10 sind, die miteinander, nacheinander imd nebeneinander sich abspielen, das ist bei ausschliesslicher Beachtung des Endresultats niemals zu entziffern. Nichts drangt denn auch bei sachgemassem Erwagen zu der Annahme einer mystischen, nur in dem Organismus waltenden Lebenskraft, der mit Erhaltung der Energic obnehin die naturwissenschaftliche Berechtigung geraubt ist 1 ). Will man aber unser Unvermogen das Getriebe des Lebens zu durchsehaueu ais einen zureichenden Grund fiir die Eorderung einer Lebenskraft zu Eelde fiibren, so muss man auch dem Australneger die Berechtigung zugestehen, fiir die ihm ganzlich unverstandliche Spieldose oder Uhr eine besondere unbegreiflicke Kraft zu fordern. Ein intelligenter Mensch konnte sich aber sehr wolil zu vollem Cau- salverstiindniss der Spieldose oder der Uhr durcharbeiten, weun ihm auch jede Moglichkeit genommen wiire einen solchen Mechanismus selbst zu bauen oder irgend eine historische Kunde von der Erliudung und Ver- vollkommnung des Mechanismus zu erhalten. Dieses Beispiel mag daran erinnern, wie wir in unseren Eorschungen den Organismen gegenuber- stehen, die wir eben ais historisch geworden, ais gegeben hinnehmen miissen. Mogen wir also noch so eindringend die Vorgange in einer Pflanze aus den von den Eltern uberkommenen Dispositionen nach Ursaehe und Wirkung erklaren, so ist damit natiirlich noch nicht die Geschiclite der Entstehung dieser Pflanzenart aufgehellt. In ihren letzten Zielen und Eundamenten laufen alie Naturwissen- schaften auf einheitlichem Boden zusammen und wenn man dazu beachtet, dass die Eintheilung in einzelne Disciplinen nur eine Schopfung mensch- licher Anschauung und Abstraction ist, so erscheint es miissig, dariiber zu streiten, ob die Physiologie oder etwa die Astronomie, der Physik und Chemie coordinirt oder subordinirt sind. Thatsachlich hat jede dieser Disciplinen in gleichem Sinne Ansprucli auf Selbststandigkeit, und speciell der Physiologie fallt ais letztes Ziel die Aufgabe zu, die Bedeutung und 1) Ueber die Lebenskraft vgl. z. B. Lotze, WagnePs Handworterbuck der Physiologie 1842, Bd. 1; du Bois-Reymond, Roden 1887, Bd. 2, p. 1.