Werbegraphik / Wie Deutschland die Wiege der schwarzen Kunst war, so wurde es auch die Urheimat der Werbegraphik, deren sich zuerst die Buchhersteller und Buchhändler zur Anpreisung ihrer Erzeugnisse bedienten / Mit der un erhört raschen Ausbreitung von Gutenbergs Erfindung ging natürlich auch die Überpflanzung der Gebrauchsgraphik Hand in Hand / Wie ein ins Wasser geworfener Stein immer weitere und weitere Kreise um sich zieht, so pflanzte sich das Streben, den Typendruck für jede Werbung heranzuziehen, über alle Grenzen und Schranken fort / Nur wenige Zeugen des Werbewollens jener Zeiten — der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts — sind auf uns gekommen / Und auch dieses Glück verdanken wir nur der Sparsamkeit unserer alten Buchbinder / Papier war damals ein kostbarer Stoff, mit dem man sehr haushälterisch umging / So nahm man ausgediente oder überschüssige Bücher plakate gern als Makulatur für Bucheinbände / Nach Jahrhunderten hat dann eine planmäßige Durchforschung der alten Buchdecken diese kostbaren Reste frühmittelalterlicher Gebrauchsgraphik wieder entdeckt und zusammengestellt / Mit Plakaten im modernen Sinne haben diese ersten Bücheranzeigen wenig gemein / Es sind Schriftproben und kurze Titelregister, in denen sich etwa noch ein kurzer Hinweis auf die Billigkeit der Preise findet / Illustrierte Bei gaben fehlen fast immer / Allenfalls taucht einmal ein Druckerzeichen auf, oder es wird eine Abbildung aus dem betreffenden Werk gezeigt / Irgendwo im Satzbild war eine Lücke gelassen, in die handschriftlich der Standplatz des Verkäufers eingetragen wurde / So zogen die Drucker oder ihre Beauftragten, die Buchführer, mit schwerfälligen Karren durchs Land und boten ihre Waren feil, indem sie ihre Anzeigen an geeigneten Orten anhefteten / In ähnlicher Weise wie die Buchdrucker reisten Ärzte und Kurpfuscher und priesen ihre medizinischen Kenntnisse und ihre Heilmittel an / Einen besonders großen Anteil an der mittelalterlichen Reklame haben die Plakate der Schützenfeste, die als bürgerliche Gegenstücke zu den Turnieren des Adels immer eine wich tige Angelegenheit der Städte bildeten, ferner die Anzeigen der bei solchen Anlässen gebotenen Schaustellungen, der „Glückshäfen“, Pferderennen, artisti schen Darbietungen, Abnormitätenkabinette, Menagerien usw. / Waren diese „Vergnügungsanzeigen“ schon nicht gerade häufig, so trat die eigentliche geschäftliche Propaganda noch weit mehr in den Hintergrund, gemessen an heutigen Verhältnissen / Der Zunftzwang, unter dem das gesamte Wirtschaftsleben stand, war kein Nährboden für eine weitausholende Werbe graphik, sondern im Gegenteil mit seinem Grundsatz der Ausschaltung jedes freien Wettbewerbs ein Hemmnis für alle Reklamebestrebungen / So mußte sich die Gebrauchsgraphik selbst noch im ganzen achtzehnten Jahrhundert auf solche Unternehmungen beschränken, deren Waren für größere Wirtschafts gebiete in Betracht kamen, wie Tabakfabriken, Papierfabriken, Weinhand-