42 Bereits auf seine Freunde scheint diese Ansicht nicht iiberzeugend gewirkt zu haben, denn in einer Nachschrift giebt Liebig an, sie hatten gemeint, dass sich nicht einsehen lasse, wie und auf welche Weise diese Ursache die Erscheinung bewirke, und er erklart diese Anforderung an die Theorie eigentlick iiber die Grenzen der Naturforschung hinausgehend, da man liberali fiir die letzte Analyse der Wirkungsweisen nur Hypothesen habe. Er weist nochmals darauf hin, dass man den Atomen in den chemischen Yerbindungen Tragheit zuschreiben miisse: „dass die Tragheit eine Rolle in den chemischen Processen spielt, bedarf keines Beweises; denn sie gehort im Allgemeinen der Materie an. u Das Argument ware bindend, wenn jedesmal ein chemischer Yorgang mit einer Lagenanderung verbunden ware. Bei Yorgangen in homogenen Gebilden aber ist keine Bewegung wirklich nachweisbar; sie wird nur auf Grund der atomisti- schen Hypothese angenommen, und Liebigs Argument ist daher auch nur ein hypothetisches. Freilich war ihm damals, wie auch jetzt den meisten Chemikern, die atomistische Hypothese so unzweifelhaft, dass er einer sicheren Grundlage fiir seine Schltisse nicht zu bediirfen glaubte, und so musste ihm seine Ueberlegung ais entscheidend erscheinen. „Aehn- lich also, wie die Warme das statische Moment in den Elementen sehr vieler chemischer Yerbindungen aufzuheben fahig ist, geschieht dies durch einen Korper, dessen Elemente sich selbst in einem Zustande des aufge- hobenen Gleichgewichts befinden; die Bewegung, in der sich seine Atome befinden, theilt sich den Atomen der Elemente des Zuckers mit; sie horen auf, in dem Zustande zu beharren, in welchem sie Zucker bilden, und sie ordnen sich nach ihren besonderen Anziehungen.“ In seinem Jahresberichte *) aussert sich Berzelius liber diesen Wider- spruch noch ziemlich milde, indem er die einzelnen von Liebig angefiihrten Beispiele anders erklart; seinerseits hatte Liebig zugegeben, dass gewisse Thatsachen, wie die Zerlegung des Amygdalins durch Emulsin, die Wirkung des Pepsins auf geronnenes Eiweiss, der Diastase auf Starke (also die fiir 1) Berz. Jahresber. 20, 452. 1841.