DAS BÜNDNIS DER KÜNSTE Wir blicken auf die Spielpläne unserer Opernhäuser. Wir stellen fest, daß sich da eine bunte Vielfalt ausbreitet, daß es im Grunde aber nur wenige Werke sind, die den Kernbestand bilden. Bis zum Ausklang des Barocks war es so: was der Tag lieferte, das wurde vom Tage verzehrt. Jedes neue Jahr hinterließ eine unge heure Ernte. Mit der Ermüdung unserer Kultur, mit ihrer Ver feinerung wurde das anders. Die Romantik hat an die Stelle der Fülle das Prinzip der organischen Vereinzelung und der strengen Auslese gesetzt, wie es der Seelenhaltung des Subjektivismus ent sprach. Theoretisch entfernen wir uns in gerader Linie von der Oper, theoretisch streben wir jedes Jahr mehr vom einstigen Kul turideal fort. Es gilt für den einzelnen, was fürs Ganze gilt: in dem Beethovens Opernkunst zum Triumph der Einsamkeit schritt, war allen Nachfolgern des 19. Jahrhunderts das Ziel vor geschrieben: es gab kein Zurück zur bunten Fülle, mochten auch die einzelnen Partituren zu einem nie dagewesenen Umfang an schwellen, mochten im Menschenleben eines einzigen Künstlers mehr Millionen Notenköpfe geschrieben werden, als sonst in einer ganzen Generation. Auch Webers Schaffen verdeutlicht die Richtung der Entwicklung in sonnenklaren Anzeichen. Mag er bis zu einem gewissen Zeitpunkt nicht geahnt haben, welche Rolle sein Freischütz in der Operngeschichte spielen werde — einem Be sucher sagte er 1825: „Als ich meinen Freischütz schrieb, ließ ich mir nicht träumen, daß meine Musik so schnell und tief in das Volk übergehen werde“ —, so hat er doch mit den Jahren immer klarer seine kunstgeschichtliche Position erkannt, hat den Zug der Zeit sehr genau verspürt, den Zug nach Vereinzelung, den Zug von der Oper fort, — der in umgekehrter Anschauung eine Tendenz zur Höherwertung der Kunstschöpfung, zur Umwertung im philo- 30