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der Immunität allerdings nicht nur vom Reich, sondern auch von anderen Bundes staaten, u. a. Preußen, Bayern und Württemberg, in deren Verfassungen ausdrücklich für die Dauer der Sitzungsperioden oder die Zeit, während deren die Stände ver sammelt sind, mit verschiedenen Abweichungen im einzelnen der Schutz der Abgeordneten auch gegen bloße Strafverfolgung ausgesprochen sei. Sachsen stehe aber mit seiner- engeren Begrenzung der Immunität nicht allein, seine Bestimmung darüber stehe in Einklang mit denen in Baden, Hessen, Sachsen-Koburg-Gotha, Oldenburg, Braunschweig und Reuß j. L. In einer dritten Gruppe von Bundesstaaten bestehe überhaupt keine Immunität der Abgeordneten. Ein Mitglied der Deputation frug an, ob auf Grund dieser Auslegung gegen einen Abgeordneten während der Versammlung des Landtags ein Strafverfahren betrieben werden könne, ob gegen ihn eine Ladung zu einer Hauptverhandlung ergehen könne und ob das Verfahren betrieben werden könne, wenn der Abgeordnete der Ladung keine Folge leiste. Staatsminister vr Nagel erklärte, daß hinsichtlich der Strafverfahren wegen außer parlamentarischer Handlungen die Fragen allerdings zu bejahen seien, die letzte Frage mit der Maßgabe, daß eine Verurteilung selbstverständlich nur eintreten könne, soweit eine solche in ountamatiam nach den geltenden Bestimmungen überhaupt zulässig sei. Eine weitere Anfrage eines Abgeordneten, ob die Immunität nach § 84 nach der Auffassung des Justizministeriums den Schutz gegen Verhaftung zum Zweck der Straf vollstreckung in sich schließe, verneinte der Staatsminister unter Bezugnahme auf § 6 Abs. 2 Z. 2 des Einführungsgesetzes zur Strafprozeßordnung und eine Entscheidung des bayrischen obersten Landgerichts, sowie eine solche des Reichsgerichts (Entsch. in St.-S. Bd. 38 S. 179). Dieser Auffassung wurde mit dem Hinweis darauf widersprochen, daß § 84 der Verfassungsurkunde den Ausschluß der Verhaftung schlechthin ausspreche, ohne zwischen Verhaftung zum Zweck der Strafverfolgung und solcher zum Zweck der Straf vollstreckung zu unterscheiden. Ergab sich aus diesen Darlegungen, daß das erwähnte strafgerichtliche Vorgehen gegen Abgeordnete während der Zeit der Vertagung des Landtags nicht auf der ver muteten engen Auslegung des Begriffs „Dauer des Landtags", sondern auf einer engen Auslegung des Begriffs der „völligen Unverletzlichkeit" beruht, so erschien der Antrag auf Anfügung des Satzes, wonach die Immunität auch für die Zeit einer Vertagung gelten solle, als gegenstandslos. Ohne damit die Richtigkeit der den: § 84 vom Justiz ministerium gegebenen Auslegung anzuerkennen, zog ihn infolgedessen der Berichterstatter zurück, indem er dafür einen Antrag einbrachte, die Bestimmung des § 84 der Ver fassungsurkunde mit der des Artikels 31 der Reichsverfassung und den diesen ent sprechenden Bestimmungen der preußischen, bayrischen und württembergischen Verfassung durch folgende neue Fassung in Einklang zu bringen: Kein Mitglied der Ständeversammlung kann ohne Genehmigung der Kammer, der es angehört, während der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe be drohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn es bei Ausübung der Tat oder im Lauf des nächstfolgenden Tages ergriffen wird. Jedes Strafverfahren und jede Untersuchungshaft gegen ein Mitglied der Ständeversammlung ist auf Verlangen der Kammer, der das Mitglied angehört, für die Dauer der Sitzungsperiode aufzuheben. Er richtete an die Regierung die Anfrage, wie sie sich zu dieser Änderung der Verfassung stelle. Justizminister ftr Nagel erklärte, daß die Regierung hiergegen grund-