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854 Heriekte usw. «ler H. Kammer. 330. Diesen sichersten Weg, den Verbrauchern billigen Strom zuzuführen, könne und wolle die Regierung für den Regelfall nicht betreten, denn der Kleinverkauf des Stromes liege bereits in weitestem Umfang in den Händen der Gemeinden, mögen sie ihn nun selbst erzeugen oder von Uberlandwerken beziehen. Er diene den Gemeinden als eine Einnahme quelle, auf die sie sich in ihren Haushalten eingerichtet hätten. Deren Wegfall würde sie nötigen, den Fehlbetrag durch Stcuererhöhungcn aufzubringen. Nun würden aber die Gemeinden nach dem Kriege ohnehin genötigt sein, die Steuerkraft ihrer Einwohner in einer außerordentlichen Weise anzuspannen. In solcher Zeit ihnen eine betriebswirtschaft liche Einnahmequelle zu nehmen, dürfe der Staat nicht in Betracht ziehen. Es gelte daher für die Regierung, einen Weg zu finden, der einerseits die Strom- vcrbilligung für die Verbraucher gewährleiste, anderseits aber den Gemeinden ihre bis herigen Einnahmen aus dem Stromverkauf unverkürzt belasse. Die Lösung dieser Frage denke sich die Regierung in folgender Weise: Der Staat liefere den Strom den Gemeinden billiger als ihn irgend eine von ihnen in eigenem Werke erzeugen oder von dritter Seite beziehen könne. Den Unterschied zwischen den bisherigen Selbstkosten des Stromes und dem vom Staate gestellten Strom preis verwende die Gemeinde möglichst vollständig zur Ermäßigung ihres Kleintarifs. Diese Ermäßigung werde den Verbrauch von elektrischem Strom zu Licht- wie zu Kraft zwecken steigern. Die Gemeinden würden auf diese Weise trotz der Verbilligung der Einzel stromabgabe nicht nur keine Einbuße an Einnahmen erleiden, sondern außer einer Hebung der Steuerkräfte der Ecmeindemitglieder sogar noch eine unmittelbare Mehreinnahme erzielen. Ob diese Mehreinnahmen wiederum zu weiteren Tarifermäßigungen oder zur Entlastung ihrer Eemeindesteuerzahler zu verwenden seien, werde von den Verhältnissen abhängen und lasse sich jetzt noch nicht übersehen. Soviel sei aber jetzt schon gewiß, daß der Unterschied zwischen den jetzigen Selbsterzeugungskosten der Gemeinden und den billigeren Großverkaufsprcisen des Staates den Verbrauchern des Stromes seitens der Gemeinden zugute gebracht werden könne, ohne daß diese in ihren Einkünften irgendwie geschädigt werden. Für Ausnahmefälle werde indes für den Staat die Möglichkeit offen bleiben müssen, den Strom ohne Vermittelung der Gemeinden unmittelbar dem Verbraucher zu zuführen. Es könne vorkommen, daß eine Gemeinde nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, die Stromlieferung zu vermitteln. Solche Fälle seien möglich, wenn auch anzunehmen sei, daß sie selten bleiben. Es sei sodann an die Gebiete solcher Gemeinden zu denken, die sich bisher überhaupt mit der Elektrizitätsversorgung noch nicht befaßt haben. Un niittelbare staatliche Stromlieferung an die Verbraucher könne ferner in Betracht kommen bei solchen großindustriellen Unternehmungen, die nur bei allerniedrigsten Strompreisen Nutzen abwerfen und sich, wenn sie den Strom in Sachsen nicht zu diesem Preise erhalten könnten, außerhalb Sachsens ansiedeln müßten. Es würden hierbei häufig Strompreise in Frage kommen, die weit unter den niedrigsten Tarifsätzen der Gemeinden liegen. In diesen Fällen würden die Gemeinden überhaupt kein Interesse daran haben, als Zwischen händler zwischen den Staat und den Abnehmer zu treten, da sie bei so niedrigem Verkaufs preise nichts verdienen können, ja vielleicht sogar zusetzen müßten. Weiter würde sich der Staat naturgemäß die direkte Stromlieferung vorbehalten müssen für die staatlichen Großbetriebe und etwaige vom Staate finanziell unterstützte Unternehmungen, wie z. B. Kleinbahnen. Die Regierung könne indes zusagen, daß der Staat für kleine Bahnhöfe den Strom von den Gemeinden fortbeziehen wolle, solange die betreffenden Bahnlinien nicht elektrisch betrieben würden und solange die Strom lieferungsbedingungen von den beteiligten Gemeinden so gestellt würden, daß sie in an-