875 §- ^21. Bei Abhörung der Zeugen hat der Richter, welcher die Handlung leitet, Hauptfach-! lich folgende Verhaltungsregeln zu beobachten. ».) Der Zeuge muß den ihm vorgelegten Artikel oder das Fragstück, oder die vom Richter selbst zu stellende Frage richtig und nach ihrem ganzen Inhalte verstehen, ehe er eine Antwort ertheilt. Es ist deshalb auf die persönlichen Fähigkeiten des Zeugen Rücksicht zu nehmen und sich daher, besonders bei ungebildeten, oder doch der Geschäftssprache nicht kundigen Leu ten, auf das bloße Ablefen der Fragen nicht zu beschranken, sondern jeder Ausdruck, der ihnen unverständlich seyn könnte, zu erläutern. Die Fragen sind nach Befinden zu zer gliedern und besondere Antworten darauf zu erfordern. d. ) Enthalt der in dem Artikel oder Fragstücke aufgestellte Satz Haupt- und Ne benumstande, Beschränkungen, Quantitäten und Bezeichnungen von Ort und Zeit oder gewissen Eigenschaften, so daß sich denken läßt, daß zwar die angeführte Tharsache an sich selbst, aber unter andern Ncbenbestimmungen sich zugetragen habe, daß daher der Zeuge zwar den Hauptgegenstand der Frage bejahen, wegen der verschiedenen Eigen schaften aber modifieircnde Aussagen thun könne, so hat der Richter sich niemals mit einem den ganzen Inhalt des Satzes umfassenden „Ja" oder „Nein" zu begnügen, sondern darauf zu halten, daß der Zeuge sich in seiner Antwort über den Haupt-Ge, genstand und über die Nebcnbestimmungen besonders erkläre. e. ) Uiberhaupt ist darauf zu sehen, daß in den Antworten des Zeugen nichts Dunk les, Unbestimmtes und Zweideutiges übrig bleibe, welches den streitenden Theilen zur Verdrehung, oder bei Entscheidung der Sache zu Zwciseln über den Sinn des Zeug nisses Anlaß geben könnte. Der Richter hat daher, wenn die erste Antwort des Zeu gen schwankend, unverständlich, oder nicht auf die Frage passend ist, ihm zu erklären, worauf es bei der von ihm verlangten Antwort ankommt, und ihm die ndthige Erläu terung abzufordern. 6.) Antwortet der Zeuge mit Nichtwissen, oder, daß er den fraglichen Umstand vergessen habe, und es tritt der Verdacht ein, daß diese Unwissenheit verstellt sey, so ist er darauf, daß der Zeugeneid auch gegen das geflissentliche Verschweigen der dem Zeugen bekannten Thatsachen gerichtet sey, aufmerksam zu machen. e.) Ergiebt sich nicht aus dec Antwort des Zeugen von selbst, worauf er dieselbe gründe, ob auf eigene Wahrnehmung, oder auf die Versicherung anderer Leute, so hat ihn der Richter um den Grund seiner Wissenschaft zu befragen. k.) Bei Aussagen, welche in sich selbst oder mit andern schon beym Verhör gegebe nen Antworten des Zeugen in Widerspruch stehen, hat der Richter sich nicht zu beruhi gen; es ist vielmehr dieser Widerspruch da, wo er sich ergiebt, dem Zeugen vorzuhalten und die Auflösung desselben zu verlangen; wenn er aber demohngeachtet bei der sich widersprechenden Aussage beharret, die geschehene Vorhaltung und was der Zeuge dar- 110 * k. 66. Vcrbal- tungSregeln beim Zeugen verhör.