Volltext Seite (XML)
— 169 — folg, indem durch den schnellen Wechsel des Wärme reizes (auf der Fahrt), des Kältereizes (bei der Ab waschung) und des wieder nachfolgenden wohlthuen- den Wärmegefühls die einzelnen Schichten der Haut sich abwechselnd ausdehnen und zusammenziehen, wodurch im Laufe der Zeit der Zustand entsteht, den man unter dem Ausdruck: «festes Fleisch» versteht und bei dem alle Falten und Zeichen der Welkheit verschwinden. Dies macht sich namentlich in Gesicht, um die Augenwinkel herum und zwischen Nase und Mund be merkbar, worin der auffallende verjün gende Einfluss be steht, den der Rad sport nicht nur auf dasEigengefühl, son dern auch auf die äussere Erschei- n u n g, vor allem auf die Gesichtszüge ausübt. Dieses fortwäh rende «Turnen der Haut» — wie unser berühmte Du Bois- Reymond die ab wechselnde Zusam menziehung und Aus dehnung der Haut genannt hat — wirkt abhärtend, d. h. es erhöht die Wider standsfähigkeit des Körpers gegen Er krankungen*). Es prägt sich ausserdem in dem aufgeweck ten, intelligenten Ge sichtsausdruck aus, wie man es nament lich bei solchen Kindern beobach ten kann, die vorher einen müden und welken Eindruck machten. Da Kinder stets zu Uebertreibungen geneigt sind, und die Beweglichkeit des Rades selbst Erwachsene zuweilen in Versuchung führt, so sollte beim Kinderfahren die unumstössliche Regel sein, dass es nur unter Aufsicht geschieht. Hier liegt eine dankbare Aufgabe für den Turnlehrer, den Haus- oder Klassenlehrer, seine Schüler zu Rad in die Schön *) Wie Dedolph (Aachen) in dem vortrefflichen Vortrage: «Die Bedeutung der Körperübungen», gehalten auf der Frank furter Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte 1896 unter Bezugnahme auf den gleichen Standpunkt von Eulenburg und Hueppe des Näheren ausführt. heiten der Natur einzuführen und so im gesunden Körper auch den gesunden Sinn zu pflegen. Dass die Schulbehörden die Benutzung des Rades für den Schulweg nur unter der Bedingung gestatten sollten, dass die aufrechte Haltung des Reitsitzes eingehalten wird, habe ich schon oben auseinandergesetzt. Was die Unglücksfälle auf dem Rade betrifft, so würden sie nicht häufiger sein, als die auf dem Pferde, dem Wagen, der Eisenbahn vorkommenden, und eine ausdrückliche Belehrung über zweckmässiges Verhalten bei sol chen würde hier ebensowenig not wendig sein, als in einem Lehrbuch der Reitkunst, wenn die Ueberzeugung allge mein durchgedrun gen wäre, dass zur Erlernung der Stahl radreitkunst ebenso ein erfahrenerLehrer notwendig ist, wie zu derjenigen des Reitens auf dem Pferde. Bei dem Rad sport glauben aber noch die Meisten, ihr Heil auf eigene Faust versuchen zu können, und daher stammen die zahl losen Karrikaturen auf dem Rade und — die Unglücksfälle, wobei ich jedoch nur an die kleineren Verletzungen denke, die bei der unbeab sichtigten Trennung vom Rade entstehen und deren Sitz meis tens die Hand flächenballen, die Kniescheiben, die Knöchelvorsprünge und die Bänder des Fussgelenks sind. Nur auf letztere hat sich daher der Radfahrer speziell vorzubereiten, und zwar genügt hiezu die Mitnahme eines kleinen Päck- *) Das oben reproduzierte Damenkostüm empfiehlt sich als das vor teilhafteste Kleiderregime. Es ist der unterhalb des Knies geteilte Rock, der ein Mittelding zwischen den Pumphosen und dem unschönen bis oben geteilten Rock bildet, der wie zwei Flügel an beiden Seiten herunterhängt. Der Oberkörper tragt Gesundheitskorsett, leichte Weste ohne Rücken und Jackett, welches den Uebergang von Taille zur Hüfte maskiert. Für nicht schlanke Damen wird so der Eindruck des Lächer lichen oder Unschönen nicht nur vermieden, sondern die Figur erscheint sogar schlanker. Durch die Teilung des Rockes, dessen beide Teile nach innen umgestülpt unterhalb des Knies befestigt sind, wird die Abzeichnung des Gesässes (im Profil) unmöglich gemacht, die bei dem ungeteilten Rock immer eintritt, wenn das eine Bein in der höchsten Stellung sich befindet. Hygienisches Damen-Kostüm.*)