[aus Anlass seiner fünfzigjährigen Tätigkeit als Mitarbeiter und Herausgeber des Thieme-Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart]
Adolf Dauher in neuer Beleuchtung Von Julius Baum, Stuttgart Die Kunstgeschichte ist keine Disziplin wie die Historie, solange ihr das Mindestmaß von kritischer Methode fehlt, das in der strengen Geschichtswissenschaft als selbstver ständlich vorausgesetzt wird. Die reine Stilkritik bleibt stets ein subjektiver Faktor, abhängig von der schwer nachzuprüfenden Sehfähigkeit des Kunstforschers. Sie ver leitet zu Zweifeln an urkundlich gesicherten Tatsachen, die der stilkritisch gewonnenen \Erstellung vom Schaffen eines Meisters zu widersprechen scheinen, und sie verleiht unsicheren Fakten, lediglich auf Grund des dem Stilkritiker zugebilligten Prestiges, die Eigenschaft von Tatsachen. Ein Beispiel der Irreführung der Forschung durch Hypo thesen, die mit dem Anspruch unbedingter Geltung vorgetragen werden, liefert die neuere Darstellung des Lebens und Wirkens des Bildhauers Adolf Dauher, dem man nicht einmal die richtige Schreibweise seines Namens zuteil werden läßt. Was an sicheren Tatsachen über ihn und seine Familie ausgesagt werden konnte, haben Theodor Demm- ler und ich im Künstlerlexikon Band 8, S.427ff. und Band 33, S. 85, zusammengestellt. Hieraus und aus seither erschlossenen neuen Quellen, besonders zur Lebensgeschichte des jüngeren Adolf Dauher, ergeben sich die im folgenden kurz umrissenen Lebens bilder, die sich von der neuerdings beispielsweise von Karl Feuchtmayr gegebenen Dar stellung 1 ) nicht unwesentlich unterscheiden. Der \ ater des Adolf Dauher ist der Maler Bartholome Thorer, auch Thaurer und Tawer geschrieben, aus Wien. Der Name des Geschlechtes läßt vermuten, daß es aus Thaur bei Innsbruck stammt; in der Tat bestehen noch Beziehungen zum Herrscher von Tirol. Bartholome wird zum erstenmal 1476 in einer Augsburger Urkunde erwähnt; er lebt in kümmerlichen Verhältnissen. Das Kopialbuch der Stadt, Band 7, Nr. 60, S. 31 f., im Stadtarchiv, enthält ein Schreiben des Rates, datiert Afftermontag vor Michaelis Anno 1476, an seinen Pfleger zu Dachau, Walther v. Gumppenberg 2 ). Aus ihm geht hervor, daß „ein Maler, genannt Bartholome Tawer von Wien“ einige Zeit bei dem Wärt Hanns Kumpffer gewohnt habe. Bartholome habe in der Folge, ohne Kostgeld zu zahlen, seine 149