mit besonderer Berücksichtigung der vom Verfasser auf der Weltausstellung von Philadelphia 1876 und auf der Pariser Weltausstellung von 1878 für dieses Fach angestellten Vergleiche und Wahrnehmungen
VIII Vorwort. Wir dürfen nie vergessen, daß die Grundlage aller mensch lichen Ordnung die Arbeit ist, daß die selbständige Produktion aber unter aller Arbeit den ersten Rang einnimmt. Wer auch nur mit einer einzigen eigenen Idee seinen Mitmenschen nützt, erwirbt sich ein höheres, sicheres Verdienst, als wer sein Lebenlang in Unwissenheit mechanisch arbeitet und unfähig ist sich zu erheben, wie eine Maschine von dem Willen des Meisters gelenkt wird. Aus solcher geistigen Leibeigenschaft kann nur eine kühne That der Selbstbefreiung uns retten; und diese ist die Selbst- belchrung. Die Wissenschaft macht frei. Mögen wir aber nun unser Wissen durch das Studium guter Bücher vervollständigen, nachdem wir die praktischen Seiten unseres Berufs haben kennen lernen, oder umgekehrt durch die Praxis unsere theoretischen Kennt nisse vervollkommnen, in allen Fällen fordert unser Streben einen hohen Grad von Energie. In der Glacvlederfärberei wie in allen anderen Zweigen der Industrie unterscheiden wir den Theoretiker, der die Phänomene der Färberei wissenschaftlich betrachtet, um nach den Gesetzen der Chemie die Ergebnisse seiner Thätigkeit im Voraus zu berechnen, von dem Praktiker der die Erfahrungen verwerthet, die er in seinem Berufe gesammelt hat. Wir können uns keinen wahrhaft tüchtigen Praktiker denken, der nicht zugleich Theoretiker wäre. Denn derjenige Färber, der blos die Wirkungen seiner Arbeit kennt ohne Bewußtsein der Ursachen, ohne Verständlich der chemischen Gesetze, nach denen sie stattfinden, ist einem Blinden vergleichbar, der im Finstern tappt, aufs Gerathewohl mit seinem Stock vor sich hintastet und froh ist, wenn ihn sein Pudel an der Leine so leitet, daß er nicht an jedem Pfosten mit dem Kopf anrennt. Dieser leitende Pudel ist ihm die Erfahrung, die er sich im Handwerk erworben und von Andern hat mittheilen lassen, resp. die Reccpte, die er nicht selten von Ausbeutern seiner Unwissenheit gekauft hat. Recepte aber ohne wissenschaftliche Erkenntniß haben keinen Werth: denn ein Zufall, ein Nichts kann sie mißlingen machen, wenn wir nicht ihre chemische Begründung verstehen.