlern An gebote, Uhren einzuführen, da daran natürlich sehr viel verdient wird, und — was das Gefährliche bei diesen Angeboten ist - die Angebote liegen im Preise unter den Preisen, wie sie vom regulären Handel oder von den Fabriken, die unmittelbar an Uhrmacher liefern, gestellt werden. , . Wir haben im Monat Januar 1935 wieder einmal eine Kontrollofferte von einem Galanterie- und Spielwaren geschäft, mit dem wir freundschaftliche Beziehungen unterhalten, über Uhren eingeholt. Es mufe ausdrücklich betont werden, dafe weder eine Mindestmenge angegeben oder sonst versucht worden wäre, den Preis zu drücken. Es handelt sich um eine völlig freie Offerte. Danach kosteten im Monat Januar 1935 Baby-Wecker mit grofeen Zahlen B io 3131, Herren-Taschenuhren in Nicket B.un 31)1, Stiluhren 1U/ 2 X 121; 2 in Chrom mit Leuchtzahlen A.au 31)1. Jeder Kollege vergleiche die Preise, die er zu dieser Zeit bezahlen mufete. Dieser wirtschaftliche Wahnsinn ist so weit getrieben worden, dafe Nichtfachgeschäfte zu den Preisen verkaufen können, zu denen der Uhrmacher die Ware einkauft! Nachdem jahrelang darüber verhandelt worden ist, wie diesen unerfreulichen Zuständen ein Ende ge macht werden könnte, ist es endlich an der Zeit, nun einmal auch Taten folgen zu lassen. Die Zeit der „dilatorischen" Behandlung (wie es in dem Protokoll des Wirtschaftsverbandes heifetl ist endgültig vorbei. Jefet werden sich die Geister scheiden müssen, ob sie zum Fachgeschäft stehen oder ob sie mit den Nichtfach geschäften ihren Umsafe machen wollen. Wie wir hören, werden in nächster Zeit entscheidende Schlufeverhandlungen über diese Frage mit der Fabrikation stattfinden. In lefeter Zeit mehren sich die Klagen darüber, dafe in fachfremden Geschäften plöfelich Uhren oder Schmuck waren auftauchen. Herrenkonfektionsgeschafte fuhren Manschettenknöpfe, Chateleine; Handarbeitsgescha te führen Silberschmuck, Römerreifen, Armbanduhren Hals ketten- Messerschmiede verkaufen Bernstein, Silber- schmuck, silberne Korpuswaren und Bestecke; Kolomal- warengeschäfte, Lederwarengeschafte, Spielwarenge schäfte, Konfektionsgeschäfte führen Uhren, so dafe das schönste Durcheinander festzustellen ist. Es ist völlig ausgeschlossen, dafe diese Geschäfte von sich aus aut den Gedanken kommen würden, Uhren oder Schmuck waren zu führen, wenn ihnen das nicht von seiten allzu geschäftstüchtiger Fabrikanten oder Grofehandler nahe gelegt werden würde. Das läfet sich natürlich im Einzel- falle schwer beweisen, denn diese tüchtigen Reisenden der betreffenden Fabriken werden sich hüten, von ihrer geheimnisvollen Tätigkeit etwas verlauten zu lassen.