VORWORT. Oie mittelalterliche Grabplastik erfreut sich seit etwa zwei Jahrzehnten einer ständig wachsenden Beachtung. Da die Mehrzahl aller Grabdenkmäler sichere Jahreszahlen überliefert, erscheinen sie als ein willkommenes Hülfs- mittel, stilistisch verwandte und undatierte Skulpturen zeitlich genau zu fixieren 1 ). Allerdings wird man sich hüten müssen, sich allzusehr auf diese Daten zu verlassen. Es darf nicht übersehen werden, daß dieselben — ganz abgesehen von den Fällen, in denen auch ein weniger geübtes Auge erkennt, daß ein Monument von einer jüngeren Generation errichtet sein muß, als der, welcher der so Geehrte angehörte — nicht nur nie mit der Anfertigung des Denkmals genau zusammenfallen, daß vielmehr, auch wenn das Denkmal durch die auf ihm bezeichnete Person selbst, was die Regel ist, oder von ihren unmittelbaren Erben beschafft wurde, mit oft mehr als einem Menschenalter vor- oder rückwärts vom angegebenen Datum ge rechnet werden muß. Selbst da, wo sich längere Reihen von Denkmälern erhalten haben, kann bei den oft nicht geringen Zeiträumen, die das eine vom anderen trennen, die Verschiebungsmöglichkeit für das einzelne recht groß sein, und namentlich dort, wo ein Denkmal die Grundlage einer neuen Kunstentwicklung bedeutet, ist dies eine recht unangenehme Eigenschaft. Für manche Kunstzonen läßt sich eine größere Präzision erreichen, wenn man sich nicht, wie es zumeist geschieht, darauf beschränkt, nur die Bildnissteine, und von ihnen wieder nur die qualitativ höchststehenden, die Ehrendenkmäler und Epitaphien, der Betrachtung zu würdigen. Der mittel alterliche Kunstbetrieb, und vor allem der des Steinmetzen, ist doch ein handwerklicher gewesen. Auf keinem Gebiet sind neben Werken, die den Ruf eines Meisters in der Kunstgeschichte begründen, soviel Arbeiten von an sich untergeordneter Bedeutung entstanden, als in der Bildhauerkunst. Aufträge, denen der Künstler seine ganze Kraft unbesorgt widmen kann, sind auch im Mittelalter selten. Dekorative Arbeiten im Dienste der Archi tektur, skulpierte Grabplatten als Handelsware gewähren dem Steinmetzen *) Berthold Riehl: Geschichte der Stein - und Holzplastik in Oberbayern, München 1902, S. 31. Derselbe: Bayerns Donautal, München 1912, S. 110.