CARL GOTTLIEB REISSIGER * wurde der Nachfolger Webers nicht nur im Amte, sondern vor allem im Kampfe um die deutsche Oper, der ja, das wissen wir besonders heute, immer wieder ausgefochten werden muß. Wir danken es ihm, daß er den Boden für Wagners Kunst geebnet hat und bedauern nur, daß späterhin dadurch, daß sich für und gegen Wagner Parteien bildeten, Reißiger als dessen verkappter Gegner hingestellt wurde. Trotzdem Reißiger als Dirigent namentlich Beethovenscher Werke zur Berühmtheit gelangt war — er war Ehrenmitglied über 30 erster musikalischer Gesellschaften — und trotzdem er den Rienzi für Dresden angenommen und 1842 mit jugendlichem Feuer zum Siege geführt hatte, wußte Wagner später» hin seinem Vorkämpfer wenig Dank. Wurde somit das Urteil über Reißiger als einem für den Fortschritt in der Musik empfänglichen Künstler durch die Nachwelt getrübt, so geben uns heute über den Komponisten Reißiger nur Aufführungen weniger Messen Auf» Schluß. Reißiger war vor allem Lyriker, für einen Dramatiker hatte seine Musik nicht genug Spannkraft, auch fehlte ihm schon der Spür» sinn für wirksame Bühnendichtungen. Das Liedartige, der melo» dische Schwung kennzeichnen auch seine Kirchenmusik. Knappheit der Form, meisterhafte Sangbarkeit, Beherrschung aller kontra» punktischen Künste sind ihm eigen, dabei ein schon früheren Meistern traditioneller Glanz der Orchesterfarben. Man denke nur an das gewaltige Gloria der Asdur=Messe, an das originell ge» setzte Credo, in welchem den rezitierenden Chor die Violinen melodieführend gleich fürbittenden Engeln überschweben, den er» lösenden Ausgang des Agnus Dei in der Hmoll» Messe. Freilich ließ seine Kirchenmusik wenig verspüren von der Gelehrsamkeit des früheren Meisterstils. Die große Einfachheit, in der sich Reißiger bei allem Rüstzeug der Kompositionsformen zeigt, mußte bei vielen Musikern zunächst den Eindrude machen, als wäre Reißigers Schreib» weise weniger wertvoll. Gibt man jedoch seinen Melodien, seiner Deklamation die nötige Ruhe im Tempo, die fromme Getragenheit, den hoheitsvollen Akzent, so fühlt man sogleich die Innigkeit und Gefühlstiefe seiner Werke. Reißiger war übrigens der letzte Kapell= meister, der zur Komposition von Opern und Kirchenmusiken ver pflichtet war. Reißiger, geboren am 31. Januar 1798, war der Sohn 22