Die Uhrmacherkunst

Offizielles Organ des Reichsinnungsverbandes des Uhrmacherhandwerks 63. Jahrgang Halle (Saale), 14. Oktober 1938 Nummer 42 Preisausschreiben „Schönheit der Arbeit” in den Werkstätten des Handwerks In dem Preisausschreiben der Deutschen Arbeitsfront errang die Arbeit von Berufskamerad K. W. Müller, Eberswalde, den zweiten Preis, über sein Geschäft brachten wir 1936 in Nummer 34 einen ausführlichen Aufsab. Man trifft heute leider in sehr vielen Uhrengeschäften noch Ar beitsräume an, die in gar keiner Weise den Voraussebungen ent sprechen, die nun einmal not wendig sind, um eine gute, ein wandfreie Arbeit zu leisten und um Körper und Geist gesund zu erhalten. Vielleicht liegt es an der kon servativen Einstellung des Hand werks (was viele Menschenalter hindurch gegangen ist, wird auch v xu Miilior weiter gehen), dann aber an der fehlenden Erkenntnis, dab bei beschränkten Mitteln zuerst die Werkstatt ausgesialtet werden sollte, statt des Ver kaufsraumes, denn der Kunde beurteilt seinen Uhrmacher nach dessen Leistungen in der Werkstatt. Wird der Kunde hier restlos zufriedengestellt und gewinnt Vertrauen, dann wird er bei eintretendem Bedarf auch die neuen Uhren bei ihm kaufen. Aber auch die neue Uhr bedarf ja in den meisten Fällen einer Nacharbeit durch den Uhrmacher, und hierfür ist wiederum die gut eingerichtete Werkstatt Vorbedingung. Also ist es unbedingtes Er fordernis, zuerst die Werkstatt in jeder Beziehung auf die grö|tmögliche Höhe zu bringen, dann werden sich die Mittel von ganz allein einstellen, um Verkaufsraum und Lager weiter auszugestalten. Die Arbeit des Uhrmachers verlangt keine groben körperlichen Leistungen und ist dabei doch so anstrengend, dab nur ein kräftiger, gesunder Körper diese Arbeit auf die Dauer zu leisten imstande ist. Ich habe viele Uhr macher kennengelernt, die mit 35 Jahren schon so ver braucht waren, dab sie nicht mehr voll arbeitsfähig waren. Die Berufskrankheiten des Uhrmachers sind ja bekannt: Vorzeitige Aderverkalkung und vorzeitig verbrauchte Nerven. Das läbt sich aber vermeiden durch Schaffung heller, sauberer Arbeitsräume, sportliche Betätigung und viel Aufenthalt in frischer Luft. Es ist noch gar nicht so lange her, da konnte man in Fachkreisen so merk würdige Ansichten hören, ob der Uhrmacher Sport treiben dürfe. Man befürchtete nämlich, dab ein sportlich ge stählter Körper das feine Gefühl für die Präzisionsarbeit des Uhrmachers verlieren würde. Es erübrigt sich, auf eine solche Frage auch nur einzugehen, es sind be dauernswerte Menschen, die solche Fragen stellen. Der Uhrmachermeister sollte jeden Morgen zusammen mit seiner Gefolgschaft eine halbe Stunde Gymnastik treiben. Vielleicht ist ein Garten vorhanden, sonst eignet sich auch der Hof dazu (labt die Mitbewohner ruhig lachen, sie gewöhnen sich daran und machen später am liebsten selber mit), oder aber man macht das in der Werkstatt bei geöffneten Fenstern. Die gemeinsame Gymnastik ist übrigens auch ein hervorragendes Mittel, um Betriebs führer und Gefolgschaft einander näher zu bringen. Die Werkstatt K. W. Müller, Eberswalde Aufnahmen (6): Archiv Uhrmacherkunst