VOM WESEN DER DEUTSCHEN RENAISSANCEMEDAILLE Eine Medaille oder besser Schaumünze ist, wie sie Georg Habich, der Schöpfer des Corpus der deutschen Renaissance-Medaillen definiert, „eine Münze, die nicht dem Geldverkehr dient, sondern vornehmlich den Zweck hat, beschaut zu werden: ein doppelseitiges Rundrelief, das in plastisch-bildlicher Form eine Person oder eine Begebenheit in dauerndem Material festhalten soll“. Die eine Seite der Medaille zeigt meist ein Bildnis, die andere eine Darstellung meist figürlicher, gegenständlicher oder heraldischer Art, größtenteils mit Umschriften auf beiden Seiten. Sie wird hauptsächlich zu Erinnerungs- oder Geschenkzwecken hergestellt; sie soll aber trotzdem noch einen handlichen Charakter behalten und nicht zur Plakette werden, wie das heutzutage geschehen ist. Im Altertum gab es bei den Römern besonders große Münzen in Gold, Silber und Bronze, die einen medaillenähnlichen Charakter besitzen und deshalb heute Medaillons genannt werden. Sie sind von besonderer Schönheit der Ausführung und haben eine reiche und außerordentliche Darstellung. Sie waren offenbar als Festmünzen oder Erinnerungsstücke ohne ausgesprochene Geldqualität zu Ge schenkzwecken in der Münze geschaffen, doch kann man sie noch nicht als Me daillen im späteren Sinne bezeichnen. Überhaupt haben römische Münzen sicher eine große Rolle bei der Entstehung der modernen Medaille gespielt, indem sie auf der einen Seite ein Bildnis, das Porträt des Kaisers, der die Münze prägen ließ, und auf der anderen Seite eine sinnbildliche Darstellung haben. In der Zeit der Renaissance interessierte man sich für sie als kostbare Überbleibsel aus der Zeit der Antike, man begann sie zu sammeln und zu beschreiben. Im flandrisch- burgundischen Kulturkreise, am Hofe des Herzogs von Berry (1416) in Bourges entstanden Ende des 14. Jahrhunderts große Goldmedaillons, die nach dem Vor bilde der Antike gemacht sind, eine Serie mit Bildern römischer Kaiser, die im späteren Mittelalter als um die Ausbreitung des Christentums besonders verdient galten; von dieser sind nur ein paar schlechte Nachgüsse erhalten, die unter ande ren die Kaiser Konstantin den Großen und Heraclius verherrlichen (Abb. 1 und 2, Seite 17). Diese burgundischen Medaillen waren schon im 15. Jahrhundert in Ober italien bekannt und wurden hier, weil sie für antike Münzen gehalten wurden, nadigeahmt.