Md Anzeiger. ^ 276. Sonntag, dm 3. Oktober. 1847. Bekanntmachung und Dank. Nachdem die trübe Zeit, welche durch Steigerung der Preise für die un entbehrlichsten Lebensbedürfnisse herbeigeführt war, auch für unsere Stadt glück lich überstanden worden ist, fühlen wir uns verpflichtet, allen Denen, die sich bei dem allhier bestandenen Hülfsvereine durch Beiträge betheiligt haben, insonderheit aber den edlen Männern, von denen dieser Verein ins Leben gerufen und mit eben so viel Umsicht als Erfolg geleitet worden ist, unfern aufrichtigen Dank noch öffentlich hiermit auszusprechen. Sie haben unserer Stakt und deren gesammter Einwohnerschaft durch ihre thätige und geräusch lose Hülfe so wesentliche Dienste geleistet, daß das dankbare Andenken daran nie erlöschen, ihr segensreiches Wirken aber und die dadurch an den Tag gelegten ehrenwerthen Gesinnungen für alle Zeiten ein schönes Beispiel bleiben werden. Gott erhalte uuserm Leipzig solche Gesinnungen und solche Bewohner, die, wenn es dem wahren Wohle gilt, mit Rath und That zur Hand sind und, von wahrer Menschenliebe geleitet, selbst persönliche Opfer nicht scheuen. Leipzig, den 27. September 1847. Der Rath der Stadt Leipzig. vr Gross. DaS Gemälde „der Reichstag zu W»«mS" von Martersteig. <« ch l » -.) N . - Außer historischer Wahrheit pflegen wir ferner historische Wahrscheinlichkeit im Gemälde zu suchen. Bon da auS näm- lich, wo die Geschichte schweigt, ist dem Künstler ein freier Spielraum eröffnet und in früherer Zeit verlangte man von einem historischen Gemälde nichts weiter als ideelle Ueber- einstimmung mit dem dargestellten Ereigniß, weil die charak- teristische Aeußerlichkeit verschiedener Zeiten, Völker und Länder wenig bekannt war, während eS Ln unseren Lagen nicht mehr gebilligt werden mag, wenn uns Personen de- Mittel alters im antiken oder der alten Welt im mittelalterlichen Costüme zur Anschauung gebracht werden. In dieser Be ziehung ist daS in Rede stehende Gemälde nicht nur tadel frei, sondern eS zeigt auch eint Vollendung und Treue, wie sie nur durch tieferes Studium de- Zeitcharakters und der dargestellten Handlung erreicht werden konnte. Bei prosai scher Auffassung würde sich freilich ein anderes Bild dar stellen. Eia glänzender, geräumiger und hell erleuchteter Saal, eine bequem nach Rang und Verhältniß geordnete Brrsamm- lung in respektvollen Distanzen, eine feierliche Unbeweglichkeit und passive Haltung der Anwesenden würde unS vor Augen stehen und vielleicht sogar von Manchem für wahrscheinlicher gehalten werden. Daß aber der Maler einer solchen Ansicht nicht gefolgt ist, zeigt von seiner Einsicht und seinem Kunst gefühl. Die Säle deS Mittelalters waren nicht immer glanz voll ausgestaltet, noch in Räumlichkeit und Erhellung für Gesellschafts- und Versammlungszwecke baulich berechnet, wie zu jetziger Zeit. Wir können uns daher nicht verwundern, wenn daS Gemälde unS eine Reichstagsversammlung in einem Halbdunkeln einfachen Saale und dergestalt zusammengedrängt zeigt, daß der Kaiser dicht umstellt ist und Einige sogar mit auf dem Throne Platz genommen haben. In künstlerischer Beziehung aber macht eS diese Zusammendrängung allein mög lich, so viele bemerkenSwerthe Personen in den Rahmen eines nicht übermäßig vergrößerbaren BildeS zusammen zu fassen. Fände e- ferner ein Beschauer auffällig, daß mehrere hohe Personen, wie die sächsischen Fürsten und der greise Erz bischof von Salzburg, im Gedränge stehend dargestellt sind, daß in die Sitzreihen etwas Unordnung gekommen zu sein scheint, und mehrere Anwesende sich in ceremonienloser Stellung befinden, so erwäge man weiter, baß die Dar-