Allgemeines Journal der Uhrmacherkunst

Allgemeines Journal der Uhrmacherkunst. Organ des Central-Verbandes der Deutschen Uhrmacher. Nr. 4. Halle, den 15. Februar 1906. 31. Jahrgang. Alle Verbandsangelegenheiten betreffende Mitteilungen sind an den Vorsitzenden des Central-Verbandes, Kollegen Rob. Freygang in Leipzig, Johannisplatz 24, zu richten. Alle für die Expedition bestimmten Geld-, Brief- und Inseratensendungeu, ferner Abonnemeutsbestellungeu sind stets zu adressieren an die Expedition des „Allgemeinen Journals der Uhrmacherkunst“, Wilhelm Knapp in Halle a. S. Inhalt: Central-Verband. — Wie Goldwaren und Uhren an das Publikum verkauft werden. — Zwei verschiedene Auffassungen — Noch einmal 0,333.— Astronomisches. — Der Sohn als Lehrling beim Vater. — Juristischer Briefkasten. — Der Biedermeierstil. — Die Getriebelehre oder Kinematik. — Die Historische Uhrenausstellung zu Nürnberg (IX). — Die Spiralfeder und das Regulieren (Schluss) — Zimmerubr mit elektrischem Aufzug von Carl Schwan in Berlin (I). — Neuheiten. — Patentbericht. — Innungs- und Vereinsnachriehten. — Verschiedenes. — Vom Büchertisch. — Frage- und Antwortkasteu. — Anzeigen. Central-Verband. Die Stempelung der minderkarätigen Uhren beschäftigt zur Zeit viele Leute, zunächst natürlich die, welche mit unserer Branche in Verbindung stehen und sonstwie Fühlung haben. Fabrikanten, Grossisten, Uhrmacher. Goldschmiede und alles, was sonst noch Interesse am Uhrenhandel hat, rollt die Frage auf. Aber auch Hausierer, Versandhäuser u. s. w. beschäftigen sich mit der Sache, trotzdem sie mit Recht als nicht legitim im Uhrenhandel bezeichnet werden. Es muss deshalb gewiss auffallen, dass gerade diejenigen, welche das meiste Interesse haben sollten, also die Uhrmacher, verhältnismässig wenig Anteil nehmen und von sich hören lassen. Der gesamte legitime Uhreuhandel ist doch beteiligt, und müsste man gemeinsam Stellung zu der Frage nehmen. Auf den Verbandstagen, sei es bei den Grossisten, sei es bei Uhrmachern, hat man diese Frage angeschnitten, doch nie ist etwas Bestimmtes erreicht worden. Dieses Thema wurde oft genug und auch hinreichend lange behandelt, so dass man annehmen musste, jeder Beteiligte würde ein bestimmtes Urteil haben. Dem scheint aber nicht so, denn was zur Zeit zu unserer Kenntnis gelangte, erbringt den Beweis, dass selbst in kleinen Kreisen Unklarheit, grosse Widersprüche und Meinungs verschiedenheiten herrschen. Nur wenige Kollegen haben es gewagt, ihre Meinung öffentlich zum Ausdruck zu bringen, was vielleicht auf allzugrosse und auch schlecht angebrachte Bescheidenheit zurückzuführen ist. Weshalb denn hier so bescheiden, immer heraus mit der Sprache, damit die Kollegen Vergleiche anstellen und das Beste wählen können. Die Verhältnisse im Uhrenhandel liegen in den verschiedenen Gegenden und Bundesstaaten des Reiches sehr verschieden, und glaubt jeder zunächst sein persönliches Interesse wahren zu müssen. Damit kann und wird der Allgemeinheit aber kein Dienst geleistet, denn wenn in dieser Sache Gesetze gegeben werden, so sind sie eben für das Reich und nicht für jede Gegend zugeschnitten. Es ist deshalb nötig, dass das Allgemeine im Auge behalten und dementsprechend gehandelt wird. Was ist nun eigentlich die Hauptursache, der Kernpunkt bei der Frage? Doch wohl nur die: „Wird das gesamte Uhrengeschäft gehoben oder wird es tiefer sinken, wenn die Stempelung der minderkarätigen Uhren eingeführt wird?“ Wer hierauf die richtige Antwort findet, wird jedenfalls das Richtige treffen. Natürlich ist es selbstverständlich, dass bei Beantwortung der Frage alles persönliche Interesse hintenan gestellt wird. Wir ersuchen die Herren Vorsitzenden der Vereinigungen, die Angelegenheit als ersten und wichtigsten Punkt bei den nächsten Versammlungen auf die Tagesordnung zu setzen, damit den Mitgliedern Gelegenheit zur Aussprache gegeben wird. Die von uns bereit gehaltenen Fragebogen stehen den Vereinigungen, auch denen, die dem Verband nicht angeschlossen sind, kostenlos zur Verfügung. Dieselben werden nur auf Verlangen zum Versand gebracht, und bitten wir Gebrauch machen zu wollen. Es dürfte gewiss die Kollegen interessieren, zu erfahren, dass jetzt auch die hohe Geistlichkeit sich mit dem Vertrieb von Uhren beschäftigt. Wie uns aus einer Stadt Schlesiens mitgeteilt wird, hat kürzlich ein evangelischer Geistlicher in einem Arbeiterverein nach Schluss der Sitzung J u ng ha ns-Wecker, solche mit Musik, und Taschenuhren zum Verkauf gebracht. Natür lich sind die dortigen Kollegen gar nicht damit einverstanden, dass der Herr sich ausser der Seelensorge auch noch welche um die Uhren macht, und wird Anzeige erstattet werden. Wenn der geistliche Herr das Geschäft auch nicht aus niederer Gewinn sucht betreibt und der Uhrenhandel edleren Motiven entspringt, so muss ihm doch immerhin klar gemacht werden, dass der Handel nach $56, Abs. 3 der R.-G.-O. verboten ist und er ausserdem durch den Handel andere Gewerbetreibende schädigt. Jedenfalls gehört der Handel nicht nur nicht zu seinen Amtspflichten, sondern verstösst sogar gegen dieselben, wie auch gegen das Gesetz. Man sieht aber auch hieraus, wie sehr not es tut, dass die Kollegen Zusammenhalten, um sich gegen solche Ueber- griffe zu schützen. Darum kann es nicht oft genug verkündet werden: haltet zusammen oder gründet Vereinigungen! Die Lehrlingsarbeiten-Ausstellung findet am Sonntag, den 25. März, statt, und wiid eino reiche Beschickung erhofft Zugelassen sind Lehrlinge von Verbandsmitgliedern, gleichviel in welchem Lehrjahr sie stehen. Wir bitten die Kollegen, den kostenlosen Arbeitsmarkt unseres Verbandsorgans zu benutzen. Mit kollegialischem Gruss Der Vorstand des Central-Verbandes der Deutschen Uhrmacher. Vorsitzender: Rob. Freygang.