Erster Abschnitt. Die frühesten Kundgebungen des Verzierungstriebes und deren Resultate. §• i. Der Mensch hat zu allen Zeiten und auf den verschiedensten Stufen der Gesittung das Bestreben gezeigt, seinen Körper mit allerlei natürlichen und künstlichen Zuthaten zu versehen, um die Eigenschaften und Vorzüge, womit er von der Natur aus gestattet worden war, bemerkbarer zu machen und die vorteil hafte Wirkung, welche seine Erscheinung auf Seinesgleichen hervor brachte, zu erhöhen. So legte er z. B. die Haut des von ihm besiegten Löwen um seine Schultern, um in seinen Genossen das Gefühl der Hochachtung hervorzurulen; er befestigte den geöffneten Rachen eines erlegten Raubthieres auf seinem Haupte, um unter seinen Feinden Furcht und Schrecken zu verbreiten; er schmückte sich mit leuchtenden Farben, duftenden Blumen und kostbaren Gegenständen, um bei Per sonen seines Umganges Zuneigung und Liebe zu erwecken. Kein hervorragendes Culturvolk hat in Bezug auf diese Bestre bungen eine Ausnahme gemacht. Sowohl die alten Aegypter, Assyrier und Perser, als auch die Griechen, Römer und Germanen haben Beweise hierfür in Menge hinterlassen. —■ Das Verlangen, sich zu schmücken, tritt in gleicher Weise auch bei allen Nationen der Gegenwart hervor. Ueberall werden die grössten Anstrengungen gemacht, um den Forderungen des Verzieruugstriebes zu genügen. Man ist unablässig bemüht, die mannigfaltigsten Schmuck mittel zu erzeugen oder aufzufinden, um mit Hülfe derselben die menschliche Schönheit zu heben, äussere Missverhältnisse des Körpers auszugleichen oder Mängel desselben dem Auge zu entziehen. Mit den bezeichneten Leistungen des eifrig schaffenden Ver zierungstriebes hielt jedoch die Ausbildung des Gefühls für das Edle der schmückenden Formen und Farben nicht immer gleichen Schritt. Die Hebung und Erweiterung des Geschm ackes ging nur äusserst langsam von Statten, und daher kam es, dass der 1