12 zehnten Jahrhundert, zu einer Zeit, wo sich das Rittertum bereits abgelebt hatte, entstanden in biirgerlichen Kreisen Englands Rittergedichte, die in der Art der franzosischen, meist auch nach solchen, gedichtet sind. Anders verhalt es sich im Nachbarreiche, in Schottland. An der Grenze dieses Landes waren seinerzeit die normannischen Eroberer stehen geblieben, viele der angelsachsischen Edeln waren nach Schottland geflohen und von dem damaligen KOnig dieses Reiches ini Siiden seines Landes angesiedelt worden. Hier bildeten sie eine Schutzwehr gegen die Er oberer, und, wenn auch spater der Konig Malcolm sich Wilhelm dem Bastard unterwerfen musste, so blieb er doch tatsachlich Herr in seinem Gebiete. Hierher brachten die fliichtenden angelsachsischen Grossen ihre Dichtung und bewahrten die alten Lieder getreulich. Allein iu den fol- genden unruhigen Zeiten gingen die Uberreste alter Dichtung verloren. Unter den drei Eduards wurdeu alsdann heftige Kampfe zwischen Schott land und England gefiihrt und erst in der zweiten Halfte des vierzehnten Jahrhunderts traten wieder ruhigere Zeiten ein, erst jetzt konnte sich eine schottische Literatur entwickeln. An derSpitze derselben, die von Eranzosen und Englandern beeintlusst wurde, stehen zwei Manner, John Barbour und Huchown von Eglintoun, oder, wie er ais Yerwanter des koniglichen Hauses vielfach genannt wurde, Huchown of the Awle Ryale (= Hugo Aulae Regiae). Barbour starb 1395, Hugo schon am Ende der siebziger Jahre: wir diirfen diesen also ais den altern von beiden betrachten, und ais Altvater einer Anzahl schottischer Dic-hter, die, in ununterbrochner Reihe, bis tief ins sechszehnte Jahrhundert hinein bliihten. Die Verhalt- nisse waren fur die Dichtung ja auch in Schottland weit giinstigere, ais in England. Wahrend in dem siidlichen Nachbarreiche einheimische Sprache und Dichtung von den Hofen und Burgen Jahrhunderte lang verbannt waren, entwickelten sie sich in Schottland ganz frei und selbst Vornehme fanden es nicht unter ihrer Wurde Dichter zu sein; Hugo stammte aus koniglichem Blute, Barbour stand, ais angesehener Geistlicher, in enger Beziehung zum Konigshofe. Die ganze Art der Ritterdichtung ist dadurch wiirdiger, ais in England.