— 127 — Das liegt wohl daran, dass man durch die schnelle Bewegung sich einen scheinbar entgegenkommenden Luftzug verschafft. Viel unangenehmer wirkt die Hitze, sowie man das Rad verlassen muss. Darum, möglichst früh hinaus, auch wenn man sich zum Morgenkaffee mal mit alt backener Semmel behel fen muss. Man begnüge sich im Quartier nicht damit, beim Oberkellner oder sonst wem das Wecken zu bestellen, son dern verlange den Haus knecht, Zimmermädchen oder wer sonst die ver antwortliche Person ist und schärfe dieser ein: Bei unpünktlichem Wecken kein Trinkgeld und un fehlbare schriftliche Be schwerde beim Wirt. Das hilft sicher. Sonst meinen die dienstbaren Geister merkwürdigerweise oft, den Radfahrern käme es auf eine Stunde nicht so genau an, weil sie ja keinen Zug und keine Post versäumen. Ist ein mal gar keine Aussicht auf den gewohnten Mor genkaffee, so thut es zur Not auch ein Glas Was ser und ein Butterbrot. Man lasse sich durch den Aerger über die nutzlose Kaffeerwartung nie ver leiten, ganz nüchternen Magens abzufahren. Das bekommt unfehlbar schlecht. Ist es einmal unbedingt notwendig, so geniesse man im näch- stenGasthause wenigstens eine Kleinigkeit, auch wenn es dort nicht gerade sehr appetitlich aussieht. Ueber das Trinken liesse sich auch manches sagen.Heimtückische Ge sellen sind namentlich die Südweine. Schon in Süd tirol der kräftige, so harm los schmeckendeTerlaner und der Schweizer Velt liner wollen sehr vorsichtig genossen sein. Je weiter nach Süden, desto vorsichtiger muss man sein. Der schwarze Pariser Frühjahrs- und Herbst-Kostüm. Aus «Die Radlerin», Sportsblatt für radfahrende Damen Deutschlands und Oesterreich-Ungarns (Berlin). Nostrano der Lombardei mit seinem kräftigen Erd geruch und Geschmack hat die merkwürdige Wirkung, dass uns alsbald das Ge wicht der Maschine ver zehnfacht erscheint und die rebenbehangenen Ul men, die den Weg säu men, eine merkwürdige Anziehungskraft auf uns üben. Trotzdem hat der vielgeschmähte Alkohol unter Umständen auch seine guten Seiten. Von all den vielgepriesenen Stärkungsmitteln, Kola u. s. w. habe ich nie eine erhebliche Wirkung ver spürt. Dagegen ist ein Schluck vom allerbesten Cognac oder Rum von geradezu zauberhafter Wirkung bei äusserster Ermüdung und Abspan nung. Lange hält diese Wirkung natürlich nicht an, es ist aber auch ge nug, wenn man durch sie an ein sonst vielleicht nicht erreichtes Ziel kommt. Milch, sowohl frische wie Buttermilch, ist fast überall zu haben und bekommt sehr gut, ebenso rohe Eier. Dass man unterwegs so oft wie möglich badet, ist selbst verständlich. Unliebsame Begeg nungen giebt es natürlich oft. Ein ganz mit Unrecht als grimmer Radfahrer feind verschrieenes Tier ist der Hund. Mir ist. schon mancher Hund kläffend nachgelaufen und auch an mir hochge sprungen. Gebissen hat mich noch nie einer. Ich bin Hundefreundin und kann es nicht übers Herz bringen, das übliche Ra dikalmittel, den Tritt mit dem Absatz auf die Nase, anzuwenden. Ich rede vielmehr den Hunden ruhig und freundlich zu und bin dabei stets gut gefahren. Beim Begegnen mit Rindviehherden und Schafen vermeidet man, die Tiere zu erschrecken, fährt man ruhig vorbei und